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Lange Schlangen vor Wahllokalen

Ungarns rechtspopulistischer Regierungschef Viktor Orban kann aller Voraussicht nach weitere vier Jahre regieren: Die Parlamentswahl am Sonntag gewann seine Partei FIDESZ klar, wie aus Teilergebnissen hervorgeht, die das Nationale Wahlbüro (NVI) am späten Abend bekanntgab. Laut NVI erreichte die Regierungspartei rund 48,5 Prozent der Wählerstimmen.

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Ausgezählt waren laut NVI zunächst 96,24 Prozent aller Stimmen. Die Rechtsaußen-Partei Jobbik kam auf 19,58 Prozent vor der linken Liste MSZP-P mit 12,31 Prozent und den Grünen (LMP) mit rund 6,9 Prozent. Nach Schätzungen von Wahlforschern wird FIDESZ auf bis zu 133 Mandate im 199-sitzigen Parlament kommen. Orban hätte damit wieder eine sichere absolute Mehrheit. Damit kann er seine vierte Amtszeit und die dritte in Folge antreten. Vor vier Jahren hatte FIDESZ mit 44 Prozent der Stimmen 133 Mandate und damit eine verfassungsändernde Zweidrittelmehrheit gewonnen.

Viktor Orban

APA/AP/Darko Vojinovic

Premier Orban erklärte sich am späten Sonntagabend zum Wahlsieger

Am späten Sonntagabend trat Regierungschef Orban vor seine Anhänger und sagte, dass Ungarn einen „großen Sieg errungen“ habe. Der Premier dankte nicht nur den heimischen Wählern, sondern auch der im Ausland lebenden ungarischen Minderheit, die „geholfen hat, die Mutternation zu verteidigen. Es war gut, mich euch zu kämpfen“, so Orban.

Unerwartet hohe Wahlbeteiligung

Die endgültige Sitzverteilung im neuen Parlament hängt allerdings noch vom Ausgang der Wahl in den Direktwahlkreisen ab. Die Stimmen von rund 270.000 Wählern, die nicht an ihrem ständigen Wohnort gewählt haben, werden erst in der nächsten Woche ausgezählt.

Die Bekanntgabe der ersten Ergebnisse hatte sich verzögert, weil überdurchschnittlich viele Wähler am Sonntag zu den Wahlurnen strömten. Wegen des großen Andrangs hielten manche Wahllokale lange nach dem offiziellen Wahlschluss um 19.00 Uhr offen. Die Wahlbeteiligung lag laut NVI bei 68,8 Prozent und damit deutlich höher als 2014 (knapp 62 Prozent). Laut dem Internetportal Varosi Kurir war die Schlange vor einem Wahllokal im Stadtteil Ujbuda kilometerlang.

Wahllokal

APA/AP/MTI/Balazs Mohai

Die Wahlbeteiligung bei der Parlamentswahl in Ungarn war überdurchschnittlich hoch

Bereits zuvor war die Website des NVI wegen der hohen Zahl an Zugriffen zusammengebrochen. Die Seite war am Sonntag zeitweise nicht zu erreichen. Einzelne Funktionen waren außer Betrieb, darunter etwa die Herbeiholung der „Mobilen Urne“ per Mausklick, durch die zum Beispiel Kranke von ihrem Wahlrecht Gebrauch machen können.

Auf Konfrontationskurs mit EU

In der EU geht man davon aus, dass eine Neuauflage der Regierung Orban zu weiteren Konflikten zwischen Budapest und Brüssel führen wird. Seit 2010 steuert der rechtspopulistische Politiker einen Konfrontationskurs zur EU. Streitpunkte sind unter anderem die Asylpolitik, die Einschränkung von Medienfreiheit, Unabhängigkeit der Justiz und Bürgerrechten sowie der mutmaßliche Missbrauch von EU-Fördergeldern. Von der EU beschlossene Quoten zur faireren Verteilung von Asylwerbern boykottierte Orban.

Im Wahlkampf hatte Orban die Migration zum fast ausschließlichen Thema gemacht. „Es geht um die Zukunft Ungarns", sagte er am Sonntagmorgen bei der Stimmabgabe in seinem Wahllokal im Budapester Stadtteil Zugliget. In der Kampagne hatte Orban behauptet, dass die EU, die UNO und der US-Milliardär George Soros Pläne es verfolgen würden, um Zehntausende Migranten in Ungarn anzusiedeln und das Land zum "Einwanderungsland“ zu machen. Nur wenn er weiterregiere, könne das verhindert werden. Beweise für die angeblichen Pläne legte er nicht vor.

Stimmen werden ausgezählt

APA/AP/MTI/Zsolt Czegledi

Die Auszählung der Stimmen hatte sich wegen des starken Andrangs verzögert

Die Opposition wirft Orban vor, die Demokratie in Ungarn abzubauen. Staatliche Ressourcen und EU-Förderungen würden Orban nahestehenden Oligarchen zugeschanzt. Auch die EU-Antikorruptionsbehörde OLAF ermittelt in zahlreichen mutmaßlichen Missbrauchsfällen in Ungarn. In einen soll sogar Orbans Schwiegersohn verstrickt sein.

Jobbik-Chef tritt zurück

Noch am Wahlabend kündigte Gabor Vona als Vorsitzender der Rechtsaußen-Partei Jobbik seinen Rücktritt an. Der Regierungswechsel sei das Ziel von Jobbik gewesen, was aber nicht gelang, sagte er. Es sei ein „Feiertag der Demokratie“ gewesen, da eine so hohe Wahlbeteiligung erreicht werden konnte. Vona hatte bereits im Vorfeld der Wahl angekündigt, im Falle einer Niederlage zurücktreten zu wollen. Seine Partei, die in jüngerer Zeit ihrer rechtsradikalen Vergangenheit abschwören und sich als gemäßigt konservative Kraft etablieren wollte, hatte bei der Wahl nicht wie erwartet zulegen können.

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