Autor verriss Chomsky und Darwin
Das „Fegefeuer der Eitelkeiten“ hat Tom Wolfe berühmt gemacht, der nun im Alter von 87 Jahren verstorben ist. Seit seinem ersten großen Erfolg genoss der stets im weißen Anzug auftretende US-Schriftsteller seinen Platz im Literaturolymp und teilte von dort stets kräftig aus. Ausgerechnet in seinem letzten Buch klappte das nicht wirklich.
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Der Autor hatte sich schon mit vielem angelegt: Kunstexperten, moderner Architektur, Schriftstellerkollegen wie John Updike und Norman Mailer oder der Elite der Metropole Miami. „Wenn man mit niemandem streitet“, sagte der Autor einmal in einem Interview, „dann ist man auch nicht sicher, ob man lebt, wenn man morgens aufwacht.“ Noch vor seinem Tod hatte Wolfe sein Archiv der New Yorker Stadtbibliothek verkauft.
Mit „Kingdom of Speech“ nahm er sich nichts Geringeres als die Evolutionstheorie von Charles Darwin und die Forschungen des vielfach ausgezeichneten Literaturwissenschaftlers Noam Chomsky vor. Auf rund 180 Seiten zerriss er beides in der Luft. Darwins Theorien seien im Hinblick auf Sprache ein „unordentliches Rätselraten“ gewesen, Chomsky verspottet er als „Noam Charisma“.
Chomsky „geteert und gefedert“
Sein „kühnstes Duell“ sei dieses Buch gewesen, urteilte damals die „New York Times“. Freunde wollte Wolfe sich damit jedenfalls nicht machen. Auf Deutsch ist das Buch 2017 unter dem Titel „Das Königreich der Sprache“ im Blessing-Verlag erschienen.
Darwin behandelt Wolfe noch vergleichsweise gütlich, Chomsky, einer der großen linken Intellektuellen der USA, kanzelt er vollständig ab. „Er teert und federt ihn, bevor er ihm eine Clownnase aufsetzt und ihn in einem Kinderwagen die Klippe hinabstürzt“, schreibt die „New York Times“.
Harsche Kritik wegen mangelnder Faktentreue
All das war großteils gut geschrieben und unterhaltsam, wie man es vom Bestseller-Autor Wolfe kannte. Mitunter driftete seine Sprache aber auch in sinnlose Fragmente ab. Dazu kam ein noch größeres Problem: Wolfe nimmt es mit den Fakten nicht so genau. Das Buch enthalte „unverantwortlich stückhafte Erzählungen, durchsiebt mit grundlegenden Fehlern“, empörte sich der britische „Guardian“. Es sei so überhaupt nur veröffentlicht worden, weil Wolfe so prominent sei. „Ein weniger bekannter und zugkräftiger Autor wäre von kritischeren Lektoren sicher vor solchen Peinlichkeiten bewahrt geblieben.“
Die „New York Times“ sah das weniger dramatisch. „The Kingdom of Speech“ sei als Provokation gedacht, nicht als Dissertation, und wolle zur Diskussion anregen. „Es klingt nach einem lebendigen Gehirn, das eine sehr gute Zeit hat und den Geruch seines allmorgendlich frisch gebrauten Gifts genießt.“
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