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„Wollen EU nicht spalten“

Am Dienstag wird Russlands Präsident Wladimir Putin in Wien erwartet. Anlass ist offiziell der 50. Jahrestag der am 1. Juni 1968 unterzeichneten Erdgaslieferverträge zwischen Österreich und der Sowjetunion. Gespräche mit der heimischen Politik und Wirtschaft stehen auf dem Programm. Im Vorfeld des Besuchs gab Putin dem ORF eines seiner seltenen internationalen Interviews - allerdings mit Bedingungen.

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Schon mehrmals hatte das ORF-Korrespondentenbüro in Moskau eine Anfrage an die Pressestelle des Kreml geschickt, dieses Mal sei sie „überraschenderweise“ angenommen worden, sagte die ORF-Journalistin Carola Schneider im Ö1-Morgenjournal. Für Interviews gibt es aber strenge Bedingungen. Moskau besteht darauf, dass nicht die Korrespondenten in Moskau das Gespräch führen, sondern Nachrichtensprecher des jeweiligen Fernsehsenders. Außerdem müssen mindestens 15 Minuten des Interviews in der Primetime gesendet werden, so Schneider - Audio dazu in oe1.ORF.at.

Russlands Präsident Wladimir Putin im Interview mit Armin Wolf

ORF/Daniel Hack

Russlands Präsident Putin im Gespräch mit ORF-Nachrichtenmoderator Armin Wolf

Das berichtete auch ORF-Nachrichtenmoderator Armin Wolf, der das Gespräch in Moskau führte, in seinem Blog. Während des Interviews seien bis zu 40 Personen anwesend gewesen, von Kameraleuten über Dolmetscher bis „Herren mit Spiralkabeln im Ohr“. Putin sei „kein großer Smalltalker, die Begrüßung auf Deutsch sehr freundlich, aber knapp“, so Wolf, der mit dem russischen Staatspräsidenten 52 Minuten sprechen durfte - statt ursprünglich geplanter 30.

Rüstungswettlauf: Putin versteht Trump

Putin-Interviews mit ausländischen Journalisten sind selten, aber für ihn eine Möglichkeit zu zeigen, dass Moskau für Gespräche offen ist. So finden zum Beispiel Gespräche mit großen Medien in den USA statt - trotz angespannter Beziehungen zu dem Land. Das war auch ein Thema, das der ORF aufgriff und mit dem Wolf Putin konfrontierte. Warum gibt es regelmäßig Telefonate mit US-Präsident Donald Trump, aber noch kein einziges bilaterales Treffen? Putins Antwort: „Das müssen Sie unsere Kollegen in den USA fragen.“

Allerdings vertritt der russische Staatschef auch seine Sicht der Dinge. Für ihn sei das kriselnde Verhältnis, das viele Experten an die Zeit während des Kalten Krieges erinnert, eine „Folge des heftigen innenpolitischen Kampfes in den Vereinigten Staaten“. Trotzdem habe man sich mehrmals bei verschiedenen internationalen Foren unterhalten, zuletzt über die „Gefahr eines neuen Rüstungswettlaufs“, so Putin.

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Er sei derselben Meinung wie Trump, er verstehe ihn, wie Putin sagt. Aber: „Diese Entwicklung haben, wie Sie wissen, nicht wir initiiert. Nicht wir waren es, die aus dem ABM-Vertrag, der Raketenabwehrsysteme verbietet, ausgestiegen sind“, so Putin. Moskau habe nur auf die Bedrohungen geantwortet. „Wir sollten aber nachdenken, wie man einen neuen Rüstungswettlauf verhindern kann“, sagte der Präsident weiter. Experten müssten beginnen, in „der Sache“ zu arbeiten. „Ich hoffe, dass diese Arbeit tatsächlich beginnt – auch zwischen uns Präsidenten persönlich.“

Putin: Europa wichtiger Partner

Auch die Stimmung zwischen der EU und Russland ist nicht zum Besten bestellt. Wegen der völkerrechtswidrigen Annexion der ukrainischen Halbinsel Krim und den darauffolgenden EU-Sanktionen gegen Moskau sowie wegen Vergiftung des ehemaligen Spions Sergej Skripal hatte das Verhältnis stark gelitten. Putin sagte, dass man nicht das Ziel verfolge, „etwas oder jemanden in der EU zu spalten. Wir sind vielmehr daran interessiert, dass die EU geeint ist und floriert, weil die EU unser wichtigster Wirtschaftspartner ist.“

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Auf die Frage, warum Putins Partei Geeintes Russland allen voran mit ausländischen Parteien zusammenarbeite, die die EU sehr kritisch sehen, verwies der Präsident lachend zunächst auf Premierminister Dimitri Medwedew, der der Partei nun vorsitzt. Dann sagte Putin allerdings, dass man pragmatisch entscheide, „ob wir mit jemandem politisch zusammenarbeiten, enger zusammenarbeiten als mit anderen“.

Wie aus dem Interview hervorgeht, arbeite Geeintes Russland nur mit jenen zusammen, die öffentlich den Wunsch dazu äußern - darunter auch die FPÖ, die einen Kooperationsvertrag mit der Kreml-Partei hat. „Nur darin sollten Sie die Gründe für politische Kontakte, für Kontakte zwischen unseren Parteien und jenen in Europa suchen – nicht im Wunsch, etwas in der EU zu destabilisieren oder zu behindern“, so Putin. „Ich wünsche mir, dass Österreich und andere EU-Länder sich diese Idee aus dem Kopf schlagen.“

Putin schon mehrmals in Österreich

Insgesamt ist es der sechste Besuch Putins in der österreichischen Hauptstadt aber sein erster in einem EU-Land seit seiner Wiederwahl zum Präsidenten. Bereits nach seiner Wahl zum Präsidenten führte sein allererster offizieller Staatsbesuch ins weiter entfernte Ausland Putin kam im Februar 2001 nach Österreich. 2014 war es Österreich, das Putin nach der Annexion der Krim als erstes Land die Bühne bot. Der Empfang in der Bundeshauptstadt war damals umstritten.

TV-Hinweis

ORF2 zeigt das ganze Interview mit Russlands Präsident Wladimir Putin um 20.15 Uhr in einer ZIB Spezial.

Kritik kam von Menschenrechtsorganisationen, ukrainischen Vereinen, den Grünen, aber auch internationalen Politikern. „Man weiß, dass Putin die Europäische Union spalten will“, sagte etwa der schwedische Außenminister Carl Bildt. Kontakte mit Russland seien wichtig, doch sei dafür die EU zuständig, hieß es in Brüssel. Die österreichische Politik vom damaligen Bundespräsidenten Heinz Fischer abwärts argumentierte mit der Brückenfunktion Österreichs. Es sei in der derzeitigen Situation wichtig, „Kanäle offen zu halten und miteinander zu reden“, sagte Fischer.

Auch wenn diesmal kaum Kritik laut geworden ist, so klingen die Botschaften doch gleich. Man müsse im Dialog mit Russland bleiben, sagte Bundespräsident Alexander Van der Bellen vergangene Woche in Estland. Gleiches betonte man auch im Bundeskanzleramt. Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) führte die österreichische Neutralität und den Sitz internationaler Organisationen in Wien als Argumente an, warum sich Österreich entgegen der Mehrheit der EU-Staaten entschieden hat, im Zuge der Skripal-Affäre keine russischen Diplomaten auszuweisen.

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