„Exklusiver Bestäuber“ rückt in Auslage
In der laufenden Debatte rund um das Bienensterben und dessen Folgen stehen Hummeln meist im Schatten der weit populäreren Honigbiene - sie sind dennoch alles andere als nur träge erscheinende dicke Brummer, sondern zählen zu den wichtigsten und nicht weniger bedrohten Bestäubern in der Natur. Eine Studie aus Südamerika rückte nun ein Geschäftsfeld in die Auslage, bei dem die Hummel bereits seit Jahrzehnten im Zentrum steht.
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„Belgische Hummeln sorgen in Südamerika für Probleme“, heißt es dazu etwa bei der belgischen Rundfunkanstalt BRF, die wie andere Medien des Landes das Thema aufgriffen. In Erinnerung gerufen wurde dabei auch die Pionierleistung des Landes beim Geschäft mit der Hummel, das der Legende zufolge in einem Gewächshaus in der belgischen Stadt Westerlo begann.
Die Pioniere „im Feld der kommerziellen Bestäuber“
Dort findet sich heute der Hauptsitz der Firma Biobest, die nicht nur Pionier, sondern nach wie vor einer der größten Player der Branche ist. Gegründet wurde das Unternehmen vom „leidenschaftlichen Insektenliebhaber“ Roland De Jonghe nach einer offenbar zufälligen Beobachtung im Gewächshaus eines Bekannten. Der Firmenhistorie zufolge hatte der gelernte Veterinär 1987 schließlich „die magische Idee“, Hummeln als Bestäuber für die eigenen Gewächshaustomaten einzusetzen.
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Die besonderen Fähigkeiten der Hummel bei der Bestäubung sind weltweit gefragt
Ein Experiment mit offensichtlich durchschlagendem Erfolg: De Jonghe habe den Firmenangaben zufolge jedenfalls nicht gezögert, Hummeln in direkter Folge „auf kommerzieller Basis zu produzieren“. Das Potenzial der Hummel als effizientes und lukratives Nutztier wurde schon bald von anderer Seite erkannt. Seit 1989 wird „das Feld der kommerziellen Bestäuber“ auch von einem niederländischen Unternehmen, dem heutigen Marktführer Koppert, besetzt.
Anspruchsloses Multitalent
Ihren Siegeszug traten Hummeln zunächst in Gewächshäusern an, wo zuvor etwa Tomaten und Paprika mühsam per Hand bestäubt werden mussten. Abseits der bei diesen Pflanzen notwendigen Vibrationsbestäubung kann die Hummel in diesem Umfeld mit weiteren Vorteilen punkten.
„Sie fühlen sich in Gewächshäusern bzw. Gewächshaustunneln wohler als zum Beispiel Bienen, vor allem unter beengteren Bedingungen“, heißt es dazu bei Koppert. Dazu komme ein höheres Arbeitstempo - und Hummeln seien „selbst bei relativ niedrigen Temperaturen und geringer Lichtintensität aktiv und lassen sich auch von starkem Wind und leichtem Regen nicht abschrecken“. Eine Senkung von Arbeitskosten, bessere Fruchtqualität und nicht zuletzt höhere Erträge sind schließlich Verkaufsargumente, die auch auf Freiflächen überzeugen.
Sorge um natürliche Hummelpopulation
Es gibt aber auch Gegenstimmen, und im Zentrum steht dabei die in der Natur schwindende Hummelpopulation bzw. deren Verdrängung durch landesfremde Arten. Von gleich mehreren Risiken für einheimische Arten ist in diesem Zusammenhang etwa bei der Weltschutzunion (IUCN) die Rede.
Der Nichtregierungsorganisation zufolge wurde zwar ein „exklusiver Bestäuber für Gewächshaustomaten“, damit aber auch die europäische Dunkle Erdhummel (Bombus terrestris) in Länder wie Japan, Chile und Argentinien gebracht. Mit einher, so eine 2008 auch vom EU-Forschungs- und Entwicklungsinformationsdienst (CORDIS) geteilte Sorge, gehe „eine erhöhte Gefahr der Einschleppung exotischer Parasiten in das Ökosystem“.
