Anne-Frank-Haus als Spiegel
Wo verwandelt sich Gedenken in Kitsch, wo beginnt der Kommerz? Gelten andere Maßstäbe, wenn es um das Erinnern an die Schoah geht, den Massenmord an den Juden durch das Nazi-Regime? Antworten gibt der britische Künstler Simon Fujiwara in seiner Ausstellung im Kunsthaus Bregenz nicht: Dafür macht sein „Hope House“ die Fragen für Besucherinnen und Besucher am eigenen Leib erfahrbar.
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Simon Fujiwara, Kunsthaus Bregenz; Foto: Markus Tretter
Fujiwara hat das Anne-Frank-Haus im Kunsthaus Bregenz nachgebaut - als Gebäude im Gebäude

Kunsthaus Bregenz
Seine Installation erstreckt sich über alle drei Stockwerke des Museums

Simon Fujiwara, Kunsthaus Bregenz; Foto: Markus Tretter
Vor einem Jahr besuchte Fujiwara das Anne-Frank-Haus in Amsterdam - und lernte: So gut wie nichts in dem Haus ist noch im Originalzustand erhalten. Erst nach Erscheinen des Hollywood-Films „Das Tagebuch der Anne Frank“ im Jahr 1959 wurde das Gebäude in ein Museum umgewandelt.

Simon Fujiwara, Kunsthaus Bregenz; Foto: Markus Tretter
In den vergangenen Jahrzehnten wurde das Amsterdamer Haus mehrfach renoviert, um es so authentisch wie möglich zu gestalten. Ein Versuch, den Fujiwara mit seiner Installation durchbricht: In seinem Nachbau finden sich zahlreiche Alltagsgegenstände aus der Gegenwart.

Simon Fujiwara, Kunsthaus Bregenz; Foto: Markus Tretter
„Welche Erfahrungen können Besucher aus dieser Rekonstruktion mitnehmen? Finden wir uns mit tragischen Ereignissen aus der Geschichte konfrontiert oder schauen wir in einen Spiegel, der uns unsere heutige Lebenswelt zeigt - in der nichts mehr so ist, wie es scheint?“, fragt das Begleitheft zur Ausstellung

Simon Fujiwara, Kunsthaus Bregenz; Foto: Markus Tretter
„Das Projekt ist keine Parodie des Kapitalismus, es zeigt den Kapitalismus“, sagt der Künstler über seine Installation. Aber auch: „Sie ist ein Spiegel. Ich weiß nicht, was sie bedeutet.“

Kunsthaus Bregenz/Miro Kuzmanovic
Fujiwara kam 1982 in London als Sohn einer Britin und eines Japaners zur Welt. Mit seiner Ausstellung will er keine Antworten geben, sondern Fragen stellen.

Simon Fujiwara, Kunsthaus Bregenz; Foto: Markus Tretter
„Der Kitsch ist eine spanische Wand, hinter der sich der Tod verbirgt. Noch bevor man uns vergessen wird, werden wir in Kitsch verwandelt. Der Kitsch ist die Umsteigestation zwischen dem Sein und dem Vergessen“, schrieb Milan Kundera 1984 in seinem Roman „Die unerträgliche Leichtigkeit des Seins“. In Fujiwaras „Hope House“ werden diese Sätze greifbar.

Simon Fujiwara, Kunsthaus Bregenz; Foto: Markus Tretter
Das nachgebaute Amsterdamer Haus können Besucherinnen und Besucher von innen und außen betrachten - von der Eingangstür ...

Simon Fujiwara/Dvir Gallery, Tel Aviv; Foto: Elad Sarig
... bis hinauf zum Dachstuhl.

Simon Fujiwara, Kunsthaus Bregenz; Foto: Markus Tretter
Im obersten Geschoß des Museums lässt sich ein Blick durch das Dachfenster des Anne-Frank-Hauses werfen

Simon Fujiwara, Kunsthaus Bregenz; Foto: Markus Tretter
„Anne war ein tolles Mädchen. Hoffentlich wäre sie ein Bieber-Fan gewesen“, schrieb Justin Bieber 2013 nach dem Besuch des Anne-Frank-Hauses in das Gästebuch. In Fujiwaras Kopie des Schlafzimmers von Anne Frank hängt auch ein Bieber-Poster.

Simon Fujiwara/Dvir Gallery, Tel Aviv; Foto: Elad Sarig
Die Vorlage für Fujiwaras Nachbau kommt aus dem Anne-Frank-Haus selbst. Seine Installation basiert auf dem Modell des Hauses, das der Künstler im dortigen Museumsshop gekauft hat. Sie ist Rekonstruktion einer Rekonstruktion, Kopie einer Kopie.

Simon Fujiwara, Kunsthaus Bregenz; Foto: Markus Tretter
Der Direktor des Kunsthauses Bregenz, Thomas D. Drummer, legt die Latte für die Ausstellung hoch. Ihm sei klar gewesen, dass die „Ausstellung Kunstgeschichte machen wird“, sagt er.
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