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Gesprächsklima „ausgesprochen amikal“

FPÖ-Außenministerin Karin Kneissl hat sich bei einer Visite am Dienstag in Rom nach eigenen Angaben keine Kritik von Italien wegen der umstrittenen Pläne zur Vergabe einer Doppelstaatsbürgerschaft an die Südtiroler anhören müssen. Das Gesprächsklima sei „ausgesprochen amikal“ gewesen, betonte Kneissl nach dem Treffen mit ihrem italienischen Amtskollegen Angelino Alfano vor Journalisten.

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Sie habe das Thema selbst „aktiv eingebracht“, betonte die Außenministerin bei einer Pressekonferenz im italienischen Außenministerium. Bis zum tatsächlichen Angebot der österreichischen Staatsbürgerschaft an die deutsch- und ladinischsprachige Bevölkerung sei es aber „noch ein langer rechtstechnischer Weg“.

Der italienische Außenminister Angelino Alfano

APA/AFP/Alberto Pizzoli

Alfano habe beim Thema Migration „unterschiedliche Ansichten“, so Kneissl

Kneissl kündigte die Einrichtung „einer interministeriellen Arbeitsgruppe“ an, die sich mit der Frage der Doppelstaatsbürgerschaft auseinandersetzen soll. Dieser sollen laut Außenministerium Beamte des Außen- und Innenministeriums sowie Experten angehören. Alles solle aber „immer im Austausch mit Italien gemacht werden“, betonte Kneissl. Sie sprach vom „europäischen Geist“, in dem auch Auslandsösterreichern in Großbritannien nach dem „Brexit“ die Möglichkeit einer Doppelstaatsbürgerschaft eröffnet werden solle.

Italien bleibt auf „historischer Position“

Alfano äußerte sich zurückhaltend zu dem Thema, das vor Weihnachten für Aufregung und Kritik in Italien gesorgt hatte. Man habe „gegenseitig die Standpunkte dargelegt“. Italiens Position sei „die historische Position, wie sie immer war“, nämlich, dass man das Gruber-Degasperi-Abkommen voll anerkenne. Wichtig für Italien sei außerdem, dass - wie Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) und Kneissl betont hätten - „wir zwei Staaten sind, die diskutieren, und es keine unilateralen Schritte gibt“, so der italienische Chefdiplomat. Auch Alfano lobt das „sehr positive und offene Gespräch“ mit Kneissl und zeigte sich zuversichtlich, dass die guten Beziehungen zwischen Italien und Österreich noch weiter verbessert werden könnten.

Keine Bewegung bei EU-Umverteilungsprogramm

In Bezug auf das strittige Thema Flüchtlinge, bei dem Italien seit Jahren vergeblich auf eine Entlastung durch die Übernahme von Flüchtlingen im Rahmen des EU-Umverteilungsprogramms wartet, gab es keine Bewegung. Die österreichische Position sei unverändert, Italien hoffe daher weiterhin auf Fortschritte auf europäischer Ebene, so Alfano, der die Erhöhung der österreichischen Beiträge für den Afrikafonds lobte. Kneissl wiederum lobte das Engagement Italiens in Afrika. Sie wolle „Respekt zollen für das, was Italien auf dem afrikanischen Kontinent leistet“.

Kneissl auf Antrittsbesuch in Rom

Außenministerin Karin Kneissl bleibt dabei: Die Doppelstaatsbürgerschaft für Südtiroler soll kommen.

Die SPÖ kritisierte am Dienstag die Pläne der Regierung zur Doppelstaatsbürgerschaft als „kontraproduktive Retro-Idee“. Der Doppelpass nütze „dem Zusammenleben der Südtiroler in keiner Weise“, so SPÖ-Südtirol-Sprecher Hermann Krist in einer Aussendung. „Sie gefährdet damit zudem unnötig die guten Beziehungen zwischen Österreich und Italien“, hieß es weiter.

Doppelpass nur für bestimmte Gruppen?

Keine weiteren Stellungnahmen gab es unterdessen dazu, wer genau für die Doppelstaatsbürgerschaft infrage komme. Im Regierungsabkommen heißt es, man wolle „den Angehörigen der Volksgruppen deutscher und ladinischer Muttersprache in Südtirol“ den Erwerb der österreichischen Staatsbürgerschaft ermöglichen. Österreich habe als Schutzmacht in Bezug auf die dynamische Fortentwicklung des Minderheitenschutzes die völkerrechtlich verankerte Verantwortung, sich einzubringen, sagte Kneissl im Vorfeld - auch wenn das der Südtiroler Landesregierung nicht gefällt.

