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Familien-Sitcom polarisiert

Während sich das rechte Spektrum freut, durch die Figur der Roseanne demnächst im Vorabendprogramm repräsentiert zu sein, trommeln Trump-Gegner zum Boykott der Show. Unter dem Hashtag „#BoycottRoseanne“ fordern sie den Sender ABC zum Absetzen der zehnten Staffel von „Roseanne“ auf, bevor auch nur eine einzige Folge zu sehen war.

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Auf dem Kurznachrichtendienst Twitter tobt derzeit ein amerikanischer Bürgerkrieg. Und US-Präsident Donald Trump ist nicht der Einzige, der scharf schießt. Auch die 65-jährige Komikerin Roseanne Barr hat in den letzten Jahren immer wieder politisch fragwürdige Statements in die Welt gesetzt, schnell, unbedacht und impulsiv. Sei es, dass sie Großbritannien aufforderte, das vermeintlich antisemitische Irland einzugemeinden („Give Ireland back to the British too“), sei es, dass sie die Adresse eines amerikanischen Straftäters öffentlich machte und so dessen Nachbarn indirekt zur Lynchjustiz aufrief.

John Goodman und Roseanne Barr

picturedesk.com/Mary Evans/Ronald Grant Archive

Roseanne Barr und John Goodman während der ersten Phase der Serie in den Jahren 1988 bis 1997

All diese kontroversiellen, oft auch islamkritischen Tweets, die sich auf „@TheRealRoseanne“ in den letzten Jahren angesammelt hatten, verschwanden allerdings just zu Weihnachten aus dem Verlauf. Genau zu jener Zeit also, als Barr begann, für ABC die zehnte Staffel ihrer Serie „Roseanne“ zu bewerben. Kritiker halten das für pures Kalkül, einen Versuch, das Image der Darstellerin geradezurücken.

Roseanne als prototypischer Trump-Fan

Die Neigung zum impulsiven Twittern teilt Barr jedenfalls mit US-Präsident Trump - und nicht nur das. In Interviews äußerte sich der Star immer wieder positiv über Trump, was der wiederum stolz im Netz teilte. „Danke, Roseanne, ich weiß das zu schätzen“, twitterte Trump etwa im Juni 2016, als Barr im Branchenblatt „The Hollywood Reporter“ meinte, die Amerikaner könnten sich glücklich schätzen, sollte Trump zum Präsidenten gewählt werden.

Und Trump musste Barr tatsächlich dankbar sein, war sie doch einer der wenigen Stars aus der Film- und Fernsehbranche, die sich zu ihm bekannten. Ihre Solidaritätsbekundung bedeutete einen Coup für den damaligen Bewerber um die republikanische Präsidentschaftskandidatur, zumal Barrs Kunstfigur Roseanne daherkam wie die perfekte Verkörperung seiner Anhängerschaft: eine Angehörige der Arbeiterklasse, konservativ und misstrauisch gegenüber Intellektuellen. Eine Ehefrau, Kellnerin und dreifache Mutter. Selbstbewusst, großmäulig, eine Frau aus dem Volk, die lieber mit einer Packung Chips auf dem Sofa sitzt und fernsieht, als Zeitung zu lesen - und dennoch alles besser weiß als die angeblich Klugen und Mächtigen der Welt.

„Roseanne“

Produziert zwischen 1988 und 1997 vom US-Sender ABC, gehört „Roseanne“ zu den erfolgreichsten Serien der 1990er Jahre. Zwischen Einbauküche und Fernsehcouch behandelt die Sitcom die Probleme der Familie Connor, bestehend aus dem übergewichtigen Elternpaar Dan (John Goodman) und Roseanne (Barr) und ihren Kindern Becky (Alicia Goranson/Sarah Chalke), Darlene (Sara Gilbert) und David alias D. J. (Michael Fishman). Die Biografie von Darstellerin, Drehbuchautorin und Produzentin Barr ähnelt der ihrer Kunstfigur: In jungen Jahren lebte sie als Kellnerin und Schaufensterdekorateurin ebenfalls am Rande des Existenzminimums.

Von der grünen Liste ins Camp Trump

Trotzdem kam die Solidaritätsbekundung Barrs für den Politiker Trump für viele überraschend. Denn im Jahr 2012 hatte die Komikerin selbst für das Präsidentenamt kandidiert. Und zwar nicht auf einem Ticket der Republikaner, sondern zunächst auf einer grün-alternativen Liste, später, nach einem Eklat mit einer Parteikollegin, für die Peace and Freedom Party, in deren Namen sie unter anderem die Legalisierung von Cannabis gefordert hatte.

Ihren eigenen Wahlkampf hatte Barr damals auf Anraten des befreundeten, linksliberalen Dokumentarfilmers Michael Moore gefilmt und unter dem Titel „Roseanne for President!“ in die US-Kinos gebracht. In diesem Film wetterte Barr unter anderem gegen den Klimawandel und forderte die Menschen auf, weniger Fleisch und dafür mehr Nüsse zu essen, um die Erderwärmung zu stoppen. Ob solche Ansagen ernst gemeint oder eher ein selbstironischer Spaß der Komikerin waren, die auf Hawaii auch eine 18 Hektar große Macadamia-Nuss-Farm betreibt, ist im Nachhinein schwer einzuschätzen. Zumindest klangen ihre damaligen Pläne noch nicht nach der Politik Trumps.

