Folgen schwerer und langwieriger
Möglicherweise werden die Umweltfolgen nach dem Tankerunglück im Ostchinesischen Meer weit größer sein als bisher angenommen. Die „Sanchi“ war nach dem Zusammenstoß mit einem Frachter in Brand geraten und hatte tagelang gebrannt. Nach mehreren Explosionen sank das iranische Schiff, das neben Schweröl auch 136.000 Tonnen Ölkondensat transportierte. Dieses gilt als besonders schädlich.
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Die chinesischen Behörden beteuerten bald nach Sinken der „Sanchi“, dass die Umweltauswirkungen durch das austretende Leichtöl begrenzt seien. Ein Vertreter der chinesischen Meeresbehörde sagte dem Staatssender CCTV, das Leichtöl an Bord der „Sanchi“ habe „weniger Auswirkungen auf das Meer“ als andere Ölarten. Für den Menschen seien ohnehin nur minimale Auswirkungen zu befürchten, da der Tanker so weit von der Küste entfernt sei.
Tiere in Gefahr
Wissenschaftler widersprechen dieser Darstellung allerdings vehement und befürchten eine Umweltkatastrophe von historischem Ausmaß. Anders als Rohöl bildet Ölkondensat keinen Teppich auf der Meeresoberfläche, sondern erzeugt unter Wasser eine giftige Säule aus Kohlenwasserstoffen, die von der Meeresoberfläche aus nicht zu sehen ist. Das sagte der Biologe und US-Berater für Ölkatastrophen, Richard Steiner, gegenüber Reuters.
Für die Wale, Seevögel, Fische und das Plankton im Ostchinesischen Meer bedeute das Lebensgefahr, betonte Steiner, der ein Beratungsunternehmen für Umwelt und Nachhaltigkeit betreibt. Darüber hinaus könne das Unglück bei den Tieren chronische Krankheiten verursachen oder ihre Fortpflanzung hemmen. Auch Fischeier und -larven seien sicherlich den giftigen Bestandteilen ausgesetzt.

Grafik: APA/ORF.at
Selbst wenn die „giftige Phase“ des Tankerunglücks nach wenigen Monaten beendet sei, könnten die Auswirkungen auf die Umwelt „viel länger“ dauern, warnte Steiner. Da aber niemand die Umweltauswirkungen wissenschaftlich untersuche, „werden die Regierungen und Schiffseigner wahrscheinlich zu Unrecht behaupten, dass der Schaden nur begrenzt ist“.
Wohl alle Tanks defekt
Seines Wissens sei noch nie soviel Ölkondensat - ein besonders hochwertiges Leichtöl - auf einen Schlag in die Umwelt gelangt, so Steiner. Ihm sei kein Fall bekannt, bei dem mehr als 1.000 Tonnen Kondensat ins Meer gelangt seien. Bei den meisten Fällen sei es sogar weniger als eine Tonne gewesen.

AP/John Gaps III
Ölteppich nach dem Unfall der „Exxon Valdez“: Das Gebiet wurde zum Tierfriedhof
Angesichts des nach tagelangem Feuer und mehreren Explosionen schlechten Zustands der „Sanchi“ ging der US-Experte davon aus, „dass keiner der Frachträume und Treibstofftanks intakt ist und daher das komplette Kondensat und der Treibstoff ausgelaufen sind“. Selbst wenn nur 20 Prozent der Ladung ins Meer gelangt seien, entspräche das in etwa der Menge an Rohöl, die bei der Havarie des Öltankers „Exxon Valdez“ 1989 vor Alaska ausgelaufen sei, sagte Steiner.
„Exxon Valdez“ als mahnendes Beispiel
Die „Exxon Valdez“ war auf ein Riff aufgelaufen, der Ölteppich nach dem Unfall machte den Prince-William-Sund zum Tierfriedhof. Mindestens 250.000 Seevögel verendeten, zudem starben 2.800 Otter, 300 Seehunde und 22 Schwertwale. Die Ölpest verunreinigte die Küste auf einer Länge von 2.000 Kilometer. Trotz aufwendiger Reinigungsarbeiten hat sich das empfindliche Ökosystem bis heute nur oberflächlich erholt. Die Havarie der „Exxon Valdez“ gilt als bisher teuerste Öltankerkatastrophe: Die Reinigungskosten allein summierten sich auf 2,5 Milliarden Dollar (1,88 Mrd. Euro), insgesamt betrugen die Kosten bisher sieben Milliarden Dollar (5,26 Mrd. Euro).
Die „Sanchi“ sank am Sonntag, bevor die Ölladung komplett verbrannt war- Das war für den Leiter des Pekinger Instituts für Öffentliche und Umweltangelegenheiten, Ma Jun, das Schlimmste, was nach der Havarie passieren konnte. „Das Ölkondensat ist für alle Meereslebewesen besonders giftig“, sagte Ma der Zeitung „Global Times“.
Wichtiger Laichplatz
Gegenüber dem „Guardian“ warnte Dave Tickner von der Naturschutzorganisation World Wide Fund for Nature (WWF): „Die Folgen einer solchen Katastrophe für die Umwelt könnten schlimmer nicht sein.“ Wenn sich das Öl bis zur Flussmündung des Jangtsekiang, des längsten Flusses Chinas, ausbreite, sei mit schwerwiegenden Konsequenzen für die dort ansässigen Tiere zu rechnen. „Wir müssen dringend Maßnahmen ergreifen, um die Verschmutzung zu beseitigen und sicherzustellen, dass die Folgen für die Umwelt begrenzt sind.“
Laut Greenpeace ist das Gebiet ein wichtiger Laichplatz für Fische. Zudem gebe es dort viele Meeressäugetiere wie den Buckelwal und den Grauwal. Nach Angaben der staatlichen chinesischen „People’s Daily“ ist der Ölteppich 18,5 Kilometer lang und bis zu siebeneinhalb Kilometer breit. Laut CCTV konnte das Feuer an der Unglücksstelle am Montag gelöscht werden. Zwei Schiffe versprühten Chemikalien, um den Ölteppich aufzulösen. Bei dem Unfall dürften alle 32 Besatzungsmitglieder - 30 Iraner und zwei Bangladescher - ums Leben gekommen sein.
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