Die Südtiroler Parlamentariern Michaela Biancofiore kritisiert Kneissl deshalb. „Es ist offenkundig, dass Österreich Südtirol zurückhaben will, und es missachtet dabei die internationalen Abkommen“, klagte Biancofiore in einer Presseaussendung. „Die Gefahr ist, dass das Zusammenleben der Sprachgruppen in Südtirol, das mit Mühe erreicht worden ist, aufs Spiel gesetzt wird und die Südtiroler Gesellschaft zutiefst spaltet.“

Der südtiroler Landeshauptmann Arno Kompatscher

APA/EXPA/Groder

Der Südtiroler Landeshauptmann Kompatscher schlug vor, alle Südtiroler in das Doppelpassvorhaben miteinzubeziehen

Den jüngsten Vorschlag des Südtiroler Landeshauptmanns Arno Kompatscher, darüber nachzudenken, auch die Nachkommen italienischsprachiger Altösterreicher oder überhaupt alle Südtiroler einzubeziehen, hatte Kneissl bisher nicht kommentiert. Sie sagte vor der Pressekonferenz knapp: „Das ist ein Vorschlag. Was Landeshauptleute hier oder dort sagen, da sehe ich keinen Mehrwert, dass ich das jetzt kommentiere“, so Kneissl.

„Volksgruppenzugehörigkeit ist Willenserklärung“

Obwohl die Mehrheit der Südtiroler Deutsch spricht, heiße das nicht, dass sie sich auch als Österreicher fühlen, so Kompatscher. Bei der Volkszählung 2011 erklärten sich 314.604 von 505.067 Bewohnern Südtirols der deutschen Sprachgruppe zugehörig und 20.548 der ladinischen. Doch fast 170.000 Bewohner Südtirols hätten - dem österreichischen Vorhaben zufolge - keine Chance auf einen österreichischen Pass. 118.120 Bewohner der Provinz deklarierten sich nämlich als Italiener, 51.795 als „andere“. Rund 47.000 ausländische Staatsbürger leben in Südtirol, wobei pro Jahr etwa 3.000 Ausländer die italienische Staatsbürgerschaft erhalten.

Karte von Südtirol und Eckdaten der Region

Grafik: APA/ORF.at; Quelle: APA/ Südtirol in Zahlen

Kompatscher erläuterte, dass die geltende Sprachgruppenfeststellung keine Rückschlüsse auf die tatsächliche Volksgruppenzugehörigkeit erlaube. Das sei „keine Wahrheitserklärung, sondern eine Willenserklärung“, so Kompatscher. Mit der Aussicht auf den österreichischen Pass könnte nun vielleicht noch ein weiterer Motivationsfaktor hinzukommen, sich zur deutschen Sprachgruppe zu bekennen.

Attraktivität Österreichs überschätzt?

Doch bezieht sich die deutsche Sprache in diesem Fall nicht unbedingt auch auf die Republik Österreich. Statistische Daten legen nämlich nahe, dass die Attraktivität Österreichs für Südtiroler möglicherweise überschätzt wird. So ist Österreich trotz der vielen gebotenen Vergünstigungen gar nicht einmal das beliebteste Auswanderungsland für Südtiroler. 14.000 von 40.000 Auslandssüdtirolern leben nach Angaben des italienischen Innenministeriums in Deutschland, „nur“ 10.000 in Österreich und 7.000 in der Schweiz. An der Spitze liegt Österreich dagegen bei einer anderen Zahl, nämlich bei den im Ausland geborenen italienischen Staatsbürgern, die in Südtirol wohnen: 20,1 Prozent von ihnen haben einen Geburtsort in Österreich. Wie viele davon jetzt schon einen Doppelpass haben, ist nicht überliefert.

Der Europarechtler Walter Obwexer warnte davor, dass der Doppelpass auch zum Bumerang für Österreich werden könnte, das sich international als Schutzmacht für die Südtiroler präsentiert. Sollten nur wenige deutsch- und ladinischsprachige Südtiroler den österreichischen Pass zusätzlich zum italienischen annehmen, könnte Rom argumentieren, dass die besondere Beziehung der Südtiroler zu Österreich nicht mehr gegeben sei. „Rechtspolitisch könnte man diesem Argument nur schwer entgegentreten“, so der Experte.

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