Themenüberblick

OPCW startet Untersuchungen

Die schwere diplomatische Krise zwischen Großbritannien und Russland erstreckt sich mittlerweile über mehrere Themenbereiche: Handelte der Konflikt zunächst von der Vergiftung des ehemaligen russischen Doppelagenten Sergej Skripal und dessen Tochter auf britischem Boden, weitete sich der Streit nun auch auf den Themenkomplex Syrien aus.

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Am Freitag ging Moskau in der Debatte über den mutmaßlichen Giftgasangriff im syrischen Ostghuta in die Offensive. Die russische Armee beschuldigte Großbritannien, den Angriff inszeniert zu haben. Sie habe „Beweise“, die eine „direkte Beteiligung Großbritanniens an der Organisation dieser Provokation in Ostghuta belegen“, sagte ein Sprecher des russischen Verteidigungsministeriums in Moskau.

„Antirussische Kampagne“

Zuvor hatte der russische Außenminister Sergej Lawrow mitgeteilt, es gebe Beweise, wonach der mutmaßliche Chemiewaffenangriff in Syrien mit Hilfe eines ausländischen Geheimdiensts inszeniert worden sei. „Wir haben unwiderlegbare Beweise dafür, dass das ein weiterer inszenierter Vorfall war“, sagte er. Der Geheimdienst eines „bestimmten Staates, der jetzt an vorderster Front einer antirussischen Kampagne“ stehe, sei in die Inszenierung verwickelt.

„Britische Inszenierung“

Russland wirft den Briten eine „direkte Beteiligung“ am mutmaßlichen Giftgasangriff in Syrien vor. Die Lage bleibt angespannt.

Die britische UNO-Botschafterin Karen Pierce regierte scharf. „Das sind die schlimmsten Fake News, die wir bisher von der russischen Propagandamaschine gesehen haben“, so Pierce in New York. Großbritannien „hat keine Verbindung und würde niemals eine Verbindung zum Gebrauch einer Chemiewaffe haben“. Alles andere sei eine offenkundige Lüge, so Pierce.

Noch keine Entscheidung über Militärschlag

Die USA sind nach den Worten von Sarah Huckabee-Sanders, der Sprecherin des Weißen Hauses, in höchstem Maße davon überzeugt, dass Syrien hinter der Giftgasattacke steckt. Russlands Behauptung, der Anschlag sei inszeniert worden, sei falsch. Im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen warf US-Botschafterin Nikki Haley dem syrischen Militär vor, in dem seit sieben Jahren dauernden Konflikt mindestens 50-mal chemische Waffen eingesetzt zu haben. Dennoch ist ein Raketenangriff der USA auf Syrien noch keine beschlossene Sache.

Grafik zu Syrien

Grafik: APA/ORF.at; Quelle: APA/BBC/Institute for the Study of War/liveuamap.com

Washington werte weiter Geheimdiensterkenntnisse aus und erwäge verschiedene Optionen. Es komme aber der Moment, an dem gehandelt werden müsse, so Haley. US-Präsident Donald Trump hatte am Mittwoch einen Raketenangriff der US-Streitkräfte in Syrien angekündigt, seine Drohung einen Tag später aber relativiert.

Trump drängt Berater zu Härte

Nach einem Bericht des „Wall Street Journal“ drängt Trump seine Militärberater aber zu einem deutlich härteren Schlag gegen Syrien als von diesen zunächst vorgesehen. Unter Berufung auf mehrere Quellen in der Regierung schrieb die Zeitung, Trump sei mit den ihm bisher präsentierten eher zurückhaltenden Optionen nicht zufrieden. Trump habe sich dafür starkgemacht, mit einem Militärschlag nicht nur die syrische Regierung zu treffen, sondern auch Russland und den Iran „bezahlen zu lassen“.

Das „Wall Street Journal“ schrieb, das US-Militär habe bereits mehrere Zeitfenster für einen Angriff vorbereitet gehabt, unter anderem eines in der Nacht zum Freitag. Verteidigungsminister James Mattis habe diese aus der Sorge abgesagt, alles andere als ein vorwiegend symbolischer Angriff berge das Risiko einer erheblichen Eskalation vor allem mit Russland.

