Experten für rationalen Umgang
Ein Mindestpreis für Alkohol, wie er kürzlich in Schottland eingeführt worden ist, wäre laut Michael Musalek, Ärztlicher Leiter am Anton-Proksch-Institut in Wien, auch für Österreich sinnvoll. Es gäbe viele Untersuchungen, die belegen, dass geringere Verfügbarkeit - auch durch höhere Preise - den Konsum senkt, erklärte Musalek. Es sollte damit aber eine gesellschaftliche Diskussion einhergehen.
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Rund 20 Prozent der Österreicher sind durch schädlichen Alkoholkonsum gefährdet, fünf Prozent krank. Rationaler Umgang mit Alkoholkonsum und Hilfe für Betroffene seien am wichtigsten, hieß es am Freitag bei einer Pressekonferenz in Wien.
Breite Debatte notwendig
Österreich ist bei Alkohol ein „Meister im Bagatellisieren“, sagte Musalek. „Die Gefahren des Alkoholkonsums werden heruntergespielt“, sagte der Experte. Jeder Rausch ziehe aber unter anderem schwere Schädigungen der Nerven nach sich. Zudem würde das extrem hohe Suchtrisiko ausgeblendet werden.
Eine Einführung eines Mindestpreises für Alkohol sollte aber unbedingt mit einer breiten gesellschaftlichen Diskussion einhergehen. „Es muss einmal ein Problembewusstsein geschaffen werden. Eine Ächtung ist aber auch abzulehnen“, sagte Musalek. Begrüßenswert wäre etwa eine breite Debatte, wie sie rund um das Kippen des Nichtrauchergesetzes durch die Bundesregierung entstanden ist.
Kritik an Preisgestaltung
Wie hoch ein Mindestpreis sein sollte - in Schottland sind es 57 Cent pro zehn Milliliter purem Alkohol -, sei natürlich dem Gesetzgeber überlassen. Er sollte aber schon „spürbar“ sein. Besonders Billigalkohol und Fusel, der oft von Jugendlichen konsumiert wird, könnten so überhaupt verschwinden. Musalek kritisierte auch, dass in Lokalen alkoholische Getränke oft billiger sind als nicht alkoholische. Auch hier könnte ein höherer Preis die Akzeptanz von nicht alkoholischen Getränken steigen.
Angesichts der Diskussion rund um das Alkoholverbot auf dem Wiener Praterstern sieht Musalek aber doch Fortschritte in Österreich. „Dass 80 Prozent für ein Alkoholverbot auf Bahnhöfen sind, das wäre vor zehn Jahren noch undenkbar gewesen“, sagte der Experte. Damals wurde lediglich die Drogensucht als Problem gesehen, „Alkohol war nicht einmal ein Thema“.
Wichtiges Thema
Anlass für die Pressekonferenz war die Vorstellung eines neuen Ratgeberbuches „Alkohol - Zwischen Genuss und Gefahr“ in der Reihe „Gesund werden. Gesund bleiben“ des Hauptverbandes der Sozialversicherungsträger. „Der Blick auf die epidemiologischen Daten zeigt, dass es sich beim Alkohol um ein bedeutsames Thema in der Gesellschaft handelt. 72 Prozent der Menschen haben kein Problem mit dem Alkoholkonsum, neun Prozent gelten als alkoholgefährdet, fünf Prozent sind alkoholabhängig“, sagte Alexander Hagenauer, stellvertretender Generaldirektor des Hauptverbandes.
Dramatisch verkürzte Lebenserwartung
Wenn man aber wisse, dass männliche Alkoholkranke eine um durchschnittlich 17 Jahre verkürzte Lebenserwartung und weibliche Abhängige sogar eine um 20 Jahre reduzierte Lebenserwartung hätten, komme es jedenfalls darauf an, die durch exzessiven Konsum bedingten Erkrankungen und die Mortalität zu senken. Das Bewusstsein bei Betroffenen und deren Angehörigen müsse erhöht werden, sagte Hagenauer.
Die Bewertung des Alkoholkonsums ist kulturell sehr unterschiedlich. Epidemiologieexperte Alfred Uhl von der Gesundheit Österreich GmbH (GÖG) verwies vor allem auf die Unterschiede in der westlichen Welt nach den christlichen Religionsbekenntnissen: In protestantisch-puritanistisch geprägten Gesellschaften neige man zur Prohibition mit Dämonisierung des Alkoholkonsums, in katholischen Gesellschaften werde moderater Gebrauch neutral bis positiv gesehen, erst exzessives Trinken negativ bewertet.
Konsum sinkt
Die Situation in Österreich hat sich laut Uhl in den vergangenen Jahrzehnten eher gebessert: „Konkret gab es nach dem Zweiten Weltkrieg bis 1970 einen konstanten Anstieg des Konsums. Seither ist er um rund 20 Prozent zurückgegangen (von durchschnittlich 15,3 Liter Alkohol auf rund zwölf Liter; Anm.).“ Weil aber in den Hochkonsumländern Italien und Frankreich die Trinkmengen noch deutlicher reduziert worden sei, würde sich Österreich im europäischen Vergleich nunmehr im Spitzenfeld finden. Vier Prozent der Österreicher haben keinerlei Alkoholerfahrung, 61 Prozent konsumieren geringe Mengen, weitere 14 Prozent haben einen relativ unproblematischen Alkoholkonsum.
Rationaler Umgang gefordert
Die Grenzwertdiskussion, welche vor einigen Wochen durch eine wissenschaftliche Studie im „Lancet“ aufgekommen ist, wird von den Experten relativ kritisch gesehen. Alkohol sei auf jeden Fall ein Zellgift, täglicher Konsum führe oft zur Toleranzentwicklung und könnte schließlich zu problematischem Gebrauch bis zur Abhängigkeit führen. Es komme eben auf einen rationalen Umgang mit Alkohol an. „Es kann niemandem geraten werden, mehr als zwei Bier oder zwei Viertel Wein am Tag zu konsumieren“, sagte der Hauptautor des Bandes, der Innsbrucker Psychiater Sergei Mechtcheriakov. Der Großteil der Österreicher ginge aber vernünftig mit Alkohol um.
Mindestens zwei Tage pro Woche abstinent bleiben
„Wir müssen einen verantwortungsbewussten Alkoholkonsum propagieren. (...) Es gibt zwischen Sucht und Abstinenz ganz viel dazwischen“, sagte Koautorin Lisa Brunner, Leiterin des Instituts für Suchtprävention in Wien. Eine „gesundheitsfördernde“ Menge an Alkohol gebe es jedenfalls nicht. Beim Alkoholkonsum gehe es psychisch immer darum, Gefühle zu verstärken oder zu vermeiden. Ihr einfacher Rat: „Trinken Sie mindestens zwei Tage in der Woche keinen Alkohol.“
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