Nachdem Barr 2012 in einer Vorwahl aus dem politischen Rennen ausgeschieden war, wurde es ruhiger um die Komikerin. Sie wurde zu Gastauftritten in Serien wie „Die Nanny“ und „General Hospital“ eingeladen. In den Klatschmagazinen machte sie mit einer Reihe von Schönheits-OPs, die sie an sich durchführen ließ, von sich reden, in seriöseren Medien mit seltsamen und widersprüchlichen politischen Aussagen.

Plumper NS-Vergleich und das F-Wort

In einem Videointerview auf der Plattform The Rubin Report bezeichnete sie sich selbst im August 2016 als „alte Sozialistin“, die den „Vampir-Kapitalismus“ bereits auf dem „Totenbett“ liegen sähe. Anschließend zog sie dort einen kruden Vergleich zwischen Kapitalismus und Nationalsozialismus, in beiden Systemen müsse man erst Steuern einzahlen und werde anschließend für Schule und Gesundheitsversorgung nochmal zur Kasse gebeten (siehe Link unten, bei Minute 2:20). Vor der Kamera wirkt die Komikerin dabei unkonzentriert und spricht mit schwerer Zunge, so als sei sie angetrunken. In jedem dritten Satz sagt sie „fucking“ und irritiert den Interviewer mit zusammenhanglosen Monologen.

Trotz solcher Vorkommnisse soll Barr zum Start der neuen Staffel von „Roseanne“ am 27. März 2018 wieder ans Licht einer größeren Öffentlichkeit geholt werden - und es ist fraglich, ob sich der zum Disney-Konzern gehörende Sender ABC damit einen Gefallen tut. Vielleicht war es zunächst ja wirklich nur als Marketingmasche gedacht, dass sich die echte Roseanne Barr, wie ihre Filmfigur, in Interviews zu Trump und seiner Politik bekennen sollte - doch der Dreh geriet schnell außer Kontrolle.

„Die Arbeiterklasse hat Trump zu seinem Wahlsieg verholfen, darum finde ich meine Darstellung lebensgetreu. Die Politik spaltet momentan viele Familien, was so weit gehen kann, dass Verwandte sich gegenseitig hassen, nur weil sie unterschiedlich gewählt haben“, wurde Barr etwa im „Hollywood Reporter“ zitiert, um anschließend zu betonen: „Das kommt mir ziemlich unamerikanisch vor.“

Hashtag „#BoycottRoseanne“

In der Serienhandlung gerät Barrs Figur in einen Streit mit ihrer Filmschwester Jackie, die für Hillary Clinton gestimmt und in einer rosafarbenen „Pussy-Mütze“ am Women’s March teilgenommen hat. Laut Bruce Helfort, einem der ausführenden Produzenten, soll es bereits innerhalb des Drehbuchteams jede Menge Diskussionen über die politischen Zuschreibungen für altbekannte Seriencharaktere gegeben haben. Man sei darum bemüht gewesen, die Figuren stimmig zu gestalten. Eine politische Agenda habe man dabei aber nicht verfolgt.

Nun scheint es aber, als habe sich der Sender mit seinem Versuch, die Trump-Supporter gezielt als Publikum anzusprechen, geschadet. Unter dem Hashtag „#BoycottRoseanne“ gibt es bereits zahlreiche Aufrufe, die Serie zu boykottieren. „Roseanne Barr ist schon lange ein Teil von Alt-Right“, schrieb etwa ein Twitter-User. „Sie hat eine lange, gut dokumentierte Geschichte von Rassismus und Homophobie.“

Da hilft es auch nichts, dass Barr sich auf ihrem Account „@TheRealRoseanne“ in letzter Zeit darauf verlegt hat, Wohnzimmervideos von sich und den eigenen Enkeln zu posten. „Es kann sein, dass deine alten Tweets gelöscht sind, Roseanne“, schrieb eine Twitter-Userin und postete dazu einen Screenshot von einem der verschwundenen Posts. „Aber das nützt nichts. Du hast jahrelang Hassbotschaften verbreitet. Und das Internet wird dir das nie vergessen.“

Auferstanden von den Toten

Mit Barr, Goodman (Dan), Gilbert (Darlene), Laurie Metcalf (Jackie), Michael Fishman (D. J.) und Goranson (Becky) ist so gut wie die komplette Originalbesetzung bei der Neuauflage dabei. Auch Chalke („Scrubs“), die Tochter Becky vertretungsweise gespielt hatte, ist mit von der Partie, allerdings in einer neuen Rolle. Bizarr ist vor allem die Rückkehr von Goodmans Charakter Dan. Der war in der letzten Staffel verstorben. Das soll nun einfach ignoriert und nicht weiter kommentiert werden.

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