Notengebung „heikles Kapitel“
„Abbruch und Neubau kommen für mich nicht infrage, Sanierung und Modernisierung in ausgewählten Bereichen sehr wohl“: Das sagte ÖVP-Bildungsminister Heinz Faßmann Anfang Mai bei der Vorstellung seiner Schulreformpläne. In den kommenden Monaten soll ein „Pädagogikpaket“ konkretisiert werden. Vieles davon ist schon im ÖVP-FPÖ-Koalitionspakt festgeschrieben.
Dieser Artikel ist älter als ein Jahr.
Der Großteil der Maßnahmen soll ab 2019/20 gelten. Mehr Objektivität bei der Leistungsbeurteilung ist das, was sich durch seine Pläne zieht. Viel diskutiert wurde seit Antreten der Regierung bereits über die Rückkehr zur verpflichtenden Notenskala schon in der Volksschule, das im Koalitionsprogramm vorgesehen war.

APA/Georg Hochmuth
Faßmann präsentierte am Mittwoch seine Pläne für ein „Pädagogikpaket“
Davon geht Faßmann nun offenbar ab. Die Notengebung sei ein „heikles Kapitel“. Die verbale Beurteilung in der Volksschule soll beibehalten werden, zugleich sollen die Ziffernnoten aufgewertet werden. Am Ende eines „breiten Diskussionsprozesses“ könnte eine „Aufwertung der numerischen Beurteilung bei gleichzeitiger Beibehaltung der verbalen“ stehen, formulierte es Projektleiter Klemens Riegler am Mittwoch. Unterschieden werden soll zudem zwischen der Beurteilung des Lernprozesses und der Leistung. Die genaue Umsetzung ist jedenfalls noch vage und soll gemeinsam mit Praktikern konkretisiert werden.
Schulreifekriterien österreichweit vereinheitlichen
Was die Schulreife betrifft, möchte die Regierung dazu einen einheitlichen Katalog ausarbeiten, der verbindlich und österreichweit für die Schuleinschreibung gelten soll. Derzeit gibt es je nach Bundesland große Unterschiede bei der Einstufung der Kinder. In Salzburg etwa werden 24 Prozent aller Kinder in die Vorschule geschickt, in der Steiermark ein Prozent.
Getestet werden sollen die Feinmotorik, das „zahlenbezogene Vorwissen“ und auch Sprachkenntnisse, etwa wie schnell das Kind ihm anvertraute Dinge benennen kann, berichtete das Ö1-Morgenjournal. Kinder mit einer verzögerten Entwicklung im schulfähigen Alter sollen weiterhin in die Vorschule kommen. Für schulreife Kinder mit sprachlichen Defiziten ist aber künftig der Unterricht in Deutschförderklassen vorgesehen.
Verpflichtende „Talente-Checks“ geplant
An den Vorgaben für den Übergang von der Volksschule in die allgemeinbildenden höheren Schulen (AHS) will Faßmann nichts ändern. Weiterhin bleiben die Volksschulnoten entscheidend. Für die Entscheidung der weiterführenden Schule will Faßmann aber die bisherige „informelle Kompetenzmessung“ zu einem verpflichtenden „Talente-Check“ weiterentwickeln.
Diese Testverfahren sollen jeweils am Ende der dritten und siebenten Schulstufe zum Einsatz kommen. Das sei nicht als Aufnahmeprüfung für die spätere Schullaufbahn gedacht, sondern als Information für die Eltern und als Hilfe für Lehrerinnen und Lehrer, welche Kompetenzen noch gestärkt werden müssen, so das Ö1-Morgenjournal. Faßmann will die Auswahl des jeweils passenden Bildungswegs durch diese Tests „objektivieren“.
„Entwicklungs-“ statt Leistungsgruppen
Große Baustelle bleibt die Neue Mittelschule (NMS). Im kommenden Schuljahr ändert sich noch nichts. Die meist für Team-Teaching verfügbaren Stunden bleiben im kommenden Schuljahr noch erhalten. Ab 2019/20 sei das nicht mehr in Stein gemeißelt, sagte Faßmann. Künftig soll es ein „geringeres Ausmaß an Gießkannenförderung geben“. Er sieht diesbezüglich auch eine Umverteilung innerhalb der Länder gefordert: „Es kann nicht immer nur Geld vom Bund geben.“
Auch in der NMS wird an der derzeitigen Leistungsbeurteilung geschraubt. Geändert werden soll die siebenteilige Notenskala auf möglicherweise zwei Beurteilungsniveaus mit je fünfteiligen Notenskalen ab der siebenten Schulstufe. Ab dieser Schulstufe sollen in Deutsch, Mathematik und der ersten lebenden Fremdsprache „Entwicklungsgruppen“ eingerichtet werden. Durchgängige Leistungsgruppen soll es aber nicht geben, der Wechsel von einer Gruppe in die andere soll sehr leicht möglich sein. Leistungsgruppen waren erst vor rund zehn Jahren abgeschafft worden.
Opposition vermisst Konkretes
„Wieder einmal ein Ankündigungspaket ohne konkretes Konzept und ohne Zeitplan“, fasste SPÖ-Bildungssprecherin Sonja Hammerschmid ihre Reaktion zusammen. Ähnlich argumentierte NEOS-Klubobmann Matthias Strolz: „Wenig Neues, vage Ankündigungen, vorsichtiges Abwägen, eifrige Betriebsamkeit - mehr ist vom Bildungsminister heute nicht zu hören gewesen.“ Die Vorhaben seien bereits vor Monaten angekündigt worden. Von einer „rückschrittlichen Bildungspolitik“ sprach Stephanie Cox, Bildungssprecherin der Liste Pilz. Sie begrüßte aber die geplanten „Talente-Checks“.
Auch dem Wiener Bildungsstadtrat Jürgen Czernohorszky (SPÖ) fehlen konkrete Maßnahmen: „Für die Details wäre es sehr wichtig, Gespräche mit allen betroffenen Schulpartnern zu führen, um ein Drüberfahren wie bei den Deutschklassen zu vermeiden.“ Skeptisch beurteilte er die „Entwicklungsgruppen“ in den NMS und er warnte vor den geplanten „Talente-Checks“. Diese dürften keine neuen Hürden für Kinder bringen, „die zu einer verstärkten Trennung und Segregation führen“.
Link: