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Besondere Situation in Österreich

500-Euro-Scheine werden von der Europäischen Zentralbank (EZB) nur noch bis Ende 2018 ausgegeben. Irland, Belgien, Finnland und die Niederlande verzichten bereits auf Euro-Kupfermünzen. In Österreich ist die Ära des Bargelds, die vor mehr als 2.500 Jahren mit dem Aufkommen der ersten Münzen begann, indes noch lange nicht vorbei, wie aktuelle Studien und Umfragen zeigen.

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Bankomat- und Kreditkarte sind zwar fast immer dabei, am liebsten bezahlen die Österreicherinnen und Österreicher ihre Einkäufe aber immer noch in bar. Mit im Durchschnitt 89 Euro in der Geldtasche liegen sie laut einer Studie der EZB in der Euro-Zone auf Platz drei. Im Euro-Zone-Durchschnitt sind es 65 Euro.

Persönliche Vorlieben

Obwohl das bargeldlose Zahlen populärer wird, ist Bargeld immer noch das dominierende Zahlungsmittel, erklärte die EZB im November, 79 Prozent aller Transaktionen in der Euro-Zone seien in bar abgewickelt worden, nur 19 Prozent mit Karte. „Das scheint die Wahrnehmung infrage zu stellen, dass Cash schnell von bargeldlosen Zahlverfahren ersetzt wird“, hieß es seitens der EZB. Für Österreich gilt das offenbar ganz besonders. Laut Angaben der Österreichischen Nationalbank (OeNB) von März greifen 55 Prozent der Österreicherinnen und Österreicher auf Scheine und Münzen zurück, selbst wenn eine Möglichkeit zu Kartenzahlung besteht.

Doch schon jetzt zahlt ein Drittel lieber mit Karte. Und mit Jänner 2018 muss hierzulande eine EU-Richtlinie umgesetzt werden, die vorsieht, dass Händler keine Zusatzgebühren für das Bezahlen mit Kreditkarte mehr einheben dürfen, was elektronische Zahlungsmittel noch einmal attraktiver machen könnte. Ob eine Person lieber bar oder mit Karte bezahlt, hängt laut OeNB allerdings weniger von Faktoren wie Alter oder Einkommen, sondern mehr von persönlichen Vorlieben ab. Und sowohl Bar- als auch Kartenzahler glaubten, dass ihre bevorzugte Zahlungsmethode einfach, schnell und praktisch ist.

Vom echten zum symbolischen Wert

Auch der Münzsammler Marc Walter, der ein Geschäft in Wien-Margareten betreibt, glaubt, dass elektronische Zahlungsmittel das Bargeld tatsächlich einmal komplett ablösen könnten - der Umbruch werde sich jedoch langsam vollziehen.

Begonnen hat die Ära des Bargeld vor mehr als 2.500 Jahren: „Das Münzgeld haben die alten Griechen eingeführt“, so Walter, „das war anders als heute, wo das Geld reines Kreditgeld ist. Damals war der Inhalt der Münze, das Gold und Silber, das sie auf die Waage brachte, auch der Wert, den sie hatte. Heute dagegen hat ein 500-Euro-Schein praktisch überhaupt keinen Materialwert.“ Der Wert des Geldes ist im Grunde nur ein Symbolwert.

Silbermünze

Jastrow unter CC BY 2.5

Der sagenhafte König Kroisos war der erste, der Münzen in purem Gold - nach ihm „Kroiseios“ genannt - prägen ließ

Der Symbolwert einer Münze schien allerdings schon damals ihren Nominalwert zu steigern: Bis heute ist der Name des ersten Menschen, der Münzen prägen und nach sich selbst benennen ließ, als Synonym für unermesslichen Reichtum geläufig: Es handelt sich um den lydischen König Krösus, der um 590 v. Chr. lebte.

Krösus, sagenumwobener Erfinder der Münze

Dabei war Krösus wohl gar nicht wirklich so viel reicher, als andere Herrscher seiner Zeit. Vielmehr war er nur der Erste, der auf die Idee kam, seine Goldvorräte in gewissen Größen zu Münzen prägen und mit dem eigenen Herrschersiegel versehen zu lassen: einem Stier und einem Löwen, die zu kämpfen scheinen. Ein Symbol für Kraft und Potenz, das auch für die erste Anwendung des Geldes stehen könnte. Mit den Münzen konnten Söldner bezahlt und so die eigene Kampfkraft gestärkt werden.

