Aus dem Schlamm ins Rampenlicht
Das um wenig Geld in 29 Wochen abgedrehte Südstaatendrama „Mudbound“ ist der Überraschungskandidat der heurigen Oscar-Verleihung. Gleich viermal ist „Mudbound“ nominiert: beste Nebendarstellerin, bester Song, bestes adaptiertes Drehbuch und beste Kamera. Und all diese Nominierungen beruhen auf der Arbeit von Frauen.
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„Mudbound“ (wörtlich übersetzt: „schlammgebunden“) beginnt mit zwei Brüdern die genau damit, mit Schlamm, bedeckt sind. Die beiden stehen vor einer Baumwollfarm und schaufeln das Grab ihres Vaters. Da stößt der Spaten auf einen Schädel, der bereits unter der Erde liegt: „Ein Sklavengrab!“, schreit ein Bruder entsetzt. „Hier können wir Papa nicht begraben.“ Denn Papa war ein Weißer. Und Schwarz und Weiß, so glaubt man hier im tiefen Süden, das darf man nicht vermischen. Mit dieser Einstiegsszene nimmt „Mudbound“ die folgenden zwei Stunden im Grunde schon vorweg. Es geht um Weiß und Schwarz und einen bizarren, menschengemachten Hass.

APA/AP/Netflix/Steve Dietl
Filmszene aus „Mudbound“
Kriegsheimkehr und Ku-Klux-Klan
Im Zentrum des Films stehen zwei Kriegsheimkehrer – einer weiß (Garrett Hedlund), der andere schwarz (Jason Mitchell) –, deren Freundschaft das Schicksal zweier benachbarter Familien umlenken wird. Denn im Staat Mississippi herrschen 1946 auch ganz offiziell noch die Gesetze der Rassentrennung - und der Ku-Klux-Klan hat ein Auge auf Menschen wie diese beiden, die, wenn sie gemeinsam lachen, trinken und rauchen, dagegen verstoßen.
Dabei hat die junge Generation, die im Zentrum des Films steht, eigentlich gar keine Lust mehr auf die Vorurteile der Eltern. Henry McAllen (Jason Clarke), einer der beiden Brüder, die anfangs den Vater begraben, und seine junge Ehefrau (Carey Mulligan) wollen mit ihren Töchtern im Grunde einfach nur friedlich die Farm bestellen. Aber „Mudbound“ erzählt eben auch davon, wie schwer es ist, sich aus dem „Schlamm“ und den Krusten einer Geisteshaltung herauszuarbeiten, wenn diese einen ringsherum umgibt.
Ein Film von starken Frauen
Regie führte die 41-jährige Filmemacherin Dee Rees mit einem ebenfalls stark weiblichen Team. Das Drehbuch beruht auf einer Romanvorlage der bis dato eher unbekannten US-Autorin Hillary Jordan. Die Kamera führte Rachel Morrison, die nun als erste Frau in der Geschichte des Oscars für die beste Kamera nominiert ist. Carey Mulligan spielt die weibliche Hauptrolle. Und die Rapperin Mary J. Blige, die für einen Oscar als beste Nebendarstellerin nominiert ist, könnte außerdem für ihren Titelsong „Mighty River“ ausgezeichnet werden.

APA/AP/Netflix/Steve Dietl
Kamerafrau Rachel Morrison am Set
In den Medien ist der Film aber nicht nur wegen dieses ungewöhnlichen Teams so präsent. „Mudbound“ markiert zugleich auch das Ende des „Netflix-Bannes“. Der Film lief zwar auf verschiedenen Festivals und in ausgewählten Kinos, doch als Kinofilm war er eigentlich nie gedacht. Vielmehr startete er zeitgleich mit seinem Kinoeinsatz auf der Streamingplattform Netflix. Bisher war diese Vorgehensweise ein Ausschlusskriterium für den Oscar. Mit „Mudbound“ hat sich das geändert.
Beeindruckend und bedrückend
Sehenswert ist „Mudbound“ allemal. Nur sollte man sich einen guten Tag zum Anschauen aussuchen, denn dieser Film ist gnadenlos. Hoffnungsschimmer gibt es kaum, und wenn, werden sie bald genug enttäuscht. Harriet Beecher Stowes Roman „Onkel Toms Hütte“ wirkt dagegen beinah wie eine Komödie. Verhinderte Liebesgeschichten, unmögliche Freundschaften, misshandelte Frauen, Männer mit Kriegstraumata und im Finale grausame Folter, „Mudbound“ erspart seinen Figuren - und seinen Zuschauern - nichts.
Wer all das durchhält, ist beeindruckt von der Wucht dieses Dramas, aber auch bedrückt von der allgemeinen Trostlosigkeit. Da hilft zumindest die Freude, dass die, die diesen Film gedreht haben, am 4. März bei der Oscar-Verleihung im Rampenlicht stehen werden. Wenn man in den vergangenen Jahren manchmal den Eindruck hatte, nur rosarote Feel-good-Movies wie „La La Land“ haben bei den Oscars Erfolg, so ist „Mudbound“ der Beweis, dass das nicht stimmt.
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