Themenüberblick

„Stop Victim Shaming“

Über viele Jahre sind Vorwürfe sexueller Belästigung und Misshandlung - wenn überhaupt - meist intern ausgesprochen worden. Heuer änderte sich das: Wenige Monate nach der Wahl von US-Präsident Donald Trump, dem mehrere Frauen sexuelle Belästigung vorwerfen, kam in den USA hier vieles in Bewegung. Auch beim Sport: Wie tief die Kultur sexueller Belästigung verankert ist, zeigt auch die aktuelle Debatte unter Turnerinnen und Betroffenen.

Dieser Artikel ist älter als ein Jahr.

Auch wenn nicht klar ist, ob es einen kausalen Zusammenhang mit Trumps Wahl gibt - die zeitliche Nähe zumindest auffällig ist: In den USA wurden nach jahrzehntelangem Verschweigen die Übergriffe gegen Frauen (und auch Männer) nun in Silicon Valley, in Hollywood, im Kongress und auch im US-Sport ein beherrschendes Thema. Im Wahlkampf war ein Video aufgetaucht, in dem sich Trump mit der sexuellen Belästigung von Frauen brüstet. Mehrere Frauen erhoben zudem konkrete Vorwürfe gegen den nunmehrigen US-Präsidenten.

Fall Nassar als Auslöser

Im US-Sport war es konkret der Fall des jahrzehntelang als Teamarzt der US-Turnerinnen tätigen Larry Nassar, der vieles in Bewegung brachte: Mehr als 150 Frauen klagten Nassar, dieser wurde zu 175 Jahren Haft verurteilt. In den vergangenen Wochen hatten vor allem die Turnerinnen McKayla Maroney und Aly Raisman mit ihren Vorwürfen gegen Nassar viel Widerhall in der Öffentlichkeit gefunden.

Als Raisman auf dem Kurznachrichtenportal Twitter vor „Victim Shaming“ warnte - also davor, die Opfer öffentlich vorzuführen und herunterzumachen - und zu Solidarität aufforderte, löste sie eine Kontroverse in den Sozialen Netzwerken und unter den Sportlerinnen aus.

„Unsere Verantwortung als Frauen“

Denn Raismans frühere US-Teamkollegin Gabby Douglas - so wie Raisman gewann sie 2012 zweimal Gold - antwortete auf Raismans Tweet zunächst, es sei „unsere Verantwortung als Frauen, dass wir uns anständig anziehen und Klasse zeigen“. Douglas’ Antwort, die sie später löschte, wurde im Netz als eine Art Blankoentschuldigung für männliche Belästiger kritisiert.

„Es überrascht mich nicht“

Die Turnerin Simone Biles klinkte sich ebenfalls in die Debatte ein und verteidigte Raisman vehement. Unter dem Tweet von Douglas und der Nachricht von Raisman wandte sie sich an Douglas: „Es schockiert mich, dass ich das sehe, aber es überrascht mich nicht ... Mir ist zum Weinen zumute, wenn ich das sehe, denn als deine Teamkollegin erwartete ich von dir, dass du sie unterstützt. Ich unterstütze dich, Aly, und alle Frauen da draußen! Bleib stark!“

Douglas entschuldigte sich daraufhin und betonte, ihre Aussagen seien missverständlich formuliert gewesen und sie unterstütze alle betroffenen Frauen.

Link: