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Europa immer mehr Zugmaschine

Die Zeichen für die globale Wirtschaft zeigen nach oben. Das Wachstum wird sich 2018 laut den Prognosen mehrerer Institute und Institutionen fortsetzen. So wird etwa Europa nach Einschätzung des Internationalen Währungsfonds (IWF) immer mehr zur Zugmaschine der Weltwirtschaft, und damit droht auch die Ablöse der globalen Wirtschaftsmacht Nummer eins, der USA.

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Auch das Österreichische Institut für Wirtschaftsforschung (WIFO) und das Institut für Höhere Studien (IHS) sehen in ihren Prognosen von letzter Woche für die nächsten Jahre Europa im Aufbruch. In seinem regionalen Ausblick erklärte der IWF bereits Mitte November: „Die europäische Erholung hat sich verstärkt und merklich verbreitert.“ Das Wachstum in Europa liefere einen großen Beitrag zur Steigerung der globalen Wirtschaftsleistung. Die Analyse des IWF bezieht sich auf den gesamten Kontinent, nicht nur auf die Länder der EU. Eine Rolle spielen dabei auch Staaten wie Ungarn, Polen, Russland und die Türkei.

IHS: Breitflächig in hohem Tempo

Laut IHS expandiert die Weltwirtschaft ebenfalls breitflächig in hohem Tempo, und der Welthandel hat sich deutlich belebt, was sich auch in Österreich bemerkbar macht. Das IHS sieht den Euro-Raum heuer um 2,3 Prozent wachsen, 2018 um 2,1 und 2019 um 1,9 Prozent. Für die EU-28 wird nur für heuer mit 2,4 Prozent ein etwas stärkeres Plus vorhergesagt, 2018/19 dasselbe wie im Euro-Raum.

Bereits in seinem Oktober-Ausblick hatte der IWF die Prognosen für Europa ebenfalls deutlich angehoben. So rechnet er hier im Jahr 2017 insgesamt mit einem Wachstum von 2,4 Prozent, 2018 dann von 2,1 Prozent. In der Eurozone werden 2,1 Prozent (2017) und 1,9 Prozent (2018) erwartet.

OECD: Wie seit sieben Jahren nicht mehr

Die Weltwirtschaft wächst nach Prognose der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) so schnell wie seit sieben Jahren nicht mehr. In diesem Jahr dürfte das globale Bruttoinlandsprodukt um 3,6 Prozent zulegen, 2018 um 3,7 Prozent und 2019 erneut um 3,6 Prozent, heißt es in dem Ende November veröffentlichten Wirtschaftsausblick der Industriestaatenorganisation.

Auch in den USA herrscht Aufwind: Die Konjunktur zwischen Los Angeles und New York hängt allerdings stark von den Verbrauchern ab. Der private Konsum macht rund zwei Drittel der gesamten Wirtschaftsleistung der USA aus. Die weltgrößte Volkswirtschaft ist derzeit im Aufwind: Die Notenbank Fed hob gerade erst ihre Wachstumsprognose für 2018 auf 2,5 von 2,1 Prozent an.

Österreich vor Euro-Raum

Auch Österreich profitiert von der derzeitigen Aufbruchsstimmung in der globalen Wirtschaft. Wie bei der jüngsten Nationalbank-Prognose gehen auch WIFO und IHS von zumindest drei Prozent realem Plus des Bruttoinlandsprodukts (BIP) in Österreich für heuer aus. Der Anstieg ist so hoch wie seit einem Jahrzehnt nicht mehr. Und erstmals seit 2012 weist Österreich 2017 und 2018 wieder einen Wachstumsvorsprung gegenüber dem Euro-Raum auf. Das WIFO erhöhte seine Erwartung für 2017 und 2018 auf je 3,0 Prozent, für 2019 werden 2,2 Prozent BIP-Plus gesehen.

