Fettberge werden zu „städtischer Krise“
Zwölf große Fettberge drohen zunehmend, Londons Kanalisation zu verstopfen. Sie sind so fest, dass sie nur per Hand abgetragen werden können. Im Rahmen einer Fernsehdokumentation wurde nun der Inhalt eines der Berge untersucht. Die darin gefundenen Substanzen könnten nicht nur Kanalarbeitende gefährden.
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Laut dem britischen „Guardian“ wird der momentan größte Fettberg im Zentrum Londons auf einen Durchmesser von mindestens 750 Metern geschätzt. Damit wäre er noch einmal deutlich größer als der im Vorjahr gefundene Berg im Stadtteil Whitechapel, der international für Schlagzeilen sorgte. Für eine Studie des Fernsehsenders Channel 4 gemeinsam mit dem privaten Londoner Wasserversorgungsunternehmen Thames Water wurden fünf Tonnen des Fettberges entnommen und untersucht.
Fast 90 Prozent der Fette aus der entnommenen Probe waren Formen von Speisefett, so das Resultat der Untersuchung. Im Vergleich dazu machen Öle und Fette in Hautcremes und Gelen, die über das Waschbecken im Badezimmer in den Kanal gelangen, nur einen kleinen Teil aus.
Feuchttücher werden zu Bergen
Wie die meisten Fettberge in Großbritannien besteht auch der jetzt untersuchte Berg zu einem Großteil aus Feuchttüchern. Gegenüber Channel 4 erläutert der Bauingenieur Andy Drinkwater, wie diese Berge überhaupt entstehen: „Das Fett bleibt an den Seiten der Rohre kleben, Feuchttücher werden in den Kanal gespült und haften am Fett, dann kommt weiteres Fett in die Kanalisation, das an den Feuchttüchern klebt - so häuft sich ein Fettberg an.“
Im Rahmen der Dokumentation wurden Tests durchgeführt, die zeigen, dass sich die meisten Feuchttücher nicht auflösen. In den im Kanal vorherrschenden Bedingungen konnten sich selbst einige als „spülbar“ beworbenen Tücher nicht zersetzen. In London warnt Thames Water mit dem Slogan „Bin it - don’t block it“ (in etwa: „Schmeiß es weg, blockier nichts“) vor den Folgen.
Gefundene Bakterien stellen Gesundheitsrisiko dar
Der Einblick in den Inhalt des Fettbergs zeigt aber auch die zahlreichen Gesundheitsrisiken, die sich darin verbergen, auf. So wurden etwa gegen Antibiotika resistente Keime gefunden. Auch Listerien, Kolibakterien und Campylobacter stellen nicht nur eine unmittelbare Gefahr für Kanalarbeiterinnen und Kanalarbeiter dar. Sollte es tatsächlich zu einer Verstopfung in der Kanalisation kommen, könnten diese Bakterien zurück in Haushalte und Unternehmen geschwemmt werden, so Thames Water.
Einblick in das Leben über der Kanalisation
Der Fettberg lässt aber auch Rückschlüsse auf das Leben der Londonerinnen und Londoner zu - der Inhalt sei ein „ernüchterndes Fenster in das Leben oberhalb der Kanalisation“, heißt es in der Dokumentation. Neben Feuchttüchern, Windeln und Kondomen fanden sich ebenso benutzte Spritzen und kleine Plastiksackerln („baggies“), in denen häufig Drogen transportiert werden.
Die „Autopsie“ des Berges zeigt, dass sich neben harten Drogen wie Kokain und MDMA (Ecstasy) vor allem „Fitnessdrogen“ zur Leistungssteigerung im Fettberg vorfinden. Hordenin und Ostarin weisen gemeinsam eine ähnliche hohe Konzentration auf wie der fiebersenkende Arzneistoff Paracetamol. John Wilkinson von der Universität in York merkt jedoch an, dass bei den vorgefundenen Stoffen nicht klar sei, ob sie tatsächlich konsumiert oder direkt heruntergespült wurden.
Nicht nur London betroffen
Ein Arbeiter von Thames Water sieht in den Fettbergen ein sich „zunehmend verschlechterndes Problem“. Als Ursache für den hohen Speisefettanteil sieht er den Hang der Londoner dazu, auswärts zu essen. Für Wilkinson ist vor allem der hohe Anteil an Weichmachern in der Kanalisation beunruhigend. Diese hätten schon in geringen Konzentrationen Auswirkungen auf Organismen im Wasser.
Die Situation unter dem Touristenmagneten South Bank, in dem sich unter anderem das Riesenrad London Eye befindet, ist jedenfalls kein Einzelfall. Neben dem „Whitechapel Monster“, jenem 250-Meter-Fettberg, der 2017 für Schlagzeilen sorgte und letztlich in Biodiesel umgewandelt wurde, befinden sich noch viele weitere Fettberge in der Kanalisation Londons. Landesweit sollen 25 Städte mit ähnlichen Problemen kämpfen.
Dass das Problem in London besonders schwer wiegt, dürfte auch an der Dimensionierung der Kanalisation liegen, die laut Channel 4 nicht für acht Millionen, sondern maximal vier Millionen Einwohner ausgelegt ist. In Wien sei das Problem nicht so ausgeprägt, dennoch sagt Josef Gottschall von Wien Kanal gegenüber ORF.at, dass von Katzenstreu bis Unterwäsche viel Abfall den Weg ins Klo findet. Rund 15 Tonnen Ablagerungen werden täglich aus Wiens Kanälen entfernt - bei steigender Einwohnerzahl sei wichtig, dass schon früh mit der Bildung begonnen wird, um zu erklären, was nicht heruntergespült werden darf.
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