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PLO ruft zu Generalstreik auf

Die USA haben ihre Botschaft in Jerusalem offiziell eröffnet. „Vor 70 Jahren hat David Ben Gurion die Unabhängigkeit (des Staates Israel) erklärt“, sagte US-Botschafter David Friedman am Montag in Jerusalem. „70 Jahre später gehen die Vereinigten Staaten endlich den nächsten Schritt.“ Überschattet war die Zeremonie allerdings von schweren Protesten der Palästinenser.

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Mehr als 50 Menschen kamen am Montag bei Konfrontationen mit israelischen Soldaten im Gazastreifen ums Leben. Rund 2.400 wurden nach den Angaben des palästinensischen Gesundheitsministeriums an der Grenze zum Gazastreifen verletzt, davon mehrere hundert durch Schüsse. Es ist damit der Tag mit den meisten Todesopfern seit dem Gaza-Krieg 2014.

Ivanka Trump vor der eröffneten US-Botschaft in Jerusalem

APA/AFP/Menahem Kahana

US-Finanzminister Steven Mnuchin und Ivanka Trump als US-Gesandte bei der Botschaftseröffnung

Zudem flog die israelische Luftwaffe einen Angriff auf die im Gazastreifen herrschende radikalislamische Hamas. Der Angriff habe sich gegen „fünf terroristische Ziele“ in einem militärischen Ausbildungslager der Hamas im Norden des Gazastreifens gerichtet, erklärte die Armee am Montag. Es handle sich um eine Reaktion „auf die gewaltsamen Aktionen der Hamas in den vergangenen Stunden“.

Forderung nach Recht auf Rückkehr

Anlass für die Proteste von Palästinensern war nicht allein die Verlegung der US-Botschaft von Tel Aviv nach Jerusalem, die US-Präsident Donald Trump bereits im Dezember angekündigt hatte. Am Montag feierte Israel auch das 70-jähirge Bestehen des Staates. Seit Wochen fordern die Palästinenser mit einem „Marsch der Rückkehr“ ein Recht auf Rückkehr in das heutige israelische Staatsgebiet ein.

Grafik zur US-Botschaft in Jerusalem

Grafik: APA/ORF.at; Quelle: APA

Israel hat den Ostteil Jerusalems im Sechstagekrieg 1967 erobert. Den Anspruch der Palästinenser auf Ostjerusalem als Hauptstadt für einen eigenen Staat Palästina lehnt Israel ab. Doch die internationale Gemeinschaft pocht darauf, dass der künftige Grenzverlauf in Verhandlungen beider Seiten geklärt wird.

Trump aus Washington zugeschaltet

Die Botschaftseröffnung hatte schon im Vorfeld für viel internationale Kritik gesorgt. Einige Vertreter westeuropäischer Staaten blieben der Botschaftseröffnung demonstrativ fern. Zu der Eröffnung kamen rund 800 Gäste, auch US-Finanzminister Steven Mnuchin, Präsidententochter Ivanka Trump sowie ihr Mann und Trump-Berater Jared Kushner waren eingeladen. US-Botschafter Friedman sagte, der historische Moment sei „dem Mut einer Person“ zu verdanken: US-Präsident Trump. Auch Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu sprach von „einem historischen Moment“. „Präsident Trump, mit der Anerkennung der Geschichte haben sie Geschichte geschrieben“, fügte Netanjahu hinzu.

Trump erklärte in einer Videobotschaft aus Washington, die während der Eröffnungszeremonie am Montag übertragen wurde, sein Land bleibe einem dauerhaften Frieden im Nahen Osten verpflichtet. Er betonte zugleich, wie „jede andere souveräne Nation“ habe Israel das Recht, über den Sitz seiner Hauptstadt zu entscheiden. Per Twitter gratulierte er Israel zu seinem „großen Tag“.

Österreichs Botschafter bei Empfang am Sonntag

Österreich hatte am Sonntag am Empfang des israelischen Außenministeriums in Jerusalem teilgenommen. Das bestätigte Botschafter Martin Weiss am Montag. Weitere durch ihre Botschafter vertretene EU-Staaten waren Tschechien, Rumänien und Ungarn. Nach israelischen Angaben wurden alle 86 Länder mit diplomatischen Vertretungen zu der Feier eingeladen, von denen Weiss zufolge nur 34 teilnahmen. Bei der Eröffnung der US-Botschaft am Montag dagegen sei das diplomatische Corps in Israel nicht eingeladen gewesen, erklärte der Diplomat.

