Themenüberblick

Von Vulkanen und Schneegestöbern

Cesar Sampson hat allen Grund zu jubeln. Der Oberösterreicher hat sich im Rahmen des ersten Halbfinales unter die ersten zehn gesungen und wird seinen Song „Nobody but You“ auch am Samstag präsentieren. Damit stehen neben den „Big Five“-Ländern und dem Gastgeberland Portugal zehn weitere Finalteilnehmer fest. Das erste Semifinale galt heuer als besonders hochkarätig besetzt - das befürchtete Favoritensterben ist bis auf eine Ausnahme allerdings ausgeblieben.

Dieser Artikel ist älter als ein Jahr.

Mit der Startnummer 13 ins Rennen gegangen, hat sich Sampson am Dienstagabend mit größter Sicherheit für das Finale qualifiziert. Der österreichische Teilnehmer überzeugte mit seiner souligen Stimme und einer unaufgeregten Bühnenshow, die dennoch genügend Kraft und für Song-Contest-Verhältnisse große Authentizität zu versprühen wusste. Sampsons konzentriertes und fokussiertes Auftreten tat ein Übriges, um das Publikum zu begeistern.

Sänger Cesar Sampson (Österreich)

Reuters/Pedro Nunes

So sehen Sieger aus: Cesar Sampson steht im Finale des 63. Song Contest

Lange warten musste der Linzer nicht, um Gewissheit hinsichtlich seines Finaleinzugs zu erlangen. Im Gegensatz zu Nathan Trent, der im vergangenen Jahr bis zur letzten Sekunde um seinen Finaleinzug bangen musste, wurde Österreich als erstes Land genannt, das heuer ins Finale einzieht. Für die österreichische Delegation wird es wohl eine lange Nacht in Lissabon werden.

Alle Augen auf Israel

Doch besonders waren am Dienstagabend die Scheinwerfer auf die israelische Teilnehmerin Netta gerichtet, die mit Exzentrik und viel zur Schau gestelltem Selbstbewusstsein punkten konnte. Die gewichtige Sängerin hat mit „Toy“ Club-Beats und mittels eines Loopers in Richtung Autotune zu deutende Stimmsounds geboten – ein Klangbild, das insbesondere einem jungen Publikum gut ins Ohr geht. Wobei Nettas Auftritt angesichts des steten Betonens ihres Andersseins gerade im Song-Contest-Kontext durchaus auch formelhafte Züge hatte.

Sängerin Netta (Israel)

AP/Armando Franca

Mit viel Exzentrik, die auch etwas Formelhaftes an sich hatte, zieht Netta ins Finale ein

Einen ebenso bemerkenswerten Auftritt hat Mikolas Josef aus Tschechien hingelegt. Der in Wien lebende Sänger gab sich mit dem Elektrosong „Lie to Me“ betont funky, mit kurzen Ausritten ins Jazzfach in Form einer schrill quietschenden Trompete. Optisch setzte der Tscheche auf eine Mischung aus Schulbub und Buchhalter aus den Wirtschaftswunderjahren: Mit viel Pomade, dicken Brillenrändern und einer Schultasche auf dem Rücken war ihm die Aufmerksamkeit gewiss. Die bis dato beim Song Contest außerordentlich glücklosen Tschechen dürften mit dem Beitrag das beste Ergebnis aller Zeiten erzielen.

Sänger Mikolas Josef (Tschechien)

AP/Armando Franca

Mikolas Josef aus Tschechien war einer der herausragenden Künstler des ersten Halbfinales

Mit Heißblütigkeit zur Favoritin

Am Samstag wird es im großen Finale auch ein Wiedersehen mit Eleni Foureira aus Zypern geben, die im Rahmen des Halbfinales ein feuriges Inferno veranstaltete und damit die Heißblütigkeit in der Darbietung zu unterstreichen wusste. Ihr Song „Fuego“ gibt sich sehr rhythmusbetont mit ethnischem Einschlag, aber auch sehr energetisch und opulent – lediglich hinsichtlich der Menge des getragenen Textils wurde gespart. Foureira gilt laut Buchmachern neben Israels Netta als aussichtsreiche Anwärterin auf den Sieg am Samstag.

