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Mit Mozart einen Krieg „begründen“

Nicht nur wer in Wien Theater machen durfte, bestimmten die Nazis, sondern auch, was gespielt wurde: Grillparzer, Hauptmann und Ibsen waren erwünscht. Hebbel ging manchmal. Schiller und Mozart wurden rückwirkend zu NS-Künstlern erklärt. Und selbst der Kasperl stand ab 1938 im Dienst der Nazis und warb bei Kindern für Antisemitismus, Rassenlehre und Krieg.

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Die Nationalsozialisten hatten sich die Wiener Theater schnell „gefügig“ gemacht. Aber was sollte man nun spielen? Vor allem lag es im Interesse des Regimes, große, anerkannte Werke für sich zu vereinnahmen. Bühnenstücke ebenso wie Opern. Mozart zum Beispiel war Propagandaminister Josef Goebbels ein nationales Anliegen. Bei einer Veranstaltung zu dessen 150. Todestag erklärte Goebbels in Wien: „Mozarts Werk gehört zu jenen Werten, die unsere Soldaten gegen die aus dem Osten anstürmende Barbarei verteidigen.“

Hickhack um Schillers „Wilhelm Tell“

Doch die kulturellen Werte des Nationalsozialismus waren wandlungsfähig. Zu den meistgespielten Stücken des „großdeutschen Reichs“ gehörte lange Zeit Schillers „Wilhelm Tell“. Hitler hatte für das achte Kapitel von „Mein Kampf“ eigenhändig die Überschrift „Der Starke ist am mächtigsten allein“ aus dem „Tell“ gewählt. Zum Geburtstag des Führers am 20. April 1938 wurde das Stück in einer „Festvorstellung“ im Burgtheater mit großem Pomp aufgeführt.

Ankündigung einer KDF-Veranstaltung

Universität Wien/Institut für Theater-Film-und Medienwissenschaften

Hitler verehrte Lehar, und der trat immer wieder im Dienst des Regimes auf - obwohl er mit einer Jüdin verheiratet war

Dann, 1941, wurde das Stück auf persönlichen Wunsch des Führers von den Spielplänen und aus den Unterrichtsplänen der Schulen genommen. Die Frage des moralisch legitimierten Tyrannenmordes, die das Stück behandelt, wollte Hitler 1941 wohl besser nicht mehr aufwerfen.

Grillparzer als „deutscher“ Klassiker

Jeder Wiener Theaterdirektor musste seinen Spielplan für die kommende Saison vorab nach Berlin schicken, um ihn absegnen zu lassen. Listen mit erwünschten und unerwünschten Autoren und Stücken zirkulierten.

Während der sogenannten Reichstheaterfestwochen wurde Wien zum Zentrum nationalsozialistischer Machtdemonstrationen. Reichsdeutsche Bühnen gastierten mit Starschauspielern wie Gustaf Gründgens und Heinrich George in Wien. Im Jänner 1941 fand die „Grillparzerwoche“ statt, wobei streng darauf geachtet wurde, dass der Dichter nicht als österreichischer, sondern als „deutscher“ Klassiker gefeiert wurde.

Reichstheaterfestwochen

ÖNB

Richard Strauss (vor dem Globus), links von ihm Seyß-Inquart. Eröffnung der Ausstellung zur 6. Reichstheaterfestwoche

Im Juni 1942 gab es eine „Hebbelwoche“, im November 1942 die „Hauptmannwoche“ und noch im Juni 1944 - als der Krieg in die verzweifelte Endphase ging - eine „Strausswoche“. Der hochbetagte Richard Strauss ließ sich für diese Veranstaltung vereinnahmen und posierte im Prunksaal der Nationalbibliothek neben Reichsstatthalter Arthur Seyß-Inquart.

Gleichschaltung der Puppenspieler

Um auch an die Jugend zu gelangen, nutzten die Nationalsozialisten unter anderem die Populariät des Praterkasperls, der nun zum deutschen „Kasper“ wurde. Von Wanderbühnen herab brachte er schon den Kleinsten die Ressentiments der Nazis nahe. Das Puppenspiel - und somit auch der Kasperl - unterstand in Wien übrigens wie die „Laienspielpflege“ der NS-Gemeinschaft „Kraft durch Freude“ (KdF). Alle privaten Puppenspielvereine waren im Zuge der Gleichschaltung aufgelöst worden.

„Das Puppenspiel hatte für die Nationalsozialisten großen erzieherischen Wert“, schreibt die Theaterwissenschaftlerin Evelyn Deutsch-Schreiner in ihrer Dissertation zum NS-Theater in Wien. „Es wurde mit Vorliebe bei Kindern in der Schule, in Tagesheimen und Kinderheimen eingesetzt, um spielerisch nationalsozialistisches Gedankengut zu vermitteln“. In den Auftritten des Kasperls sieht Schreiner ein „beliebtes und wirksames Indoktrinationsinstrument vor allem für Kinder“.

Kasperl als Fronthelfer und Botschafter der USA

Aber auch an der Front kam der eingedeutschte Kasper zum Einsatz, war er doch leicht zu transportieren. Vor allem in Lazaretten sollte er den Verwundeten Abwechslung bieten oder, so Deutsch-Schreiner, „Rüstungsarbeitern ein wenig Freude bringen“.

US-Vorführung des Kasperl

ÖNB

American Youth Activities (AYA): Am 19. Jänner 1949 spielt der Kasperl im Auftrag der USA

Nach dem Krieg ging die Propagandaarbeit des Kasper, der nun wieder Kasperl heißen durfte, übrigens nahtlos weiter. Nur dass er die Seiten gewechselt hatte: Im Zuge der „American Youth Activities“ sollte die Handpuppe nun mithelfen, das Verhältnis zwischen Besatzungsmacht und Einheimischen zu verbessern.

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