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„Plastik richtet Chaos an“

Im Kampf gegen den Plastikmüll will die britische Regierung Pfand auf Einwegflaschen einführen. Der britische Umweltminister Michael Gove erklärte im April, es müsse etwas dagegen unternommen werden, dass Tag für Tag Millionen von Plastikflaschen nicht recycelt würden. „Wir wollen bei Plastikflaschen aktiv werden, um zu helfen, die Ozeane zu säubern“, sagte Gove.

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„Wir können ohne jeden Zweifel sagen, dass Plastik Chaos in den Meeren anrichtet - dadurch sterben Delfine, Schildkröten ersticken“, so der Tory-Politiker weiter. Wertvolle Lebensräume würden dadurch für Mensch und Tier abgewertet. Es sei deshalb „absolut lebensnotwendig“, dass Großbritannien Plastikflaschen künftig recycle.

Toter Vogel mit Plastikmüll im Magen

AP/USFWS/Dan Clark

Plastik sei nachweislich für das Sterben vieler Tiere verantwortlich, so auch der britische Umweltminister

Schätzungen zufolge werden in Großbritannien jährlich 13 Milliarden Plastikflaschen verkauft. Die meisten davon werden einfach weggeworfen und landen auf der Mülldeponie, werden verbrannt oder gelangen ins Meer, wie etwa die „Financial Times“ („FT“) berichtete. Das Blatt schätzte, dass Großbritannien durch das jährlich weggeworfene Plastik die Londoner Royal Albert Hall 1.000-mal füllen könnte.

Pfand von bis zu 22 Pence denkbar

Wie das britische Pfandsystem genau aussehen soll, steht noch nicht fest. Britische Medien berichteten, es könne eine Pfandgebühr von bis zu 22 Pence (rund 0,25 Euro) pro Flasche fällig werden, ein Betrag, der auch in Deutschland für Einwegflaschen und Dosen bezahlt werden muss. Wahrscheinlich würde sich Großbritannien aber eher - zumindest für den Anfang - am schwedischen Modell orientieren, das rund acht Pence (0,09 Euro) pro Flasche fordert, so die „FT“. Auch auf Einwegtrinkbehälter aus Glas und Metall soll künftig Pfand erhoben werden, wie das Umweltministerium in London mitteilte. Man wolle aber weder die Geschäfte noch die Konsumenten überfordern, so die Regierung.

Die britische Premierministerin Theresa May hatte bereits im Jänner eine Reihe von Maßnahmen zur Vermeidung von Plastikmüll angekündigt. Noch in diesem Jahr werde es weitere Beratungen geben, bis Ende 2022 soll ein entsprechender Beschluss gefasst werden, meldeten britische Medien. In den Beratungen würde beispielsweise über „umgekehrte Getränkeautomaten“ gesprochen werden - über auch in Österreich bekannte Automaten also, die Plastikflaschen gegen Geld oder einen Gutschein annehmen.

Britischer Umweltminister Michael Gove

APA/AFP/Ben Stansall

Gove zeichnete ein drastisches Bild von Großbritanniens Umweltverschmutzung durch Plastik

Die britische Regierung bemüht sich schon seit einiger Zeit, vermehrt umwelt-, klima- und tierschutzfreundliche Gesetze auf den Weg zu bringen. Plastiksackerln kosten bereits seit drei Jahren fünf Pence pro Stück (rund 0,06 Euro). Mikroplastik in Kosmetika darf schon seit Anfang 2018 nicht mehr verkauft werden. Bis 2042 soll „vermeidbares Plastik“ komplett abgeschafft werden, so May am Mittwoch.

Umweltschützer vorsichtig optimistisch

Elena Polisano von Greenpeace UK bewertete das Bekenntnis der britischen Regierung zum Pfand auf Plastik- sowie auf Glasflaschen und Metalldosen grundsätzlich als „positiv“, hieß es in einem Pressestatement. Greenpeace zeigte sich vorsichtig optimistisch: Sollte das Vorhaben wirklich im ganzen Königreich umgesetzt werden - für alle Getränkeflaschen in allen Größen -, werde das einen riesigen Unterschied für die ganze Welt machen. Jedoch: „Die Regierung muss vorsichtig sein, kein freiwilliges System einzuführen, das sich etwa nur auf bestimmte Einzelhändler bezieht.“

Philip Law, Generaldirektor der British Plastics Federation, sagte: „Als Experten für Plastik werden wir der Regierung als unterstützender Partner zur Seite stehen. Aber, wie immer, liegt der Teufel im Detail.“ Auf diese „Details“ bezog sich auch Jo Jacobius, der Direktor der British Bottled Water Producers. Er sieht den derzeitigen Beschluss noch vorsichtig: „Ich unterstütze jedes Vorhaben, das verantwortungsbewusstes Recycling von Plastik-, Glas- und Metallbehältern fördert“, so Jacobius gegenüber der „FT“. Jedoch würde er auch „mehr Engagement in Richtung überflüssige Plastikverpackungen auf weitere Konsumgüter“ schätzen.

Sechsmal mehr Plastik als Plankton in Ozeanen

Die Meeresschutzorganisation Oceana nimmt an, dass weltweit stündlich 675 Tonnen Müll direkt ins Meer geworfen werden, wovon die Hälfte aus Plastik bestehe. Aber nicht nur die direkte Verwendung der Ozeane als „Müllhalde“ sei ein Problem: Jeglicher Plastikmüll könne auf seinem langen Lebensweg irgendwann im Meer enden. Plastik, vor allem in Form von Sackerln, Kanistern und PET-Flaschen, macht einer Studie des UNO-Umweltprogramms (UNEP) zufolge bis zu 80 Prozent der gesamten Abfälle in den Ozeanen aus. Schon jetzt schwimmt in den Meeren sechsmal mehr Plastik als Plankton.

Robbe und Plastikmüll auf einem Strand

Reuters/Guillermo Granja

Laut Greenpeace stammen 80 Prozent des Mülls im Meer vom Land

Die gesundheitliche Schädlichkeit durch Nahrungsaufnahme - etwa durch das Essen von Fisch - ist für den Menschen zwar nicht nachgewiesen, für Flora und Fauna der Gewässer habe Plastik jedoch verheerende Folgen, wie Umweltschutzorganisationen warnen. Aus den Plastikmassen bilden sich durch die Meeresströmungen zudem Plastikinseln, die aus großen Plastikteilen und kleinsten Partikeln bestehen und riesige Flächen der Ozeane einnehmen. Umweltorganisationen kritisieren, dass dies das Ergebnis einer jahrzehntelangen unbedarften Produktion von Plastik und ein sehr deutliches Zeichen der Wegwerfkultur sei.

Nach einer in der Fachzeitschrift „Scientific Reports“ veröffentlichten Studie hat der größte Müllstrudel der Welt zwischen Hawaii und Kalifornien eine Fläche von rund 1,6 Millionen Quadratkilometern. Das ist etwa 19-mal die Fläche Österreichs. Die Wissenschaftler gehen davon aus, dass unter anderem der Tsunami in Japan im Jahr 2011 zur Ausbreitung des Plastikmülls beigetragen hat. Rund die Hälfte davon besteht der Studie zufolge aus alten Fischernetzen und ähnlichem Material. Deshalb sei der Müll auch eine große Gefahr für Fische, Schildkröten und andere Meeresbewohner.

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