Für den musikalischen Ausreißer des Abends war Elina Nechayeva aus Estland zuständig und setzte damit die Song-Contest-Tradition der Klassikausflüge fort. Nechayeva ist ausgebildete Opernsängerin und in dieser Funktion an der Tallinner Oper engagiert. „La Forza“ war nicht nur hinsichtlich Sound und Stimme um Größe bemüht. Nechayeva wählte eine Inszenierung, die auch eine Materialschlacht hinsichtlich der benötigten Stoffmenge bedeutete.

Der große Hang zur Mystik

Dunkel, düster und mystisch hat es die Supergroup Equinox aus Bulgarien mit „Bones“ angelegt - und war damit wie erwartet erfolgreich. Das Quintett steht bei den Buchmachern seit Monaten hoch im Kurs, auch wenn sich die konkrete Aussage des Songs kaum erschließt. Im Vorfeld war von „der Liebe jenseits der materiellen Welt die Rede“.

Sängerin Eleni Foureira (Zypern)

AP/Armando Franca

Eleni Foureira aus Zypern setzte auf eine feurige Show und war damit erfolgreich

Auch für Ieva Zasimauskaite aus Litauen reichte es mit der Klavierballade „When We’re Old“, die die ewige Liebe beschwört, für das Finale. Und der einzige lupenreine Rocksong des Abends, der von Eugent Bushpepa aus Albanien in Form des Songs „Mall“ intoniert wurde, ist ebenso weiter wie Finnlands Saara Alto, die mit dem nordisch angehauchten und sehr hymnischen Eurodance-Song „Monsters“ angetrat. Für eine große Erlösung sorgte Ryan O’Shaughnessy aus Irland mit „Together“ – die große Song-Contest-Nation Irland steht damit erstmals seit Jahren wieder in einem Finale. Für Verwunderung sorgte jedoch das inszenierte Schneegestöber auf der Bühne.

Deutliche Inspirationsquellen

Weniger Glück hatte Aisel aus Aserbaidschan, die mit „X My Heart“ den Abend eröffnet hatte und ganz offensichtlich beim einstigen Siegertitel „Euphoria“ von Loreen abgekupfert hat. Sie tritt die Heimreise an. Trotz gewohnt hoher Qualitäten ebenso ausgeschieden ist Belgien – eine der ganz großen Überraschungen des Abends. Sängerin Sennek legte es mit ihrer Ballade „A Matter of Time“ höchst dramatisch an, was ihr im Vorfeld bereits Vergleiche mit klassischen Bond-Songs eingebrachte, aber punkten konnte sie damit nicht.

Sängerin Aisel (Aserbaidschan)

AP/Armando Franca

Aisel aus Aserbaidschan sang davon, zum Mond zu fliegen, und fährt nach Hause

Ebenso draußen ist Griechenlands Yianna Terzi, die mit „Oniro mou“ auf eine Ballade, die sich in klassischer Song-Contest-Manier zuspitzt, setzte. In ihrem weißen Bühnenoutfit ließ sie an die Popversion des Orakels von Delphi denken, was zu wenig fürs Finale war.

Um besondere Eindringlichkeit war der für Weißrussland angetretene Ukrainer Alekseev bemüht, konnte aber wenig davon in Richtung Publikum transportieren. Der in weiten Teilen Osteuropas via YouTube berühmt gewordene junge Sänger versuchte sich trotz großer Ambitionen vergebens als theatralischer Rosenkavalier.

Schweiz setzt Durststrecke fort

Für den dreistesten Ideenklau des ersten Halbfinales sorgte jedoch Franka aus Kroatien. „Crazy“ nahm starke Anleihen an Sam Browns 1980er-Jahre-Hit „Stop“, was weder Publikum noch Jury goutierten. Auch Sevak Khanagyan aus Armenien, der sich wie viele andere sehr mystisch gegeben hat, wird dem Finale ebenso fern bleiben wie das Duo Eye Cue aus Mazedonien, das mit „Lost and Found“ etwas ungelenke Hüfteinlagen und knappe Bekleidung zu bieten hatte.

Genauso draußen ist die Schweiz, die damit ihre Durststrecke fortsetzt. Das eidgenössische Geschwisterduo ZiBBZ lieferte mit dem rockigen Song „Stones“ eine etwas harmlose Show. Und auch der Paradeschwiegersohn Ari Olafsson aus Island, der es mit viel Schmalz und aufgesetzter Verbindlichkeit versuchte, konnte nicht überzeugen. Weiter geht es am Donnerstag, wenn im Rahmen des zweiten Halbfinales die restlichen zehn Finalteilnehmer ermittelt werden.

Link: