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Seit 23. Mai wieder im Dienst

Peter Gridling hat in der Auseinandersetzung um seine Tätigkeit als Leiter des Bundesamts für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT) einen „großen Erfolg“ errungen: Das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) hat die im März von Innenminister Herbert Kickl (FPÖ) ausgesprochene Suspendierung aufgehoben, teilte Gridlings Anwalt Martin Riedl vergangene Woche der APA mit.

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Gridling trat schon am Mittwoch den Dienst wieder an. Er habe das Innenministerium bereits davon in Kenntnis gesetzt, sagte er zur „Tiroler Tageszeitung“. Die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts begrüßte er als ersten Schritt zur Rehabilitierung und Wiederherstellung seines Rufs. Jetzt hofft er auf die Einstellung des Strafverfahrens.

Im März suspendiert

Innenminister Kickl hatte die Suspendierung am 13. März ausgesprochen, die Disziplinarkommission des Ministeriums bestätigte daraufhin die Entscheidung. Gridlings Anwalt Riedl bekämpfte die Suspendierung beim Bundesverwaltungsgericht und führte „schwerwiegende Begründungsmängel“ in der Entscheidung der Kommission an.

Grafik zum BVT-Skandal

Grafik: ORF.at

Bei den Ermittlungen gegen Gridling und weitere Beamte des BVT ging es unter anderem um den Vorwurf, die Behörde hätte die gerichtlich verfügte Löschung sensibler Ermittlungsdaten unterlassen. Gridling hatte betont, er sei sich diesbezüglich keiner Schuld bewusst und wolle die Vorwürfe entkräften.

Keine Revision möglich

Ordentliche Rechtsmittel gegen die Aufhebung der Suspendierung gibt es keine: Das BVwG hat, so Riedl, eine Revision als unzulässig erklärt. Möglich wäre allenfalls eine außerordentliche Revision - mit der man den Verwaltungsgerichtshof allerdings überzeugen müsste, dass es hier um eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung geht.

Riedl sieht in dem „großen Erfolg“ beim BVwG einen weiteren großen Schritt zur Rehabilitierung seines Mandaten. Der Rechtsanwalt - mit großer Erfahrung im Beamten-Disziplinarrecht - ist überzeugt, dass auch die noch laufenden Ermittlungen der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) positiv für den BVT-Chef ausgehen.

Kickl: Entscheidung „zu respektieren“

Das Innenministerium fasste vergangene Woche in einer Aussendung die Chronologie der Ereignisse kurz zusammen und ergänzte sie durch ein knappes Statement Kickls: „Die Entscheidung wird zur Kenntnis genommen und ist zu respektieren." Er werde Gridling „in den kommenden Tagen zu einem persönlichen Gespräch einladen“, so der Innenminister. Dieses Gespräch fand bereits vergangenen Freitag statt und sei „sehr konstruktiv“ gewesen, hieß es aus Kickls Büro.

Opposition sieht sich bestätigt

Deutlich mehr Worte fand die Opposition: Kickl habe „großen Erklärungsbedarf“, befand der SPÖ-Fraktionsführer im BVT-Untersuchungsausschuss, Jan Krainer. Er sei jedenfalls „gespannt, ob Kickl sein damaliges Versprechen - die Tür für Gridling stehe offen, wenn seine Suspendierung aufgehoben wird - jetzt einlöst“. Für ihn sei von Anfang an „offensichtlich“ gewesen, dass die von Kickl erhobenen Vorwürfe gegen Gridling nicht stichhaltig seien und es dem FPÖ-Minister um die Umfärbung der Behörde gegangen sei.

Für Liste-Pilz-Justizsprecher Alfred Noll hat sich mit der Aufhebung der Suspendierung Gridlings bestätigt, dass Innenminister Kickl „nicht fähig ist, seine Aufgabe als Innenminister rechtskonform zu erledigen“. Noll sieht den Minister jetzt in weiterer Erklärungsnot. Seine Rolle werde im Untersuchungsausschuss zu klären sein.