Das Thema beschäftigt EU-Behörden nach wie vor, wie Quellen aus der Kommission gegenüber ORF.at bestätigen. Selbst bei als „parasitenfrei“ vertriebenen Hummeln könne die Übertragung von Krankheitserregern nicht ausgeschlossen werden. Die Rede ist von „erheblichen Risiken“ für die Artenvielfalt, aber auch für Bienenzucht und Landwirtschaft, weswegen im Rahmen der EU-Initiative für Bestäuber nun auch „spezifische Maßnahmen“ im Raum stünden.
„Nicht richtige Entscheidung“
Durch die Einfuhr europäischer Hummeln sei etwa die Patagonia-Riesenhummel (Bombus dahlbomii) in großen Teilen ihres einstigen Verbreitungsgebietes nahezu ausgerottet. Die Ausbreitung einer invasiven Art habe den Angaben zufolge letztlich selbst die Bestäubung von Pflanzen und damit auch den Ernteertrag negativ beeinflusst. Mit dem „Fall ausländischer Hummeln in Südamerika“ beschäftigt sich auch eine zuletzt von der British Ecological Society (BES) veröffentlichte Studie. Ungeachtet eines Importverbots ist davon auch Argentinien betroffen, und der Grund dafür findet sich im benachbarten Chile: Dort ist die Einfuhr von europäischen Hummeln bis heute erlaubt.
Die vor rund 35 Jahren getroffene Entscheidung Chiles, im Gegensatz zu anderen südamerikanischen Ländern den Import exotischer Hummelarten zu erlauben, würde es mit dem heutigen Wissensstand nicht mehr geben, heißt es dazu nun in einer Stellungnahme, mit der Biobest auf die „südamerikanische Hummelstory“ und damit die „neuen Schlagzeilen“ reagiert.
Biologische Vielfalt und der Erhalt heimischer Hummelarten seien mittlerweile zentraler Bestandteil der Firmenpolitik. Kunden werden auf der Firmenwebsite zudem angehalten, mit den lokalen Behörden abzuklären, ob und welche Hummeln auch verwendet werden dürfen.
Weltweit Standorte
Die großen Hummelzuchtunternehmen sind, wie das Beispiel Biobest zeigt, mit Produktionsstätten weltweit aktiv. In Belgien, der Türkei und China und somit gleich mehreren Standorten gezüchtet, erscheint Bombus terrestris der Angebotsliste zufolge auch weiterhin als der große und neben Europa, Afrika und Asien auch in Chile verfügbare Megaseller. Mit eigenen Hummelarten versorgt der belgische Standort zudem Großbritannien (Bombus terrestris audax), die Kanarischen Inseln (Bombus canariensis) und Japan (Bombus ignitus).
Bombus impatiens wird von Kanada und Mexiko aus an Nord-, Mittel- und Südamerika geliefert. Von Biobest Kanada kommt zudem die ausschließlich für den Westen dieses Landes gelistete Hummel Bombus huntii und von Biobest Argentinien die Hummelart Bombus atratus für den südamerikanischen Markt.
„Was soll nun in Chile passieren?“
Auch für argentinische Obst- und Gemüseanbauer habe man Biobest zufolge somit „seit einigen Jahren“ nun Bestäubungslösungen auf dem Programm, die kein Risiko für die lokale Artenvielfalt darstellen würden. Keine leichte Antwort gebe es allerdings auf die „brennende Frage“, was in Chile passieren soll. Mit einem nun zur Debatte stehenden Importverbot für die Dunkle Erdhummel ist es zumindest laut Biobest nicht getan: Auf der einen Seite stehe zwar der Schutz der lokalen Artenvielfalt, auf der anderen Seite aber auch ein starker Gartenbausektor, und dieser benötige „Werkzeuge“ für eine effektive und nachhaltige Produktion.
Geht es nach den Autoren der südamerikanischen Studie, offenbare die dargestellte „Hummelinvasion“ dagegen die Folgen eines international boomenden Handels mit einem Produkt, das sich nicht an Grenzen hält. Länderspezifische Regelungen seien nicht genug - ein global ausgelegtes Geschäft wie dieses bedürfe vielmehr einer international koordinierten Vorgehensweise.
Links:
Peter Prantner, ORF.at, aus Brüssel