FPÖ-Politiker sollen koordinieren
Die Historikerkommission, die die Geschichte der FPÖ und des „Dritten Lagers“ aufarbeiten soll, nimmt erste Formen an. Die Leitung der Forschergruppe übernimmt der ehemalige Dritte Nationalratspräsident und ehemalige Dekan der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Universität Wien, Wilhelm Brauneder (FPÖ). Das kündigte die FPÖ am Dienstag bei einer Pressekonferenz an.
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Zunächst soll der 75-jährige emeritierte Professor eine Kommission „völlig unabhängig“ aus einer Liste mit 30 bis 50 Forschern zusammenstellen, sagte FPÖ-Klubobmann Walter Rosenkranz. Es könnten auch Wissenschaftler einbezogen werden, „die man als kritisch gegenüber dem Dritten Lager bezeichnen kann“. So solle auch das Dokumentationsarchiv des Österreichischen Widerstandes (DÖW) „mit seinen Vorbehalten“ eingebunden werden, aber das wolle man Brauneder überlassen, sagte Rosenkranz. „Wir wollen den Prozess nicht im eigenen Saft gestalten.“

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Der ehemalige Dritte Nationalratspräsident Wilhelm Brauneder 2014 vor Burschenschaftern
Das DÖW wäre bereit, an der Aufarbeitung der FPÖ-Geschichte mitzuarbeiten, solange es sich dabei nicht nur um eine Reinwaschung oder eine Feigenblattfunktion handelt, sagte DÖW-Leiter Gerhard Baumgartner in einer ersten Stellungnahme. Aus seiner Sicht sollte die Kommission nach gewissen festgelegten Kriterien arbeiten können. Es müsse um eine ernsthafte, kritische wissenschaftliche Aufarbeitung gehen - Audio dazu in oe1.ORF.at.
Kein Weisungsrecht über Burschenschaften
Anlass für die Aufarbeitung der FPÖ-Vergangenheit ist der Liederbuchskandal in der Burschenschaft Germania zu Wiener Neustadt. Ihr stellvertretender Obmann Udo Landbauer kandidierte als Spitzenkandidat der FPÖ bei der niederösterreichischen Landtagswahl Ende Jänner. Er bestritt zwar, das antisemitische Liedgut, in denen zur Ermordung von Juden aufgerufen wird, zu kennen, trat aber rund eine Woche nach der Wahl von allen politischen Ämtern zurück.
FPÖ präsentiert Historikerkommission
Der ehemalige Dritte Nationalratspräsident Wilhelm Brauneder (FPÖ) soll mit einer Historikerkommission die Geschichte der FPÖ und des „Dritten Lagers“ aufarbeiten.
In erster Linie soll die Historikerkommission die Vergangenheit der FPÖ aufarbeiten. Das „Dritte Lager“, so Rosenkranz, sei größer als die FPÖ und beinhalte auch zahlreiche Vereine, etwa die Burschenschaften. Dabei handle es sich aber um private Vereine, über die die FPÖ kein Weisungsrecht habe, und die somit nicht Teil der Untersuchung sein werden. Ob es überhaupt ausreichend Zugang zu Quellen geben werde, ließ Rosenkranz offen. „Die Wissenschaft soll nicht politisch gelenkt werden.“
Ein erster Zwischenbericht der Historikerkommission soll im Oktober vorliegen, sagte der geschäftsführende Klubobmann der FPÖ, Johann Gudenus. Wann genau es einen Endbericht geben werde, könne nicht abgeschätzt werden, man wolle die wissenschaftliche Arbeit schließlich nicht einengen.
Koordinierungsgruppe von Parteiseite
Von Parteiseite soll neben der Historikerkommission auch eine „Koordinierungsgruppe“ für die „ordnungsgemäße“ Aufarbeitung der Vergangenheit installiert werden, so FPÖ-Generalsekretär Harald Vilimsky. Dieser Gruppe gehören der FPÖ-Ehrenobmann Hilmar Kabas, Volksanwalt Peter Fichtenbauer, die FPÖ-Funktionärin Ursula Stenzel, die Dritte Nationalratspräsidentin Anneliese Kitzmüller, Bundesparteiobmann-Stellvertreter Harald Stefan, Klubdirektor Norbert Nemeth, der Vorarlberger Abgeordnete Rainhard Bösch sowie der freiheitliche Publizist Andreas Mölzer an.

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Vilimsky begründete die Wahl der Mitglieder, von denen die Mehrheit auch Burschenschaften und Mädelschaften angehört, damit, dass die Genannten „ein breites Abbild der Partei“ darstellten - und „nicht im operativen Tagesgeschäft an der Spitze“ stünden. Sie seien allerdings „besonders in die Partei eingebettet“. So sei der ehemalige Europaabgeordnete Mölzer ein „intimer Kenner des Dritten Lagers“.
„Rot-Weiß-Rot-Erklärung“ der FPÖ
Zuvor verlas Vilimsky eine „Rot-Weiß-Rot-Erklärung“, die am Montagabend der Parteivorstand verabschiedet hatte. Darin bekennt sich die FPÖ zu Österreich, zum Parlamentarismus und Europa. „Europa ist uns wichtig, Österreich tragen wir im Herzen. Zu unserer Heimat gehört unsere deutsche Sprach- und Kulturgemeinschaft genauso wie alle autochthonen Minderheiten“, heißt es beispielsweise.

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FPÖ-Klubobmann Rosenkranz (l.) und FPÖ-Generalsekretär Vilimsky stellten eine „Rot-Weiß-Rot-Erklärung“ vor
Außerdem werden in der Erklärung Antisemitismus und Extremismus abgelehnt, aber auch der radikale Islam angeprangert. Diesbezügliche Vorfälle und Äußerungen verurteile die FPÖ „ausdrücklich“. „Die dunklen Kapitel österreichischer Geschichte werden wir nie vergessen und wir erteilen jeglicher Verharmlosung des Nationalsozialismus eine deutliche Absage.“
Kritik an Brauneder als Leiter
Skeptisch zur Historikerkommission äußerte sich SOS Mitmensch. „Die Nominierung von Brauneder als Leiter zeugt von der Angst der FPÖ vor echter Aufarbeitung. Brauneder hat an Veranstaltungen im rechtsextremen Milieu teilgenommen und in der rechtsextremen ‚Aula‘ Texte lanciert“, so Alexander Pollak, Sprecher von SOS Mitmensch. Auch für den Bund sozialdemokratischer Akademiker (BSA) ist dieses Vorgehen „nicht glaubhaft“.
Dennoch werde SOS Mitmensch der Kommission Material über die Verstrickungen der FPÖ in Rechtsextremismus, Rassismus und Antisemitismus zukommen lassen. Zugleich werde aber auch die Öffentlichkeit informiert, sagte Pollak. „Wenn schon die FPÖ-Parteiführung offensichtlich kein Interesse an einer ernsthaften Aufarbeitung hat, wir und viele andere haben es.“
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