OPCW in Duma

Am Samstag starten Experten der Organisation für das Verbot von Chemiewaffen (OPCW) mit der Untersuchung des mutmaßlichen Angriffs im Osten von Damaskus. Sie sollen herausfinden, ob am vergangenen Samstag in der damals noch von Rebellen kontrollierten Stadt Duma Chemiewaffen eingesetzt wurden. Ihr Auftrag lautet jedoch nicht, die Verantwortlichen zu ermitteln. Ihren Bericht sollen die Ermittler binnen 30 Tagen dem Exekutivrat der OPCW übergeben.

Die OPCW ist auch im anderen Streitfall zwischen London und Moskau aktiv: Die britische Regierung und ihre westlichen Verbündeten werfen Russland vor, für den Anschlag auf den Ex-Spion und seine Tochter Julia Anfang März in der südenglischen Stadt Salisbury verantwortlich zu sein. London geht davon aus, dass bei der Tat ein Gift der Nowitschok-Gruppe aus sowjetischer Produktion zum Einsatz kam.

„Kein Zweifel“ an Russlands Verantwortung

Die OPCW hatte am Donnerstag erklärt, bei einer Untersuchung von Blutproben von Skripal und seiner Tochter seien die Erkenntnisse Großbritanniens „in Bezug auf die Identität der toxischen Chemikalie“ bestätigt worden. Das verwendete Gift wird in dem Bericht allerdings nicht benannt. Der britische Außenminister Boris Johnson erklärte daraufhin dennoch, es gebe nun „keinen Zweifel“ mehr an Russlands Verantwortung. Sein russischer Kollege Lawrow warf ihm daraufhin vor, die „Wahrheit zu verdrehen“. Die OPCW-Experten hätten keineswegs alle britischen Thesen zu dem Angriff bestätigt. So enthalte ihr Bericht keinerlei Aussage über die Herkunft des verwendeten Nervengases.

Julia Skripal

APA/AP/Facebook/Yulia Skripal

Julia Skripal konnte das Spital wieder verlassen

Die britische Seite legte am Freitag noch einmal nach und beschuldigte Russland, die Skripals seit Jahren ausgespäht zu haben: „Nach unseren Informationen reicht das Interesse der russischen Geheimdienste an den Skripals mindestens in das Jahr 2013 zurück“, schrieb der Nationale Sicherheitsberaters Mark Sedwill in einem Brief an NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg. Damals seien Mail-Konten von Julia Skripal im Visier von Cyberexperten des russischen Militärgeheimdienstes GRU gewesen.

Gift auf der Türklinke?

Russland verfüge über die „technischen Mittel, die Einsatzerfahrung und ein Motiv für den Angriff auf die Skripals“, erklärte Sedwill. Es sei „höchst wahrscheinlich“, dass der russische Staat für den Anschlag verantwortlich sei. Russland habe Angriffe wie im Fall Skripal seit Langem trainiert.

In den Jahren nach 2000 seien in Russland Armeeangehörige darin ausgebildet worden, Chemiewaffen zu nutzen, darunter auch durch den Einsatz auf Türklinken. Die höchste Konzentration des Gifts wurde laut britischen Ermittlern an der Haustür Sergej Skripals gefunden.

Moskau mit eigenem Bericht

Moskau weist jegliche Verwicklung in das Attentat weiter entschieden zurück. Russlands Botschafter in London, Alexander Jakowenko, kündigte an, einen eigenen 33-seitigen Untersuchungsbericht vorzulegen. Russland erkennt die Schlussfolgerungen der OPCW nicht an und verlangt, dass russischen Experten Zugang zu den Proben gewährt wird.

Julia Skripal war kürzlich aus dem Krankenhaus in Salisbury entlassen worden und befindet sich nach eigenen Angaben an einem sicheren Ort. Ihr Vater muss weiter in der Klinik behandelt werden.

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