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Neue Zielgruppen erschließen

Mit der „Deutschland“, dem Kreuzfahrtschiff aus der ZDF-Serie „Traumschiff“, ist der Urlaub auf See in den 80er Jahren der Inbegriff von Luxus gewesen. Das hat sich inzwischen geändert. Die Kreuzfahrt ist im Urlaubsmainstream angekommen. In den vergangenen Jahren stieg die Nachfrage nach Kreuzfahrten so rasant, dass die Reedereien der Nachfrage fast schon hinterherhinken.

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Allein heuer sollen nach Berechnungen des Branchenmagazins „Seatrade Cruise News“ weltweit noch 16 neue Kreuzfahrtschiffe ablegen, wie die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ („FAZ“) berichtete. Unter den Neuen ist auch die „Symphony of the Seas“ der US-Reederei Royal Carribean Cruises. Das knapp 6.900 Passagiere fassende Schiff wird seine Schwester „Harmony of the Seas“ mit einer Passagierkapazität von knapp 6.400 als größtes Passagierschiff ablösen.

Kreuzfahrschiff  "Symphony of the Seas"

APA/AFP/Loic Venance

Die „Symphony of the Seas“ wird das weltgrößte Passagierschiff mit knapp 6.900 Plätzen für Urlauber

Mit einer ähnlichen Größe wird heuer auch die „Aida Nova“ des deutschen Rivalen Aida mit einem Fassungsvermögen von 6.600 Urlaubenden in See stechen. Die Schiffe werden immer größer, so Branchenexperten. Im vergangenen Jahr wurden zwölf neue Hochseeschiffe in Dienst genommen - sieben von ihnen mit einer Kapazität von mehr als 2.500 Passagieren.

Kapazitätsengpässe bei Werften

Auch TUI, das heuer und im kommenden Jahr jeweils ein weiteres Kreuzfahrtschiff ins Angebot nehmen will, gab nun laut „FAZ“ den Auftrag für ein weiteres Modell mit dem Namen „Mein Schiff 7“. Es soll auf der finnischen Werft Meyer Turku Oy gebaut werden - eine von vier Werften in Europa, die Schiffe in dieser Größenordnung bauen können. Damit würde allein TUI Cruises auf ein Passagiervolumen von 19.000 kommen. Vor 2023 ist aber nicht mit einem Einsatz zu rechnen. Denn die Werften kommen aufgrund der gestiegenen Nachfrage nach neuen Kreuzfahrtschiffen mit der Produktion nicht nach.

Heuer über 27 Mio. Kreuzfahrturlauber erwartet

Ein Nachlassen des Interesses an einem Urlaub auf hoher See ist derzeit nicht zu spüren. Der internationale Kreuzfahrtanbieter-Branchenverband (CLIA) beobachtet einen kontinuierlichen Anstieg der Passagierzahlen schon seit Jahren. Für heuer wird wieder eine fünfprozentige Steigerung im Vergleich zum Vorjahr auf weltweit 27,2 Millionen Passagiere erwartet.

Allein zwischen 2011 und 2016 stieg die internationale Nachfrage nach Kreuzfahrten laut CLIA um über 20 Prozent. International sieht CLIA einen verstärkten Trend zu kühleren Destinationen. So hat etwa Hapag-Lloyd Cruises für die Saison 2019/20 eine 72-tägige Arktis-Umrundung im Programm.

Party statt Kapitänsdinner

Untersuchungen des internationalen Branchenverbands zufolge ist der Boom des Kreuzfahrtsegments auch darauf zurückzuführen, dass immer größere Zielgruppen erschlossen werden. Der Luxus ist eher finanzierbar geworden. Laut dem aktuellen „Cruise Travel Report“ von CLIA würden zunehmend bisherige Einkommens- und Generationenbarrieren durchbrochen. So steige die Zahl der Kreuzfahrturlauber mit niedrigerem Haushaltseinkommen, auch das Interesse der Millennials (Geburtsjahrgänge 1980 bis 2000) wachse. Als Trend ortet der Branchenverband auch verstärkt Kreuzfahrtreisen von Großeltern mit Enkeln - ohne Eltern.

Kartbahn auf Kreuzfahrtschiff

AP/RiMO Supply GmbH

Action auf dem Meer: Zweigeschoßige Kartbahn auf dem Deck eines Kreuzfahrtschiffes

Die Kreuzfahrtbranche versucht ständig, das inhaltliche Angebot anzupassen und den Generationenspagat zu schaffen - von Fitnessprogrammen über Party bis zu Abenteuerangeboten etwa mit eigener zweistöckiger Kartbahn an Deck eines Schiffs der Norwegian Cruise Line. Und neben dem traditionellen Kapitänsdinner ist auch das umfassende Unterhaltungsangebot unumgänglich - laut CLIA eines der am meisten genutzten Angebote an Bord von Kreufahrtschiffen.

Die Anbieter punkten mit unterschiedlichen Themenfahrten, Partys, Shows wie einer eigenen Cirque-du-Soleil-Ausgabe zu hoher See und musikalischem Begleitprogramm mehr oder weniger prominenter Acts. So heuerte selbst die österreichische Band Wanda vor zwei Jahren auf einem Kreuzfahrtschiff an.

Theater auf Kreuzfahrtschiff

Reuters/Cruise Oasis

Shows sind das Um und Auf auf großer Passagierschiffe - oft in eigenen Theatersälen

Touristenmagneten überfordert

Was bleibt, sind die vielfach kritisierten Umweltprobleme, die durch die schwimmenden Urlauberinseln entstehen, und Reiseziele, die durch den plötzlichen Ansturm Tausender Touristen auf einmal überfordert sind. Im vergangenen Sommer erreichten etwa an einem Tag rund 9.000 Touristen aus Kreuzfahrtschiffen das kroatische Dubrovnik. Die Altstadt hat aber laut Experten nur ein Fassungsvermögen von etwa 7.000 zusätzlichen Gästen pro Tag. In Venedig ist die Entscheidung inzwischen gefallen, dass große Passagierschiffe ab 2019 einen Bogen um die Stadt machen müssen und nicht mehr am berühmten Markusplatz vorbeifahren dürfen.

Hohe Schadstoffbelastung

Auch die frische Meeresbrise dürfte nicht immer ganz so rein sein. Erst im vergangenen Jahr berichteten britische Medien unter Berufung auf „verdeckte Ermittlungen“ von Channel 4 von Abgasproblemen mit einer Schadstoffmenge, die selbst Werte großer Städte übertreffe. Die nachgewiesenen Schadstoffpartikel seien so klein, dass sie direkt in den Blutkreislauf gelangen könnten, berichtete der „Guardian“.

Problematisch dabei ist vor allem das Schweröl als billiger Treibstoff in der Kreuzfahrtindustrie mit einem zulässigen Schwefelanteil, der weit über den auf der Straße zulässigen Grenzwerten liegt. Vielleicht setzt hier aber langsam ein Umdenken in der Branche ein. Die heuer an den Start gehende „Aida Nova“ soll als erstes Kreuzfahrtschiff zu 100 Prozent mit dem umweltschonenderen Flüssigerdgas (LNG) betrieben werden.

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