Das IHS hat die Vorhersage für heuer auf 3,1 Prozent erhöht, für 2018 leicht auf 2,7 Prozent gesenkt und rechnet für 2019 mit 1,9 Prozent Realwachstum. Gestützt wird der kräftige Aufschwung in Österreich durch eine lebhafte Exportdynamik, hohe Investitionszuwächse und die Konsumnachfrage der privaten Haushalte, so das WIFO.

Die Schattenseiten

Nur Grund zum Jubeln sehen die Experten rund um OECD-Chefökonomin Catherine Mann aber nicht. „Die Konjunkturaufhellung ist zwar erfreulich, bleibt aber verhalten im Vergleich zu vergangenen Aufschwungphasen“, heißt es in dem Bericht. Investitionen, Handel, Produktivität und Lohnentwicklung litten noch immer unter den Nachwehen der Finanzkrise. Für ein anhaltend starkes Wachstum seien kräftigere Investitionen notwendig.

Auf mittlere Sicht gebe es aber in Europa eine Reihe von Wachstumsrisiken, warnte auch der IWF. Er verweist auf die ungünstige Bevölkerungsentwicklung in den zunehmend älter werdenden Gesellschaften und auf das verhaltene Produktivitätswachstum. Die Politik sollte daher die verbesserten allgemeinen Aussichten nutzen und die Staatsfinanzen festigen. Zudem sollten die Wirtschaftsstrukturen reformiert werden, um künftig Schocks besser auffangen zu können. Gerade Staaten mit soliden Staatsfinanzen müssten hier ihre Spielräume nutzen.

Türkei: „Extrem hohes Tempo wird nicht halten“

Die türkische Wirtschaft ist im dritten Quartal so kräftig wie seit sechs Jahren nicht mehr gewachsen. Das BIP lag zwischen Juli und September um 11,1 Prozent höher als ein Jahr zuvor, wie das Statistikamt des Landes Mitte Dezember mitteilte. Ökonomen waren von zehn Prozent ausgegangen.

Damit hat sich das Wachstum mehr als verdoppelt: Im zweiten Quartal reichte es zu 5,4 Prozent, am Jahresanfang zu 5,3 Prozent. Das starke Plus erklärt sich zu einem guten Teil aus der Schwäche im Vorjahr: Im dritten Quartal 2016 war die Wirtschaft wegen der Verunsicherung nach dem gescheiterten Putsch um 0,8 Prozent geschrumpft. „Das extrem hohe Tempo wird nicht anhalten“, erwartet deshalb Ökonom William Jackson vom Analysehaus Capital Economics. Und noch ein weiteres Problem gibt es: Wegen der schwächelnden Landeswährung Lira ist die Inflationsrate derzeit mit fast 13 Prozent so hoch wie seit 14 Jahren nicht mehr.

Langsameres Wachstum in China

Auch der weltweite Konjunkturmotor China dürfte an Leistung in den nächsten Jahren verlieren. Die Weltbank rechnet in den nächsten zwei Jahren mit einem langsameren Wachstum in China. Mit der erwarteten Verringerung der Verschuldung werde die zweitgrößte Volkswirtschaft der Erde im neuen Jahr um 6,4 Prozent und 2019 um 6,3 Prozent wachsen, sagte die Weltbank in Peking voraus. Die Erwartung für heuer wurde von bisher 6,7 auf 6,8 Prozent Wachstum nach oben korrigiert.

„Vorsichtige Geldpolitik, strengere Kontrolle des Finanzsektors und die anhaltenden Bemühungen der Regierung, die Wirtschaft umzustrukturieren und die Geschwindigkeit der Verschuldung in den Griff zu bekommen, werden das Wachstum voraussichtlich abschwächen“, hieß es in einer Mitteilung der Weltbank.

Die Erholung des globalen Handels sei für China ein wichtiger Faktor gewesen, der die wirtschaftlichen Aktivitäten in diesem Jahr unterstützt habe, stellte die Weltbank fest. Die Zuversicht der Unternehmen habe sich verbessert. Die Arbeitsplatzschaffung sei lebhaft. Der Kapitalabfluss habe sich stabilisiert. Auch habe die chinesische Währung gegenüber dem US-Dollar an Wert zugelegt.

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