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Gefährlicher Wettlauf gegen die Zeit

In Istanbul wird derzeit ein Flughafen der Superlative aus dem Boden gestampft, der bereits dritte der Metropole. Nach Angaben der türkischen Regierung soll er pünktlich zum Tag der Republik am 29. Oktober dieses Jahres in Betrieb gehen - das wäre nicht einmal viereinhalb Jahre nach der Grundsteinlegung.

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Der erste Testflug ist für den 15. Mai geplant. Anfangs soll der neue Istanbuler Flughafen eine Kapazität von jährlich 90 Millionen Passagieren haben, später von 200 Millionen. Damit wäre er nach derzeitigem Stand der Flughafen mit dem weltweit größten Passagieraufkommen. Durch die Expansion der halbstaatlichen Fluglinie Turkish Airlines hat die Zahl der Passagiere in den vergangenen Jahren deutlich zugenommen, der Atatürk-Airport - der langfristig durch den neuen Flughafen ersetzt werden soll – ist chronisch überlaufen.

Baustelle von Flughafen

AP/Lefteris Pitarakis

Ein Name für den neuen Flughafen soll erst bei der Eröffnungsfeier verkündet werden

Stark schwankende Angaben

Umso erpichter ist man, das Prestigeprojekt des türkischen Staatspräsidenten Recep Tayyip Erdogan zeitgerecht bis Oktober fertigzustellen. Doch das hohe Arbeitstempo hat seinen Preis: Nach Angaben der Gewerkschaft sind bisher mindestens 32 Arbeiter auf der Baustelle ums Leben gekommen. Erst Anfang April wurde ein 35-jähriger Arbeiter von einem Gegenstand erschlagen. In einem Bericht der Zeitung „Cumhuriyet“ ist sogar von 400 Arbeitern die Rede, die durch Unfälle auf der Baustelle ums Leben gekommen seien. Nach dem Artikel, der im Februar veröffentlicht wurde, wies das türkische Arbeitsministerium die Vorwürfe zurück und gab an, dass 27 Arbeiter gestorben seien. Einige von ihnen hätten gesundheitliche Probleme gehabt.

„Ich habe mich sehr über diese Erklärung geärgert“, sagte Özgür Karabulut, Vorsitzender der Gewerkschaft Dev-Yapi-Is, unlängst der Deutschen Presse-Agentur. Das Ministerium tue geradezu so, als sei eine so hohe Zahl von Todesfällen normal. Ursache für die Unfälle seien vor allem Stürze aus der Höhe und Unfälle mit Bauschuttlastern - diese seien oft überladen. Arbeiter fahren nach Gewerkschaftsangaben oft zu schnell, weil sie für jede Fahrt eine Prämie erhielten, Kontrollen gebe es nicht.

„Unfassbarer Produktionsdruck“

Am schlimmsten sei jedoch der Zeitdruck: „Das gesamte Team, vom Führungspersonal bis zum einfachen Arbeiter, ist einem unfassbaren Produktionsdruck ausgesetzt“, sagte Karabulut. Die AKP-Regierung müsse endlich mehr Vorsorge für die Sicherheit der Arbeiter treffen.

Baustelle von Flughafen

AP/Lefteris Pitarakis

30.000 Menschen arbeiten auf dem riesigen Gelände

„Haben nie gehetzt“

Alle Arbeiter erhielten ein ausreichendes Training, zudem seien Hunderte Kontrolleure im Einsatz, hielt dagegen Verkehrsminister Ahmet Arslan bei einem Baustellenbesuch fest. „Wir haben beim Bau dieses Flughafens nie gehetzt“, sagte er. „Wir tun unser Bestes, um solche Unfälle zu vermeiden, deswegen machen wir diese Schulungen.“

2014 hatte ein türkisches Konsortium aus den Unternehmen Cengiz, Kolin, Limak, Mapa und Kalyon für mehr als 22,1 Milliarden Euro das Recht erhalten, den neuen Flughafen zu bauen und für 25 Jahre zu betreiben. Dazu wurde die Firma IGA gegründet. Die Großbaustelle, auf der mehr als 30.000 Menschen arbeiten, liegt nördlich von Istanbul, nicht weit vom Schwarzen Meer. Insgesamt sind sechs Landebahnen und drei Terminals geplant.

Kaum Kontrollen

Doch Arbeitssicherheit ist nicht nur auf dieser Baustelle ein Thema in der Türkei. 2017 gab es in der Türkei nach Gewerkschaftsangaben 2.006 tödliche Arbeitsunfälle, 2016 waren es mehr als 1.900. Kritiker bemängeln, dass in der Türkei die Kontrollen generell zu schwach seien und Firmen für Verstöße nicht ausreichend bestraft werden.

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