Warnung von mehreren Seiten
Das Urteil des deutschen Bundesverwaltungsgerichts, Fahrverbote für Diesel grundsätzlich zu ermöglichen, hat scharfe Kritik von Wirtschaftsverbänden und Politikern von Union und FDP hervorgerufen. Sie warnten vor unabsehbaren Belastungen für die Wirtschaft, sollten Dieselfahrzeuge aus deutschen Städten verbannt werden. Vertreter von Umweltverbänden, Linkspartei und Grünen begrüßten hingegen die Entscheidung.
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Der Bundesgeschäftsführer der Deutschen Umwelthilfe (DUH), Jürgen Resch, sprach nach dem Urteil, das Ende Februar getroffen wurde, von einem „ganz großen Tag für saubere Luft in Deutschland“. Nun sei die Autoindustrie in der Pflicht, durch Nachrüstungen an den Fahrzeugen für bessere Luft zu sorgen. Die DUH hatte den Fall mit einer Klage in mehreren Städten ins Rollen gebracht. Die Umweltorganisation Greenpeace sah nun die Städte und Kommunen in der Pflicht: „Besonders belastete Städte müssen jetzt dafür sorgen, dass dreckige Diesel mit ihren giftigen Abgasen draußen bleiben“, so Greenpeace-Sprecher Niklas Schinerl.
Der Chef der Umweltschutzorganisation BUND, Hubert Weiger, bezeichnete das Urteil als „umweltpolitische Ohrfeige für die Bundesregierung“. Nun räche sich, dass Industrie und Regierung die Zeit seit Bekanntwerden des Dieselskandals „nicht zum Gesundheitsschutz der Menschen, sondern vor allem zur Sicherung der Gewinninteressen der Autohersteller verwandt“ hätten.
Polizei will nicht kontrollieren
Die deutsche Polizeigewerkschaft warnte, dass die Polizei keine Möglichkeiten habe, Fahrverbote zu kontrollieren. Es stehe fest, „dass die Kapazitäten niemals ausreichen werden“, sagte der Bundesvorsitzende Rainer Wendt den Zeitungen „Heilbronner Stimme“ und „Mannheimer Morgen“. „Polizeikontrollen für Fahrverbote, vergessen Sie’s.“
Städte können Fahrverbote verhängen
Das Bundesverwaltungsgericht in Deutschland hat beschlossen, dass Städte Fahrverbote für Dieselfahrzeuge verhängen können. Die genaue Umsetzung ist noch unklar.
Wirtschaft besorgt
Bei Wirtschaftsverbänden löste der Richterspruch hingegen große Besorgnis aus. Der Präsident des Zentralverbandes des Deutschen Handwerks (ZDH), Hans Peter Wollseifer, rief die Städte und Gemeinden zu äußerster Zurückhaltung bei der Verhängung von Fahrverboten auf.
Wollseifer kritisierte Fahrverbote als „massive Eingriffe in Eigentumsrechte, in die Mobilität und in die Freiheit beruflicher Betätigung“. Für Handwerksbetriebe kämen Fahrverbote einer Enteignung gleich. „Verursacher des Dieselproblems sind die Autohersteller, nicht wir Handwerker“, so der Handwerkspräsident.
Handel fürchtet um Frequenz in Innenstädten
Der Präsident des Handelsverbands, Josef Sanktjohanser, sagte: „Attraktive Innenstädte brauchen saubere Luft. Aber mit Fahrverboten macht man kaputt, was vielerorts über die letzten Jahre aufgebaut wurde.“ Kunden könnten sich auf Geschäfte auf der „grünen Wiese“ oder den Onlinehandel umorientieren. Die Politik müsse nun Weichen für eine Verkehrswende stellen und etwa neue Antriebsformen stärker fördern. Vorgaben für Belieferungen in der Nacht sollten gelockert werden, um den Verkehr am Tag entzerren zu können.
Der mittelständische Maschinenbauverband VDMA wies auf drohende Probleme für Handwerker und Servicetechniker hin, „die für ihren Beruf auf die Nutzung vorhandener Diesel-Kleintransporter angewiesen sind“. Der Bundesverband Paket und Expresslogistik (BIEK) warnte, Fahrverbote für Diesel würden die „Grundversorgung“ bei der Paketzustellung in Innenstädten „lahmlegen“. Die Unternehmensberatung Ernst & Young erklärte, die Verluste für die mehr als zehn Millionen Dieselbesitzer gingen „in die Milliarden“.
Warnung vor „kalter Enteignung“
Union und FDP griffen die Sorgen der Wirtschaft auf. FDP-Fraktionsvize Michael Theurer sprach von einer „kalten Enteignung durch die Hintertür“. Die Konsequenzen des Urteils könnten „für Berufspendler, Handwerker, Selbstständige und damit den Mittelstand in Deutschland zu einem Alptraum“ werden. Der CDU-Bundestagsabgeordnete Kai Wegner forderte: „Fahrverbote in deutschen Innenstädten müssen mit allen Mitteln verhindert werden. Die großen Städte dürfen nicht lahmgelegt werden.“
Lob bekamen die Leipziger Richter hingegen von Linkspartei und Grünen. Ihr Urteil unterstreiche, „dass die Menschen ein Recht auf Gesundheit und körperliche Unversehrtheit haben“, so Linke-Chef Bernd Riexinger. „Es hat zudem der betrügerischen Autoindustrie und der untätigen Bundesregierung endlich einen spürbaren Tritt vor das Schienbein gegeben.“
Der grüne Bundestagsabgeordnete Stephan Kühn sagte: „Verantwortlich für die künftigen Fahrverbote sind die Autohersteller, die Diesel-Pkws mit überhöhten Abgaswerten produziert haben, und eine Bundesregierung, die die Grenzwerte für Luftschadstoffe seit Jahren ignoriert.“
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