Claude Vignons "Krösus und Solon"

Public Domain

Krösus (Mitte, in einer Darstellung von 1634) gilt als Archetyp des „Superreichen“: Glücklich soll er aber nicht gewesen sein

Anfangs, erzählt Walter, der auf antike Münzen spezialisiert ist, habe man vorwiegend Gottheiten oder Tiere auf die Münzen geprägt. Erst seit Julius Cäsar, einem Meister der Selbstinszenierung, sei es üblich geworden, Münzen mit Herrscherporträts zu versehen: „Das hat sich bis in heutige Zeit durchgezogen. Der letzte österreichische Kaiser, der auf einer Münze abgebildet war, war Kaiser Franz Joseph. Die Idee dieser Herrscherporträts war natürlich auch, dass der Machthaber mit seinem Konterfei eine Garantie liefert, dass das Geld auch den darauf verzeichneten Betrag wert ist.“

Kopf oder Zahl? Münzen als Symbole der Macht

Aber natürlich ging es bei dem „Kopf“ auf der Münze auch um die Repräsentation von Macht in Form des Geldes an sich. Walter kennt Beispiele antiker Münzen, die ursprünglich zwei Herrschergesichter gezeigt hätten, „aber eines davon wurde irgendwann ausradiert, richtig ausgefräst – und die Münze wurde weiterverwendet. Es gibt da den Ausdruck der ‚Damnatio Memoriae‘. Die Erinnerung an einen in Ungnade gefallenen Herrscher sollte ausgelöscht werden.“

Wenn aber Münzen auch die Werte und Machtverhältnisse einer Epoche spiegeln, was sagt der Euro über die EU aus? Walter wendet ein 50-Cent-Stück in der Hand: „Wenn ich einen Schuss ins Blaue machen sollte: Einerseits hat man die Abbildung von Europa, dann, auf der anderen Seite ein nationales Symbol. Da erkennt man einen gewissen Zwiespalt. Man hat die übernationale Idee Europas, aber auf der anderen Seite ein Konvolut aus nationalen Symbolen." Europa als Widerspruch in sich selbst.

Euro-Münzen auf Euro-Geldscheinen

ORF.at/Christian Öser

„Übernationale Idee Europas trifft ein Konvolut aus nationalen Symbolen“: Der Euro ist motivisch ein Zwitter

Als nationales Identifikationssymbol funktioniere der Euro nicht mehr so gut wie der Schilling, meint Walter: „Die Leute hatten das subjektive Gefühl: Der Schilling ist der starke Schilling. Dabei waren die Inflationsraten damals weit höher als jetzt beim Euro.“

Nie wieder Geldübergabe auf der Leinwand?

Sollten Geldscheine und Münzen dereinst verschwinden, hätte das auch Auswirkungen auf Kunst und Kultur. Der französische Regisseur Robert Bresson hat 1983 einen Film mit dem Titel „L’Argent“ („Das Geld“) gedreht, in dem ein gefälschter Geldschein die Hauptrolle spielt, der Unglück über eine Reihe von Menschen bringt. Im Trailer dieses Films ist kein Mensch zu sehen, dafür Scheine, Scheine, Scheine. Das Geld als Übeltäter in einem Kriminalfilm.

Aber wie würden Kriminalfilme eigentlich aussehen ohne Geld und Münzen? Natürlich gibt es auch Cyberkriminalität, aber lässt sie sich ebenso schön darstellen wie ein Banküberfall oder der Einbrecher, der bei tickender Uhr den Safe aufschneidet? Wird man in Zukunft im Fernsehkrimi keine Geldübergabe mit Aktenkoffer mehr sehen? Wie kann man Geld darstellen, das nur noch virtuell existiert? „Wertgegenstände, die geraubt werden können, wird es ja immer geben“, wendet Walter ein: „Zum Beispiel eine wertvolle Sammlung alter Münzen.“

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