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„Kinderschutzgesetz“ in Auftrag gegeben

Die Regierung will ein Kopftuchverbot für Mädchen im Volksschul- und Kindergartenalter durchsetzen. Die Ausarbeitung eines entsprechenden „Kinderschutzgesetzes“ wurde am Mittwoch im Ministerrat in Auftrag gegeben. Man wolle damit jeder Entwicklung von Parallelgesellschaften entgegentreten, so Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP).

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Bis zum Beginn der Sommerferien soll das Gesetz ausgearbeitet sein, sagte der mit dem Vorhaben betraute ÖVP-Bildungsminister Heinz Faßmann vor dem Ministerrat. Faßmann will ein Rechtsgutachten für das „Kinderschutzgesetz“ einholen. „Es ist sicherlich eine symbolische Handlung“, sagte Faßmann dazu. Es gehe darum zu signalisieren, dass Österreich ein säkularer Staat sei.

Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) und Vizekanzler Heinz-Christian Strache (FPÖ)

APA/Georg Hochmuth

Bundes- und Vizekanzler wollen mit dem Kopftuchverbot ein Wahlversprechen einlösen

Auch Vizekanzler Heinz-Christian Strache (FPÖ) sagte, es gehe um „Symbole“ und um die „Verhüllung“ an sich. Dabei betonte er bei der Pressekonferenz aber: „Das ist keine Religionsdebatte.“ Es gehe um eine „Kleiderordnung“ und um ein Wahlversprechen, zu dem man stehe. „Das ist uns ein wichtiges Anliegen als Integrationsmaßnahme“, so Strache. Er wolle mit dem Kopftuchverbot „Fehlentwicklungen beim politischen Islam entgegentreten“.

Kurz hofft auf Unterstützung der SPÖ

„Wir wollen, dass alle Mädchen in Österreich die gleichen Entwicklungschancen haben“, so Kurz. Ein „ordentliches Aufwachsen von Mädchen“ soll sichergestellt sein, es sei nur eine von vielen Integrationsmaßnahmen, es dürfe jedenfalls zu keiner Diskriminierung von Mädchen in jungen Jahren kommen. Die Regierung trete deshalb geschlossen gegen die „Verschleierung von Kleinkindern“ ein.

Obwohl der Bundeskanzler bei der Pressekonferenz die vorherige Regierung kritisierte, hofft er beim Thema Kopftuchverbot für Mädchen doch auf die Unterstützung der SPÖ. Denn um ein entsprechendes „Kinderschutzgesetz“ nicht nur in den Volksschulen, sondern auch in den Kindergärten zu beschließen, braucht es eine Verfassungsmehrheit, da für Kindergärten die Bundesländer zuständig sind - und der Bund kann nur per Verfassungsgesetz über die Länder hinweg entscheiden.

Pro und Kontra

Die Regierung will ein Kopftuchverbot für Mädchen in Kindergärten und Grundschulen durchsetzen. Die ZIB2 sammelte Stimmen für und wider den Plan.

SPÖ und NEOS zu Gesprächen bereit

Sowohl die SPÖ als auch NEOS zeigten sich in ersten Stellungnahmen grundsätzlich zu Gesprächen bereit, forderten aber eine breiter aufgestellte Debatte über Integration. „Die SPÖ lehnt es ab, wenn Mädchen im Kindergarten und der Volksschule Kopftuch tragen“, sagte SPÖ-Chef Christian Kern. Aber: „Reale Probleme brauchen konkrete Lösungen, Einzelmaßnahmen alleine lösen nur wenig.“

Kern erinnerte außerdem daran, dass Kurz noch als Integrationsstaatssekretär gefordert hatte, die Integrationsdebatte „nicht auf plumpe Botschaften wie ‚Kopftuch ja oder nein‘“ einzuschränken. Kern forderte daher ein umfassendes „Integrationspaket“ und verlangte von der Regierung, auf Kürzungen bei Integrationsmaßnahmen im Bildungsbereich und beim Integrationsjahr zu verzichten.

Kopftuchverbot: Opposition gesprächsbereit

Die Regierung ist beim geplanten Kopftuchverbot für Mädchen in Kindergärten und Volksschulen auf die Zustimmung von SPÖ oder NEOS angewiesen. Beide Parteien zeigten sich grundsätzlich gesprächsbereit.

Etwas skeptischer reagierte NEOS-Chef Matthias Strolz auf den Vorstoß der Regierung: „Mit Bekleidungsvorschriften und -verboten müssen wir in einer liberalen Demokratie immer vorsichtig sein.“ Den Entwurf der Regierung will er sich dennoch „anschauen“. Weder dürfe es den Zwang zum Kopftuch noch Mobbing gegen Kopftuchträgerinnen geben, so Strolz.

Kimberger kann mit Verbot „etwas anfangen“

„Durchaus etwas anfangen“ kann auch der Vorsitzende der Pflichtschullehrergewerkschaft, Paul Kimberger (FCG), mit einem Kopftuchverbot: „Im Sinne der Kinder und der Liberalität können wir in den Schulen - und zwar bei Lehrerinnen und bei Schülerinnen - gern auf das Kopftuch verzichten“, so Kimberger in der „Presse“ (Mittwoch-Ausgabe). Kimberger würde dieses sogar auf Zehn- bis 14-Jährige ausdehnen.

Probleme mit kopftuchtragenden Schülerinnen habe es bisher allerdings nicht gegeben, räumte er ein. Ausnahme sei der Turnunterricht, wobei auch hier alles „meist eine Frage der Kommunikation“ sei. „Grundsätzlich nichts“ von einem Kopftuchverbot hält dagegen Gemeindebund-Präsident Alfred Riedl. „Und wir diskutieren ein großstädtisches Problem, als hätten wir es im ganzen Land. Wir in den Gemeinden haben dieses Problem einfach nicht.“

Debatte über Kopftuchverbot

ORF-Redakteur Thomas Langpaul analysiert das neue Vorhaben der Regierung zwischen Symbolkraft und rechtlicher Situation.

Keine Daten, wie viele Mädchen Kopftuch tragen

Neben Faßmann sollen Frauenministerin Juliane Bogner-Strauß (ÖVP) und die für Integration zuständige FPÖ-Außenministerin Karin Kneissl beim „Kinderschutzgesetz“ zusammenarbeiten. Unklar ist, ob es auch noch andere Bereiche umfasse als das Tragen eines Kopftuchs. Faßmann kündigte an, man werde bei der Erarbeitung auch die Islamische Glaubensgemeinschaft in Österreich (IGGÖ) einbinden. Laut Theologen sei ein Kopftuch erst ab der Pubertät notwendig, so Faßmann vor dem Ministerrat.

Wie viele junge Mädchen in Österreich tatsächlich Kopftuch tragen, ist nicht bekannt, es gibt dazu keine Erhebungen. Auch Kurz konnte auf Nachfrage keine Zahlen nennen: „Ich kann Ihnen aber sagen, dass es ein zunehmendes Phänomen ist“, so der Bundeskanzler. Für Carla Amina Baghajati (IGGÖ) sei das jedenfalls ein „Randthema“, wie der „Kurier“ berichtete. Eine „Verbotspolitik“ diene dem Kindeswohl dabei nicht: „Es hat sich bewährt, innermuslimisch zu reden“, so Baghajati gegenüber der Tageszeitung.

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