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Bisher nur minimale Erfolge

3,2 Millionen Irinnen und Iren konnten am Freitag über die Abschaffung des Abtreibungsgesetzes abstimmen. Doch das ist nicht das erste Mal, dass das Thema per Bürgerentscheid behandelt wird. Abtreibungsbefürworter setzen sich seit 35 Jahren für eine Legalisierung des Schwangerschaftsabbruchs in Irland ein - bisher mit minimalen Erfolgen.

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1983 machte die irische Bevölkerung aus dem gesetzlichen Abtreibungsverbot einen verfassungsrechtlichen Grundsatz, der das Leben der Mutter und das des ungeborenen Kindes als gleichwertig sieht. In diesem achten Verfassungszusatz steht: „Der Staat erkennt das Recht auf Leben des Ungeborenen an, und er garantiert, unter Berücksichtigung des gleichen Rechtes auf Leben der Mutter, in seinen Gesetzen dieses Recht zu respektieren und - so weit zweckmäßig - zu schützen und zu verteidigen.“

Die Folge dieses Verfassungszusatzes ist, dass Abtreibungen in Irland in keinem Fall vorgenommen werden dürfen, auch nicht wenn die Schwangerschaft Folge einer Vergewaltigung oder von Inzest ist, wenn die Schwangerschaft das Leben der Mutter gefährdet oder der Fötus nicht lebensfähig ist.

Abbrüche im Ausland legal

Neun Jahre nach dieser Entscheidung kam es erneut zu einem Referendum: Einem 14-jähriges Vergewaltigungsopfer wurde von einem irischen Gericht untersagt, nach Großbritannien zu reisen, um dort einen Schwangerschaftsabbruch vornehmen zu lassen, obwohl das Mädchen akut suizidgefährdet war. Der Oberste Gerichtshof hob diese Entscheidung auf und kam darüber hinaus zu dem Schluss, dass Abtreibungen auch in Irland erlaubt seien, wenn eine glaubhafte Suizidgefahr vorliege. Gesetze, die Medizinerinnen und Medizinern in so einem Fall Rechtssicherheit geben würden, wurden jedoch nie erlassen.

Bei dem Referendum 1992 beschloss die Bevölkerung zwei weitere Verfassungszusätze: Das Abtreibungsverbot darf irische Bürgerinnen nicht davon abhalten, legale Schwangerschaftsabbrüche im Ausland vorzunehmen. Und die Bevölkerung hat das Recht, sich über Abtreibungsleistungen in anderen Ländern zu informieren.

Grafik zu Abtreibungsgesetzen

Grafik: APA/ORF.at; Quelle: APA/Gynmed

Erlaubt, wenn Mutter gefährdet

20 Jahre später flammte die Debatte erneut auf, wie die BBC berichtet. 2012 starb Savita Halappanavar an den Folgen einer Fehlgeburt in einem Spital in Galway. Die Fruchtblase war bereits in der 17. Schwangerschaftswoche geplatzt. Obwohl klar war, dass der Fötus nicht überleben konnte, weigerten sich die Ärzte, die Schwangerschaft zu beenden. Sieben Tage später erlitt die junge Frau einen septischen Schock und starb wegen multiplen Organversagens.

Nach Protesten und einer langen öffentlichen Debatte wurde das Abtreibungsgesetz 2013 geändert. Ist das Leben der Mutter wegen medizinischer Komplikationen in Gefahr, können Ärztinnen und Ärzte einen Abbruch durchführen. Gleichzeitig führte der Gesetzgeber aber eine Höchststrafe von 14 Jahren Gefängnis für Frauen ein, die sich einer illegalen Abtreibung unterziehen, und für jene, die sie durchführen.

Kritik der Vereinten Nationen

Die restriktive Abtreibungsgesetzgebung wurde vom Menschenrechtskomitee der Vereinten Nationen (OHCHR) wiederholt kritisiert. 2016 und 2017 behandelte das Komitee die Fälle von zwei irischen Frauen, denen eine Abtreibung in Irland verwehrt wurde. Bei beiden Frauen hatten die ungeborenen Babys eine schwere Erbkrankheit, die ein Überleben der Kinder unmöglich machte. Laut „Guardian“ waren bei beiden Föten Herz und Gehirn unterentwickelt. Sie wären entweder Totgeburten gewesen oder kurz nach der Geburt verstorben. Trotz dieser Prognose mussten die Frauen Irland verlassen, um im Ausland einen Schwangerschaftsabbruch durchführen zu lassen.

In einem der Fälle berichtete die BBC, dass die Frau die sterblichen Überreste ihres Kindes im englischen Spital zurücklassen musste, obwohl sie diese eigentlich beerdigen wollte. Drei Wochen später erreichte sie eine Postsendung mit der Asche des Kindes. Die Frau wandte sich daraufhin an die Vereinten Nationen, die den Fall behandelten und die irische Gesetzeslage als unmenschlich und grausam kritisierten. In der Folge erhielt sie eine Wiedergutmachung der irischen Regierung. Abtreibungsbefürworter begrüßten diese Maßnahme als wichtige Entscheidung auf dem Weg zu einer Verfassungsänderung.

Bürgerversammlung für Abstimmung

2017 stimmte die irische Bürgerversammlung, die aus 99 Frauen und Männern aus allen Grafschaften Irlands besteht, für die Abschaffung des strittigen Verfassungszusatzes. Stattdessen soll in der Verfassung festgehalten werden, dass die Oireachtas, das irische Parlament, über Fragen von Abtreibungsregelungen entscheiden können soll. Das Parlament stimmte daraufhin dem Vorschlag des irischen Premiers Leo Varadkar zu, ein Referendum zu dieser Frage abzuhalten.

Noch hat Irland das restriktivste Abtreibungsgesetz innerhalb der Europäischen Union. In Polen, wo die Regelung ebenfalls sehr streng ist, können Frauen eine Schwangerschaft nach einer Vergewaltigung beenden. Das ist in Irland nicht erlaubt. Doch auch in Polen könnten die Richtlinien schärfer werden. Die katholische Kirche fordert ein komplettes Verbot von Schwangerschaftsabbrüchen. Derzeit berät ein polnischer Parlamentsausschuss über eine Gesetzesinitiative, die Abtreibungen auch bei schweren Behinderungen verbieten möchte.

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