Auch NEOS-Sicherheitssprecherin und Vertreterin im BVT-U-Ausschuss Stephanie Krisper zeigte sich gespannt auf Kickls Erklärung im U-Ausschuss: Es stelle sich die Frage, wie der Innenminister sein „fragwürdiges Vorgehen rechtfertigt“. Die Aufhebung der Suspendierung bestätige die Befürchtung, dass es „offenbar nur darum ging, Gridling als BVT-Chef loszuwerden und eine Machtübernahme des BVT mit der Brechstange vorzunehmen“.

Verlängerung gleichzeitig mit Suspendierung

Gridlings Vertrag war erst Ende Jänner verlängert worden. Als die Affäre ins Rollen kam, war die Urkunde bereits von Bundespräsident Alexander Van der Bellen unterzeichnet und ins Innenministerium zurückgeschickt worden. Sie wurde ihm wegen der Vorgänge zunächst nicht ausgehändigt und schließlich zusammen mit der Suspendierung überreicht.

Anfänge im Sommer 2017

Ihre Anfänge hat die Affäre im Sommer 2017 genommen, als in einem 39 Seiten starken Konvolut schwere Anschuldigungen gegen BVT-Beamte erhoben wurden. Das Papier ging an Staatsanwälte, Politiker und Medien. Es geht um Amtsmissbrauch, Bestechlichkeit, Veruntreuung von Steuergeld und sexuelle Übergriffe. Allerdings: Nach Einschätzung der meisten mit der Sache Vertrauten waren die meisten Vorwürfe entweder stark übertrieben oder gar erfunden.

Der nächste Paukenschlag erfolgte im Spätherbst, als bekanntwurde, dass das BVT 2016 drei bei der Österreichischen Staatsdruckerei hergestellte nordkoreanische Pässe an Südkorea übergeben hatte. Der weit gewichtigere Vorwurf ist, dass das BVT unrechtmäßig Daten, unter anderem vom Wiener Rechtsanwalts Gabriel Lansky und der Ex-Grünen-Politikerin Sigrid Maurer, gespeichert habe.

Razzia als Paukenschlag

Parallel dazu wandte sich Peter Goldgruber, Generalsekretär in dem mittlerweile FPÖ-geführten Innenministerium, an die Korruptionsstaatsanwaltschaft. Er bot der WKStA vier Zeugen in der Causa an. Zwei davon kamen in Begleitung eines Kabinettsmitarbeiters. Der Akt wurde zur geheimen Verschlusssache erklärt. Die Staatsanwaltschaft Wien wusste nichts davon.

Am 27. Februar 2018 ordnete die WKStA eine Hausdurchsuchung im BVT an. Auftrag: die Sicherstellung sämtlicher Unterlagen, Daten und elektronischer Daten mit Informationen zu den Sachverhalten, E-Mails, SMS oder sonstiger Dienste. Am Tag darauf fanden Razzien im BVT in Wien-Landstraße sowie in Wohnungen von Mitarbeitern statt.

Umstrittene Einsatzleitung

Durchgeführt wurden sie von der Einsatzgruppe zur Bekämpfung der Straßenkriminalität (EGS). Sie wurde gemeinsam mit dem Innenministerium ausgewählt. Leiter der Einsatzgruppe ist der FPÖ-Gemeinderat Wolfgang Preiszler.

Das Justizministerium erhielt am 2. März Bescheid von der Aktion. Am 3. März gelangten Informationen über die Razzia an die Öffentlichkeit, ebenso dass einige BVT-Mitarbeiter suspendiert wurden. Gridling ging auf Urlaub. Das Justizministerium schaltete sich am 8. März in die Ermittlungen der WKStA gegen die BVT-Beamten ein.

Seitdem wirft die Affäre sehr viele Fragen auf. Zuletzt berichteten Zeitungen einerseits von dubiosen Zeugen und andererseits von alarmierenden Umständen im BVT seit einigen Jahren.

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