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Weniger Alkohol, „mehr“ Geschmack?

Weltweit ist er der Inbegriff schottischer Tradition, seit Jahrhunderten besteht er aus den gleichen Zutaten: Schottischer Whisky muss einen Mindestalkoholgehalt von 40 Prozent haben, in Schottland aus Gerste, Hefe und Wasser entstehen und mindestens drei Jahre in Eichenfässern reifen. Doch angesichts schnell wachsender Märkte in den Schwellenländern und der Nachfrage nach alkoholärmeren Drinks dringen manche Destillerien auf Innovationen.

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Im Jänner veröffentlichte das „Wall Street Journal“ ein „streng vertrauliches Dokument“ des Diageo-Konzerns, Hersteller des populären Johnnie Walker. Darin regt der Spirituosenriese Neuheiten wie aromatisierte Whiskys an, Varianten mit niedrigerem Alkoholgehalt oder Tequilafässer zur Reifung. Die Enthüllungen sandten Schockwellen durch die jahrhundertealte Branche.

Begrenzter Handlungsspielraum

Ihr Handlungsspielraum ist allerdings begrenzt: Scotch Whisky ist ein im britischen Recht geschützter Getreideschnaps, der die genannten Bedingungen erfüllen muss. Damit wird es schwierig, die gesundheitsbewussten Millennials anzusprechen, die ihren Alkoholkonsum verringern wollen, oder den lukrativen Nahost-Markt, in dem Alkohol oft verboten ist.

„Johnnie Walker kann nicht plötzlich Erdbeerwhisky herstellen und ihn nach China schicken“, meint Matthew Pauley vom International Centre for Brewing and Distilling (ICBD) in Edinburgh. Doch angesichts der Einführung eines Mindestpreises für Alkohol oder Initiativen wie dem „Dry January“, eines alkoholfreien Monats nach Weihnachten und Silvester, sei „das Interesse für alkoholarme Spirituosen groß“, sagt Pauley.

Neue Geschmacksrichtungen?

Einige Neuerungen wurden schon eingeführt, beispielsweise die Veränderung des Alkoholgehalts während der Reifung oder der Fasswechsel kurz vor der Abfüllung, um dem Whisky aus dem Flachland den torfigen Geschmack der Highlands zu verleihen. Die Destillerie Eden Mill in Saint Andrews wollte wie in dunklen englischen Bieren Schokoladenmalz verwenden, um dem Whisky eine neue Geschmacksnote zu geben. Doch der Branchenverband Scotch Whisky Association (SWA) schob dem Projekt einen Riegel vor.

„Whisky nicht verwässern“

Die Debatte um die Zukunft seines Nationalgetränks spaltet Schottland. Paul Miller, Mitbegründer von Eden Mill, gehört zu denen, die sich für mehr Offenheit gegenüber Innovationen einsetzen. „Wir haben an der Heriot-Watt-Universität in Edinburgh die besten Brauer und Brenner der Welt“, sagte er der schottischen Zeitung „Herald“. „Es wäre eine Schande, wenn diese Leute nicht die Chance hätten, ihre Kreativität zu beweisen.“

Murdo Fraser, Mitglied einer überparteilichen Initiative zum Scotch Whisky im Regionalparlament, mahnt hingegen zur Vorsicht: „Ich persönlich würde es vorziehen, wenn die Marke des schottischen Whisky nicht verwässert wird, und deshalb müssen wir vorsichtig sein, dass wir den Weg der Innovation nicht zu schnell gehen.“

Whisky soll Whisky bleiben

Auch in der Roseburn Bar, einem traditionsreichen Pub in Edinburgh, gehen die Meinungen auseinander. Der 53-jährige Alan McGuire plädiert für Tradition: „Es ist ein wunderbares, seit Jahren etabliertes Getränk, und es würde die Marke umbringen, Ingwer, Zitrone oder Erdbeere hinzuzufügen.“ Krankenpfleger Christopher Gauld sieht das anders: „Der Whisky, den wir heute haben, wäre nicht so, wie er ist, wenn die Leute in der Vergangenheit nicht rumexperimentiert hätten.“

Auch der Branchenverband SWA versichert, offen für neue Produkte zu sein. Doch dürften „die Verbraucher nicht irregeführt werden - insbesondere darf nicht vorgegaukelt werden, dass es sich um schottischen Whisky handelt, wenn es keiner ist“. Aromatisierte Whiskys würden bereits als Liköre verkauft, aber nicht als Scotch - schließlich dürfe auch nicht jeder Schaumwein Champagner genannt werden.

Der Spirituosenkonzern Diageo bestätigt, dass er an einigen Innovationen arbeite. Eine Sprecherin beteuerte angesichts der Aufregung in der Branche jedoch: „Wir werden niemals die Qualität und Integrität von Scotch aufs Spiel setzen.“

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