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Missbrauch oder Vergewaltigung?

Der Widerstand gegen ein spanisches Gerichtsurteil, bei dem fünf Männer vom Vorwurf der Vergewaltigung freigesprochen wurden, reißt nicht ab. Zehntausende Menschen gingen am Samstag im ganzen Land auf die Straße und protestierten gegen das Urteil eines Gerichts in Pamplona. Mehr als 1,2 Millionen Menschen unterzeichneten eine Protestpetition.

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Drei Richter in Pamplona hatten die wegen Vergewaltigung angeklagten Männer aus Sevilla wegen „sexuellen Missbrauchs“ zu Haftstrafen von neun Jahren verurteilt. Die Staatsanwaltschaft hatte fast 23 Jahre Haft wegen Vergewaltigung beantragt. Nach Überzeugung der Anklage vergewaltigten die 27 bis 29 Jahre alten Männer im Juli 2016 eine 18-jährige Frau aus Madrid bei den San-Fermin-Feierlichkeiten mit dem Stiertreiben in Pamplona.

Demo in Pamplona

AP/Alvaro Barrientos

Zehntausende Menschen protestieren gegen das Urteil im Vergewaltigungsprozess in Pamplona

Nach Mitternacht hatten die Männer laut Anklage die Frau in einen Hausflur gedrängt. Sie filmten, wie sie sich an der jungen Frau vergingen und teilten über Whatsapp die Aufnahmen mit anderen. Die Gruppe, die sich „La Manada“ (das Rudel) nannte, brüstete sich mit der Tat. Die Männer beteuerten, die auf den Aufnahmen passive junge Frau habe entgegen ihrer Aussage freiwillig mitgemacht. Auch die Verteidigung argumentierte, es habe sich um einvernehmlichen Sex gehandelt, und plädierte auf Freispruch.

„Es ist Vergewaltigung“

„Sexueller Missbrauch“ bedeutet nach spanischem Recht im Gegensatz zum Straftatbestand des „sexuellen Angriffs“, dass keine „Gewalt“ oder „Einschüchterung“ vorlag. Allein in Pamplona gingen nach Angaben der Polizei am Samstag zwischen 32.000 und 35.000 Menschen auf die Straße. Sie marschierten unter dem Motto „Es ist kein sexueller Missbrauch, es ist Vergewaltigung“ durch die Stadt. Nach Angaben der Polizei blieb es friedlich.

Bereits unmittelbar nach der Urteilsverkündung am Donnerstag hatte es in mehreren Städten Spaniens Demonstrationen gegen das Urteil gegeben, darunter in Madrid und Barcelona. Am Freitag demonstrierten Tausende Menschen vor dem Gericht in Pamplona. Viele der Demonstranten kritisierten insbesondere, dass einer der drei Richter für einen Freispruch der fünf Männer plädiert hatte.

Demo in Pamplona

APA/AFP/Xabier Lertxundi

Die wütenden Menschen skandieren: „Es ist kein sexueller Missbrauch, es ist Vergewaltigung“

Die Petition gegen das Urteil, in der Spaniens Oberstes Gericht aufgefordert wird, die für das Urteil verantwortlichen Richter des Amtes zu entheben, wurde von einer 38-jährigen Spanierin gestartet. In dem Text heißt es, es gebe Richter, „die meinen, für einen sexuellen Angriff genüge es nicht, wenn fünf Männer eine wehrlose und betrunkene junge Frau angreifen und sie liegen lassen, nachdem sie noch ihr Telefon gestohlen haben“. In ihrem Urteil hatten die Richter selbst darauf verwiesen, dass das Opfer den körperlich überlegenen Männern völlig ausgeliefert war.

Oberstes Gericht verteidigt Richter

Seit Beginn des Prozesses hatten sich unter dem Motto „Yo si te creo“ („Ich glaube dir“) bei Demonstrationen und auf Sozialen Netzwerken Tausende Spanier mit der jungen Frau solidarisiert. Der Vorsitzende des Obersten Gerichts, Carlos Lesmes, verteidigte allerdings die Richter: Sie hätten „minutiös“ die Beweislage analysiert, erklärte er am Freitag. Lesmes bedauerte zudem die Kritik an den Amtsträgern. Die Zeitung „El Mundo“ schrieb am Samstag, Richter seien „beunruhigt“ angesichts der „exzessiven“ Reaktionen auf das Urteil.

Die Staatsanwaltschaft kündigte bereits Berufung gegen das umstrittene Urteil an. Die spanische Regierung kündigte an, eine mögliche Strafrechtsreform zu prüfen. Im Jahr 2004 hatte Spanien seine Gesetze zu Gewalt gegen Frauen verschärft. 2014 gab es massive Proteste gegen eine geplante Verschärfung des Abtreibungsrechts. Sie führten zum Rücktritt des Justizministers Alberto Ruiz Gallardon.

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