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FPÖ zieht keine Konsequenzen

In der Causa der Nazi-Lieder der Burschenschaft Germania zu Wiener Neustadt hat die Staatsanwaltschaft Wiener Neustadt ein Ermittlungsverfahren gegen unbekannt wegen des Verstoßes gegen das Verbotsgesetz eingeleitet. Das bestätigte am Mittwoch, einen Tag nach Veröffentlichung des Falls durch den „Falter“, ein Sprecher der Staatsanwaltschaft.

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Wie der „Falter“ am Dienstag vorab berichtete, werden in dem Liederbuch der Burschenschaft der Judenmord und das Nazi-Regime verherrlicht. Wörtlich heißt es dort etwa: „Da trat in ihre Mitte der Jude Ben Gurion: ,Gebt Gas, ihr alten Germanen, wir schaffen die siebte Million’“ und weiter „Da schritt in ihre Mitte ein schlitzäugiger Chines’: ,Auch wir sind Indogermanen und wollen zur Waffen-SS.’“

FPÖ-Spitzenkandidat an Spitze von Burschenschaft

Der Fall hat noch einmal besondere Bedeutung, da der FPÖ-Spitzenkandidat für die niederösterreichische Landtagswahl am Sonntag, Udo Landbauer, bisher stellvertretender Vorsitzender der Germania war. Kurz nach der Veröffentlichung durch den „Falter“ sagte Landbauer noch am Dienstag, er habe seine Mitgliedschaft in der Burschenschaft ruhend gestellt.

Der niederösterreichische FPÖ-Spitzenkandidat Udo Landbauer

APA/Georg Hochmuth

Die FPÖ hält an Landbauer als Spitzenkandidat bei der Landtagswahl in Niederösterreich fest

Landbauer und die Germania distanzierten sich nach der Veröffentlichung der Vorwürfe von dem Text und kündigten eine Untersuchung an. Gegenüber dem „Falter“ sagte ein Sprecher des FPÖ-Politikers, seit Landbauer das Buch kenne, seien die fraglichen Seiten „entweder entfernt oder geschwärzt“ gewesen.

FPÖ sieht „konstruiertes Manöver“

Man lehne „jede Diskriminierung von Religionen zutiefst ab sowie jegliche Art von Antisemitismus“, hieß es Dienstagabend. Das besagte Liederbuch wurde laut der Burschenschaft 1997 gedruckt. Damals sei Landbauer elf Jahre alt gewesen, argumentierte Dienstagabend die FPÖ in mehreren Aussendungen und nahm ihren niederösterreichischen Spitzenkandidaten in Schutz. Die FPÖ Niederösterreich sprach von „Hatz“ und „linkem Scherbengericht“. FPÖ-Klubobmann Johann Gudenus sah am Mittwoch ein „durchsichtiges, konstruiertes Manöver“.

Erst am Sonntag hatte das Nachrichtenmagazin „profil“ berichtet, dass Landbauer im Jahr 2010 - als er bereits Spitzenfunktionär der Freiheitlichen Jugend war und im selben Jahr Stadtrat in Wiener Neustadt wurde - den rechtsextremen Verein Junge Patrioten unterstützt habe. Damals habe er auch ein Liederbüchlein der rechtsextremen Organisation beworben, in dem sich auch Lieder aus der NS-Zeit fanden, so der Bericht. Die FPÖ sah in diesen Vorwürfen ebenfalls „linke Polemik“ im Wahlkampffinale.

Landbauer beklagt „linke Meinungsdiktatur“

„In meiner Anwesenheit sind solche Lieder nie vorgekommen. Ich habeniemals verwerfliche Lieder gesungen“, wiederholte Landbauer am Mittwoch im Ö1-Mittagsjournal. Es sei nie darüber gesprochen worden, und er hätte das auch nicht toleriert. Landbauer wies auch Kritik an seiner Unterstützung für die Jungen Patrioten sowie an seinen Kontakten zur einschlägigen Zeitschrift „Aula“ zurück.

Der „Falter“ und das Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes (DÖW) seien für ihn im Übrigen „nicht der Maßstab“, was man singen und sagen dürfe oder was rechtsextrem sei, so Landbauer. In der „Aula“ sehe er keinen Antisemitismus. „Ich lass mir nicht von einer linken Meinungsdiktatur vorgeben, was denn böse und was denn gut sei.“ Und: „Ich werde mir auch nicht nehmen lassen, ‚O Tannenbaum‘ oder ‚Stille Nacht‘ zu singen.“

Strache nimmt Landbauer in Schutz

Am Mittwoch sah auch Vizekanzler und FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache keine Notwendigkeit für Konsequenzen. Landbauer habe ihm versichert, dass er die Texte nicht gekannt habe, sagte Strache. Die Liedtexte seien „von wem auch immer“ erzeugt worden. Es handle sich um ein „wirklich widerliches und antisemitisches Lied“, derartige Texte hätten in unserer Gesellschaft nichts verloren, sagte der FPÖ-Obmann.

