„Keine Zeit mehr, Europa kleinzureden“
Frankreichs Präsident Emanuel Macron hat mit seiner Rede vor dem EU-Parlament über notwendige Reformen für Europa viel Zustimmung erhalten - begleitet von Kritik. Das EU-Parlament habe „lange auf einen proeuropäischen französischen Präsidenten gewartet“, sagte EVP-Fraktionschef Manfred Weber.
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Man müsse vor der kommenden EU-Wahl „nichts Neues erfinden“ sondern „nur das umsetzen, was Europa ausmacht, was über Jahre erkämpft wurde, die parlamentarische Demokratie“. Das EU-Parlament vertrete die Bürger Europas, und „wenn wir die europäischen Bürger ignorieren, werden uns die europäischen Bürger ignorieren“. Weber sagte, „meine Hauptangst ist nicht ein weiterer ‚Brexit‘, sondern dass Europa zu viel Angst hat und wir in die nächste Krise hineinschlittern“.
Als „Weckruf an die Kleingeister, Bremser, Betonierer und Mutlosen in den Regierungen der Mitgliedsstaaten“ bezeichnete der ÖVP-Delegationsleiter im EU-Parlament, Othmar Karas, Macrons Rede. Es gehe nicht darum, ob die Mitgliedsstaaten Souveränität abgeben oder nicht, sondern ob die EU eine glaubwürdige europäische Souveränität in der Welt verkörpere. „Wir haben keine Zeit mehr, Europa kleinzureden.“
Soziale Absicherung nicht vergessen
Kritischer zeigte sich der Vorsitzende der Sozialdemokraten im EU-Parlament, Udo Bullmann. Als Vorschlag für eine deutsch-französische Zusammenarbeit meinte Bullmann, „gehen Sie zu Angela (Kanzlerin Merkel, Anm.) und sagen: Angela, du reduzierst drastisch den Gebrauch von Kohle, und ich reduziere drastisch den Gebrauch von Atomstrom. Das wäre das beste bilaterale Projekt.“ Generell „werden Sie in meiner Fraktion Freunde finden, wenn Sie mit den Menschen sein wollen“.
Die SPÖ-Delegationsleiterin im EU-Parlament, Evelyn Regner, schätzte Macrons „proeuropäische Worte“. Er dürfe aber nicht vergessen, dass das europäische Erfolgsmodell eine Kombination aus wirtschaftlichem Erfolg und sozialer Absicherung sei.
„Zu viele Befugnisse für EU“
Syed Kamall von den Konservativen und Reformern begrüßte die „Visionen des französischen Staatschefs“. Aber „mit einem größeren EU-Haushalt, einem gemeinsamen Asylsystem und einem europäischen Finanzminister können Sie die richtige Vision für Frankreich haben, aber nicht die richtige für alle Mitgliedsstaaten“. Die „EU sollte nicht immer souveräner werden, wenn die Nationalstaaten an Souveränität verlieren". Die Wähler in der EU seien unzufrieden, nicht, weil die Europäische Union zu wenig, sondern weil sie zu viele Befugnisse besitze“.
„Geben Sie nicht auf“
Der Chef der Liberalen, Guy Verhofstadt, meinte, dass das Eingreifen in Syrien auch die Schwäche Europas gezeigt habe: „Frankreich und Großbritannien haben eingegriffen, nicht die EU.“ Es gebe noch immer keine europäische Armee. Er sprach Macron Mut zu: „Geben Sie nicht auf. 2020 wird es ein anderes EU-Parlament geben, eine Generation, die Mut haben will, dann wird Europa gerettet werden können.“
Angesichts des Erstarkens konservativer, protektionistischer und nationalistischer Politik in Teilen Europas sei Macrons Ansatz, die liberale Demokratie als „conditio sine qua non“ hervorzustreichen, mehr als willkommen, betonte auch NEOS-Europaabgeordnete Angelika Mlinar. Philippe Lambert, als Vertreter der Grünen im EU-Parlament, hält eine politische Union für notwendig. Kritisch zeigte sich der Grüne gegenüber Entwicklungen, dass Arbeitnehmer immer schlechtere Bedingungen erhielten, obwohl Macron auf der anderen Seite Steuergeschenke an die Reichsten geben wolle.
„EU ist nicht reformierbar“
Florian Philippot von der EU-skeptischen und populistischen Fraktion der Freiheit und direkten Demokratie meinte, Macron sei „nur hergekommen, um zu gefallen“. Er spreche den Amerikanern nach. „Sie sind so ein guter Schüler, Europa zu gefallen. Jetzt haben Sie versprochen, Europa zu reformieren, da enttäuschen Sie schon, denn die EU ist nicht reformierbar. Deshalb bin ich traurig.“
Aymeric Chauprade von der Rechtsaußen-Fraktion Europa der Nationen und Freiheit warf Macron vor, angesichts der Beteiligung am Syrien-Schlag nichts aus der Geschichte gelernt zu haben. Macron wolle ein neues Europa gründen, doch wäre das ein „Europa ohne Gedächtnis, ohne Grenzen und ohne Identität“. Allerdings konzedierte er dem französischen Präsidenten „ein gewisses Kommunikationsgeschick“.
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