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Nazi-Lieder auch international Thema

„Das ist ein Aufruf zum Massenmord, der als solcher behandelt werden muss“ - so bezeichnen mehrere Universitätsrektoren und -professoren in einem offenen Brief an Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) das Nazi-Liederbuch der Burschenschaft Germania. Sie fordern von Kurz, die „Zusammenarbeit mit allen, die Mitglieder rechtsextremer Burschenschaften in ihren Büros beschäftigen“, zu beenden.

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Die Textteile „Da trat in ihre Mitte der Jude Ben Gurion: ‚Gebt Gas, ihr alten Germanen, wir schaffen die siebte Million‘“ seien nicht nur „rassistisch, antisemitisch und widerwärtig,“, wie Kurz selbst in einer Aussendung festgestellt habe, sondern ein „Aufruf zum Massenmord“. Man dürfe nicht zuwarten, bis dem verbal ausgedrückten Hass „nicht nur wie bisher vereinzelte Gewalt, sondern wieder flächendeckend Taten folgen“. Kurz trage für Österreich „besondere Verantwortung“.

Unterzeichnet wurde der Brief unter anderem von der Präsidentin der Universitätenkonferenz (uniko), Eva Blimlinger, und ihrem Vorgänger Oliver Vitouch, zahlreichen namhaften Professorinnen und Angehörigen der Universitäten sowie Wissenschaftlern. In dem Brief heißt es weiter: „Die Normalisierung des Rechtsextremismus schreitet in Österreich voran.“ Ohne eine Beendigung der Zusammenarbeit mit allen, „die in rechtsextremen Medien publizieren oder bei rechtsextremen Veranstaltungen auftreten“, wirkten jegliche Reaktionen wie „augenzwinkernde Distanzierungen“.

Kurz für „volle Härte des Gesetzes“

Kurz (ÖVP) selbst wiederholte am Donnerstag seine Forderung nach Aufklärung. Für die Verantwortlichen forderte er die „volle Härte des Gesetzes“. „Es ist gut, dass die Staatsanwaltschaft bereits aktiv geworden ist. Wer für so etwas verantwortlich ist, solche Lieder singt oder diese Inhalte verbreitet, der agiert nicht nur abscheulich antisemitisch und verhetzerisch, sondern macht sich auch strafbar“, sagte Kurz. In der vergangenen Woche hatte Kurz bei seinem Deutschland-Besuch auf Nachfrage, wo für ihn auch in einer Koalition die Grenze nach rechts verlaufe, gesagt: „Die Grenze ist für mich und alle anderen das Strafrecht.“

Kritische Fragen im Europarat

Auch international sorgen die Nazi-Lieder für einigen Wirbel, wie Bundespräsident Alexander Van der Bellen im Europarat in Straßburg zu spüren bekam. Vor der Parlamentarischen Versammlung musste er sich bei seinem Besuch am Donnerstag zahlreiche kritische Fragen wegen der Regierungsbeteiligung der FPÖ anhören. Bereits in seiner Rede vor der Parlamentarischen Versammlung bemühte sich Van der Bellen, Sorgen über die Regierungsbeteiligung der FPÖ zu zerstreuen. Österreich sei auch nach dem Regierungswechsel „klar proeuropäisch“ eingestellt.

Van der Bellen rief dazu auf, die Sorgen, die er bis zu einem gewissen Grad verstehe, „ernst zu nehmen, aber nicht in einen Zustand von Panik“ zu verfallen. Es sei wahr, dass bei einem „der Koalitionspartner xenophobe Tendenzen in der Vergangenheit präsent waren“ und eine sehr kritische Haltung zur EU. Aber „ich würde abwarten, was die Regierung wirklich tut“, sagte der Bundespräsident. Die FPÖ habe „in der Vergangenheit fremdenfeindliche und antieuropäische Positionen vertreten“, das sei aber die „Rhetorik einer Oppositionspartei“ gewesen.

Hoffen auf Zivilgesellschaft

Bereits im Jahr 2000 habe es große Besorgnis in der EU wegen der Regierungsbeteiligung der FPÖ gegeben. Aber wenn man unterscheide „zwischen Rhetorik und den konkreten Maßnahmen, die im Parlament präsentiert wurden“, müsse man sagen: „O. k., das war eine Mitte-rechts-Regierung, aber es wurden keine Menschenrechte verletzt.“ Van der Bellen verwies auch auf seine beschränkten Befugnisse als Bundespräsident in Österreich. Zugleich betonte er, dass die Zivilgesellschaft in Österreich stark sei und der Verfassungsgerichtshof eine „Institution, in die man wirklich vertrauen kann“.

Der Bundespräsident wies schließlich darauf hin, dass die Situation in Österreich keine spezifisch österreichische politische Entwicklung sei. Auch in anderen Ländern Europas gebe es besorgniserregende Entwicklungen, sagte er. Es gebe „keinen europäischen Staat, in dem es nicht auch heute Politikerinnen und Politiker, politische Bewegungen gibt, die ihre Erfolge in der Diffamierung von Menschen, von Minderheiten suchen“. Zum Wahlsieg von ÖVP und FPÖ meinte er: „Das ist normale Demokratie, c’est la vie.“

Ihm sei wichtig zu betonen, dass die weit überwiegende Mehrheit der Österreicher die EU-Mitgliedschaft ihres Landes befürwortet, so Van der Bellen. Er habe auch bei der Regierungsbildung Wert auf ein klares Bekenntnis zu Europa gelegt sowie auf die Einhaltung der Grund- und Freiheitsrechte als „unverhandelbare Grundprinzipien“.

„Das ist nicht Österreich“

Beim Treffen mit dem Generalsekretär des Europarats, Thorbjörn Jagland, hatte Van der Bellen einmal mehr die NS-verherrlichenden Lieder der Burschenschaft Germania kritisiert. Zugleich betonte er: „Das ist nicht Österreich. Der Antisemitismus in Österreich spielt nur für eine verschwindende Minderheit von Personen eine Rolle“, sagte er vor Journalisten. „Und wir müssen dafür sorgen, dass es so bleibt“, so Van der Bellen weiter.

„Natürlich“ müsse er wegen der Causa Landbauer nun hier im Europarat Österreich deshalb verteidigen, sagte der Bundespräsident weiter. Das schmälere aber nicht seine Kritik: „Diese leidige Liederbuch ist inakzeptabel, das ist absolut inakzeptabel, dass das niemand merkt, dass da so ein Buch herumliegt, selbst wenn es nicht gesungen wird.“ „Die betreffenden Personen werden sich zu rechtfertigen haben“, so der Bundespräsident.

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