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Keine Hinweise auf Mittäter

Die Ermittler tappen bei dem Motiv für die Todesfahrt eines Deutschen in eine Menschenmenge in der Altstadt von Münster (Nordrhein-Westfalen) noch im Dunklen. „Bislang liegen keine Hinweise auf einen möglichen Hintergrund für die Tat vor. Die Ermittlungen werden mit Hochdruck und in alle Richtungen geführt“, teilte Oberstaatsanwalt Martin Botzenhardt am Sonntag in Münster mit.

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NRW-Innenminister Herbert Reul hatte zuvor gesagt, es spreche nichts dafür, dass es „irgendeinen islamistischen Hintergrund“ gebe. Die Polizei sucht zudem nach weiteren Tätern. Es gebe keine Hinweise, dass noch weitere Verdächtige an dem Verbrechen beteiligt waren - man gehe von der Tat eines Einzeltäters aus, sagte eine Polizeisprecherin am Sonntag. Die Polizei war zunächst Zeugenaussagen nachgegangen, wonach noch zwei Menschen aus dem Auto gesprungen und geflüchtet sein sollten.

Terroristischer Hintergrund wird ausgeschlossen

Ermittler in Münster schließen einen terroristischen Hintergrund aus.

Die Tat sorgte international für Bestürzung, für Sonntagabend ist ein Gedenkgottesdienst geplant. Der Mann war am Samstagnachmittag in der Münsteraner Altstadt mit seinem Fahrzeug in eine Restaurantterrasse gerast. Eine 51-jährige Frau und ein 65-jähriger Mann wurden nach Angaben der Polizei getötet. Der Täter, den die Polizei als 48-Jährigen aus Münster identifizierte, erschoss sich anschließend in dem Wagen. Mehr als 20 Menschen wurden verletzt, einige von ihnen lebensgefährlich.

Feuerwerkskörper und Maschinenpistole

Das Bundeskriminalamt schaltete eine Website für Zeugenhinweise frei. Unter Bka-hinweisportal.de können Videos oder Fotos hochgeladen werden. Das Tatfahrzeug wurde Sonntagfrüh abgeschleppt. Zuvor war es bereits von Experten des Landeskriminalamts untersucht worden, nachdem mehrere verdächtige Drähte entdeckt worden waren. Die Beamten gaben später Entwarnung.

Ort der Attacke

APA/AP/dpa/Stephan R.

Mit einem Kleinlaster raste ein Deutscher am Samstag in eine Menschenmenge

Bei der Durchsuchung des Campingbusses wurden neben der Tatwaffe eine Schreckschusswaffe und rund ein Dutzend Feuerwerkskörper, Polenböller, gefunden. In der Wohnung des Täters entdeckten die Ermittler weitere Knallkörper und eine unbrauchbar gemachte Maschinenpistole.

Keine Hinweise auf politischen Hintergrund

Nach der Durchsuchung der vier Wohnungen des Fahrers gibt es nach Polizeiangaben keine Hinweise auf ein politisches Tatmotiv. „Wir haben seit gestern Nachmittag in der ganzen Nacht die Wohnungen des Täters durchsucht“, sagte der Polizeipräsident von Münster, Hajo Kuhlisch, am Sonntag. Zwei davon lägen in Ostdeutschland, zwei in Münster.

„Die erste, doch schon etwas intensivere Durchsicht hat keinerlei Hinweise auf einen politischen Hintergrund ergeben“, so Kuhlisch. Die Ermittler gingen daher davon aus, „dass die Motive und Ursachen in dem Täter selber liegen“. Das sei ein vorläufiger Stand, betonte Kuhlisch. Etwas endgültig auszuschließen, dauere länger. Auch die Durchsuchung von Fahrzeugen und eines Containers hätten keine Hinweise auf einen politischen Hintergrund ergeben.