Vizekanzler Heinz-Christian Strache

APA/Georg Hochmuth

Strache glaubt Landbauer

Auf die Frage, ob nun - knapp vor der Landtagswahl - angesichts von Rücktrittsforderungen Konsequenzen nötig seien, sagte der Vizekanzler, Landbauer habe die Sache „sehr deutlich klargestellt“ und selbst Aufklärung gefordert. Für den Text trage er keine Verantwortung. Komme es zu derartigen Vorfällen, sei das „schärfstens zu verurteilen“.

„Burschenschaften haben nichts mit FPÖ zu tun“

„Burschenschaften haben nichts mit der FPÖ zu tun“, sagte Strache. Freilich sind 18 der 51 FPÖ-Mandatare im Nationalrat Mitglieder einer deutschnationalen Burschenschaft. Und die FPÖ Wien richtet heuer zum fünften Mal den Wiener Akademikerball aus, der in den Jahrzehnten zuvor als Wiener Korporationsball von farbentragenden und mehrheitlich schlagenden Hochschulkorporationen veranstaltet wurde.

Auch FPÖ-Außenministerin Karin Kneissl bezeichnete die aktuellen Vorkommnisse als „äußerst bedauerlich“ und sprach sich für Aufklärung und Distanzierung aus. Konsequenzen zu fordern, das sei aber als unabhängige Außenministerin nicht ihre Aufgabe, sie sehe sich „nicht legitimiert, irgendetwas zu kommentieren“. Landbauer sei FPÖ-Spitzenkandidat bei der niederösterreichischen Landtagswahl, das sei keine bundespolitische Angelegenheit. Die Angelegenheit verurteile sie aber „aufs Schärfste“.

Keine Kritik an FPÖ von ÖVP

Verurteilt wurden die antisemitischen Zeilen auch vom Koalitionspartner der FPÖ. Der Text sei „absolut indiskutabel“, sagte Kanzleramtsminister Gernot Blümel (ÖVP) am Mittwoch. Er forderte ebenfalls Aufklärung. Die Verantwortlichen sollten zur Verantwortung gezogen werden. Danach gefragt, ob damit dem Ansehen der Regierung im Ausland geschadet werde, meinte Blümel, er sei nun einige Male in Brüssel und Straßburg gewesen, und dort würden die Inhalte des Koalitionsübereinkommens gut aufgenommen.

Auch Landwirtschaftsministerin Elisabeth Köstinger (ÖVP) sagte, dass kein Platz für derartiges Gedankengut sein dürfe. Am Dienstagabend hatte Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) auf Twitter die Liedtexte als „rassistisch, antisemitisch und absolut widerwärtig“ bezeichnet und ebenfalls „volle Aufklärung“ gefordert. Kritik in Richtung des Koalitonspartners blieb bisher aber vonseiten der Bundes-ÖVP aus.

Mikl-Leitner: Aufklärung als Bedingung

Niederösterreichs Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) bezeichnete die Vorwürfe als „schwer“. Sie erwarte sich „nicht nur Aufklärung, sondern auch klare Distanzierung. Wenn ich an die Zukunft der niederösterreichischen Landesregierung denke, dann muss es Klarheit über die Vergangenheit geben“, so Mikl-Leitner.

Wer in die Regierung komme, liege in der Hand der Wähler, sie strebe ein Arbeitsübereinkommen mit allen in der Regierung vertretenen Parteien an. „Bevor aber über ein Arbeitsübereinkommen verhandelt wird, müssen diese schwerwiegenden Vorwürfe restlos aufgeklärt werden“, sagte die ÖVP-Spitzenkandidatin.

SPÖ fordert Konsequenzen

Stärker fiel die Reaktion der SPÖ aus: Noch am Dienstag meldete sich Parteichef Christian Kern auf Twitter zu Wort und kritisierte: „Während Landbauer/FPÖ im Verdacht der Verhetzung und Wiederbetätigung steht, teilt Strache Landbauers Werbevideo auf FB.“ „Diesmal geht sich ‚da war ich ja noch gar nicht auf der Welt‘ nicht mehr aus“, so Kern weiter.

In einer Pressekonferenz am Mittwoch forderte der niederösterreichische SPÖ-Landesgeschäftsführer Reinhard Hundsmüller Konsequenzen. Man wolle zwar keine „bombastischen“ Rücktrittsforderungen an den FPÖ-Spitzenkandidaten stellen, aber „wenn man ein durchschnittlicher rechtstreuer Österreicher ist, weiß man, was man zu tun hat“ - mehr dazu in noe.ORF.at. Dezidiert den Rücktritt forderte bereits am Dienstag die niederösterreichische Spitzenkandidatin von NEOS, Indra Collini.

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