Dutzende Tote bei heftigen Palästinenserprotesten

Die Verlegung der US-Botschaft nach Jerusalem hat zu gewalttätigen Demonstrationen der Palästinenser mit der israelischen Armee im Gazastreifen geführt.

FPÖ-Außenministerin Karin Kneissl glaubte am Montag angesichts der Ausschreitungen nicht an einen „Flächenbrand“ in der Region. Die Ereignisse würden zwar „nicht zur Beruhigung“ beitragen, dass sie den oft zitierten Flächenbrand auslösen, glaube sie aber nicht, so Kneissl. Die Verlegung der Botschaft werde „nicht der letzte Stein des Dominos“ sein, der zu einer Gewaltspirale unbekannten Ausmaßes führen würde.

Palästinenser mit Generalstreik

Israels Armee warf den Palästinensern im Gazastreifen vor, bei den Protesten „Gewalt in beispiellosem Ausmaß“ eingesetzt zu haben. Drei Terrorzellen mit Schusswaffen hätten versucht, israelische Soldaten anzugreifen, sagte der israelische Militärsprecher Ronen Manelis Journalisten. Es seien Brandflaschen, Sprengsätze und Lenkdrachen mit Brandsätzen gegen die israelische Seite eingesetzt worden. Es habe Versuche gegeben, Soldaten zu entführen. Die Hamas habe zudem Menschen für eine Teilnahme an den Demonstrationen bezahlt, Unwillige seien gezwungen worden, sagte der Sprecher.

ORF-Korrespondent Ben Segenreich zu den Protesten

ORF-Israel-Korrespondent Segenreich gibt eine Prognose über das Eskalationspotenzial der aktuellen Auseinandersetzungen zwischen den Palästinensern und Israelis ab.

Palästinenserpräsident Mahmud Abbas verurteilte die Eröffnung der Botschaft und die Tötung der Palästinenser an der Grenze. „In der Vergangenheit hatten wir (israelische) Siedlungsaußenposten mit amerikanischer Hilfe, nun haben wir einen amerikanischen Siedlungsaußenposten in Ostjerusalem“, sagte Abbas bei politischen Beratungen in Ramallah am Montag. „Das ist ein Siedlungsaußenposten und keine Botschaft.“ Er rief drei Tage der Trauer und einen Generalstreik für Dienstag in den Palästinensergebieten aus. Auch die Palästinensische Befreiungsorganisation (PLO) rief zum Generalstreik auf.

Türkei spricht von „Massaker“

Die Türkei bezeichnete das Vorgehen Israels im Gazastreifen als „Massaker“. Außenminister Mevlüt Cavusoglu sagte nach Angaben der staatlichen Nachrichtenagentur Anadolu, es reiche nicht aus, dieses zu verurteilen, es müssten gemeinsame Schritte unternommen werden. Der Sprecher von Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan, Ibrahim Kalin, sagte laut Anadolu, es sei eine „Schande“, dass die Welt zu solch einer „systematischen Barbarei der Vernichtung“ schweige.

Eröffnung der US-Botschaft in Jerusalem

APA/AP/Sebastian Scheiner

Rund 800 Gäste wohnten der Zeremonie bei

Auch die israelischen Nachbarstaaten Jordanien und Ägypten verurteilten die Gewalt. Es handle sich um „exzessive Gewalt gegen wehrlose palästinensische Menschen“, sagte der jordanische Regierungssprecher Mohammed al-Momani am Montag. Das sei ein „Verbrechen“. Das Außenministerium in Ägypten verurteilte die Bekämpfung „von unbewaffneten palästinensischen Zivilisten von den israelischen Besatzungstruppen“.

Mogherini ruft zu Zurückhaltung auf

EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini rief alle Seiten „zu äußerster Zurückhaltung“ auf. „Israel muss das Recht auf friedlichen Protest und den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit beim Einsatz von Gewalt respektieren“, so Mogherini. Die radikale Palästinenserorganisation Hamas und die Protestorganisatoren im Gazastreifen müssten ihrerseits für gewaltfreie Demonstrationen sorgen.

Kritik kam von der Menschenrechtsorganisation Amnesty International. „Wir erleben eine schändliche Verletzung des internationalen Rechts und der Menschenrechte im Gazastreifen“, so Amnesty via Twitter. UNO-Generalsekretär Antonio Guterres sagte am Montag in Wien, er sei „besonders besorgt“ über die aktuellen Ereignisse in Gaza.

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