„Psychisch auffällig“

Die „Süddeutsche Zeitung“ und der Nord- und Westdeutscher Rundfunk berichteten, der Täter sei in der Vergangenheit „psychisch auffällig“ gewesen. Das ZDF berichtete, der Mann habe vor kurzer Zeit einen Suizidversuch unternommen. Berichte über Kontakte zur rechtsextremen Szene dürften sich nicht erhärtet haben, schreibt die „Bild“ am Sonntag.

Einsatzkräfte

APA/AP/Ferdinand Ostrop

Die Polizei sperrte die Umgebung in Münster ab und ermittelte in „alle Richtungen“

Täter war amtsbekannt

Der Mann war der Polizei bereits wegen kleinerer Delikte bekannt. Es habe drei Verfahren in Münster gegeben und eines in Arnsberg, sagte die Leitende Oberstaatsanwältin von Münster, Elke Adomeit, am Sonntag. Die Verfahren stammten aus den Jahren 2015 und 2016 und seien alle eingestellt worden. Es ging damals um eine Bedrohung, Sachbeschädigung, eine Verkehrsunfallflucht und Betrug.

Der Angriff in der historischen Altstadt von Münster löste einen Großeinsatz von Polizei und Rettungskräften aus, die Innenstadt wurde teilweise abgeriegelt. Sonntagfrüh durften die Anwohner im Sperrbereich rund um den Tatort in Begleitung von Polizisten in ihre Wohnungen zurückkehren.

Gottesdienst am Abend

Die Bundesregierung und eine Reihe von Politikern äußerten sich bestürzt über die Bluttat. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) zeigte sich „zutiefst erschüttert“ über die „schrecklichen Geschehnisse“ in der westfälischen Universitätsstadt. Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier sprach von einer „schweren Gewalttat“ und sprach den Betroffenen sein Beileid aus.

Auch aus dem Ausland kamen Beileidsbekundungen: „Wir trauern mit Münster“, so EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker. Frankreichs Staatschef Emmanuel Macron schrieb auf Twitter: „All meine Gedanken sind bei den Opfern des Angriffs von Münster. Frankreich teilt das Leid Deutschlands.“ Auch die US-Regierung verurteilte die „feige Attacke“ und bekundete ihre Anteilnahme.

Für Sonntagabend ist ein ökumenischer Gottesdienst im St.-Paulus-Dom in Münster geplant. Dabei solle „für all diejenigen gebetet werden, deren Leben durch die Vorfälle am Samstag auf so schreckliche Weise aus den Angeln gehoben wurde“, hieß es in der gemeinsamen Einladung des Bistums, des Evangelischen Kirchenkreises und der Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen in Münster.

Ort des Vorfalls: Kiepenkerl

Der „Kiepenkerl“ ist ein Standbild eines reisenden Händlers aus dem Münsterland im Herzen der historischen Innenstadt von Münster. Er ist ein Wahrzeichen der gut 300.000 Einwohner zählenden Stadt. Die beiden umliegenden Traditionslokale heißen Großer Kiepenkerl und Kleiner Kiepenkerl. Der Platz inmitten enger Altstadtgassen ist ein beliebter Treffpunkt.

Bei gutem Wetter sitzen und stehen dort oft zahlreiche Menschen im Freien, im Winter gibt es ein Weihnachtsdorf. Der „Kiepenkerl“ befindet sich seit 1896 auf dem Spiekerhof - eine Männerfigur mit Tragekorb, Pfeife, Knotenstock und Leinenkittel. Das Denkmal wurde im Zweiten Weltkrieg zerstört, originalgetreu wieder hergestellt und 1953 von Bundespräsident Theodor Heuss eingeweiht.

Die Attacke weckte Erinnerungen an den Anschlag auf den Weihnachtsmarkt vom Berliner Breitscheidplatz am 19. Dezember 2016. Der Tunesier Anis Amri hatte dabei zwölf Menschen getötet und fast 70 weitere verletzt.

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