„Gratulation, Frau Premierministerin“
Mehr und mehr hat im Laufe des EU-Gipfels in Brüssel darauf hingedeutet - Freitagmittag war es dann so weit: Die Staats- und Regierungschefs gaben grünes Licht für Phase zwei der „Brexit“-Verhandlungen und folgten damit der Empfehlung der EU-Kommission.
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Über das „Go“ informierte EU-Ratspräsident Donald Tusk zu Mittag im Kurznachrichtendienst Twitter - noch während die Unterredungen liefen. May sprach in einer ersten Reaktion von einem „wichtigen Schritt“ zur „Gründung einer tiefen und besonderen künftigen Partnerschaft“.
„Dramatisch schwieriger“ Zeitplan
Doch May, die am zweiten Gipfeltag nicht mehr teilnahm und die Entscheidung von London aus kommentierte, kann sich kaum zurücklehnen. „Die zweite Phase ist wesentlich schwieriger als die erste - und die erste war sehr schwer“, sagte EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker am Freitag. Zu erwarten seien noch große Brocken bei den Verhandlungen - nicht zum ersten Mal wurde eine klare Linie verlangt. Tusk sagte, den engen Zeitplan für die Gespräche einzuhalten werde „dramatisch schwierig“.
Zum Abschuss des Gipfels sagte die deutsche Kanzlerin Angela Merkel bei einer gemeinsamen Pressekonferenz mit dem französischen Präsidenten Emmanuel Macron, dass alle 27 Staaten in Sachen „Brexit“ gut zusammengehalten hätten. Man sei „einen guten Schritt vorangekommen“, in Phase zwei beginne aber ein „noch härteres Stück Arbeit“, so Merkel. Auch Macron betonte die Einigkeit der 27 EU-Staaten untereinander.
Agenda „unglaublich ambitioniert“
Kanzler Christian Kern (SPÖ) fragte sich nach dem Gipfel, ob und wie der Zeitplan überhaupt eingehalten werden kann. Die Agenda sei „unglaublich ambitioniert“, wie das Abkommen - also die Scheidung - bis Oktober stehen soll, sei „ein Fragezeichen“, so Kern. Dass Österreich während der Ratspräsidentschaft im zweiten Halbjahr 2018 eine Rolle spielt, glaubt der scheidende Kanzler nicht. Doch habe er das Gefühl, dass es bei den Briten Widersprüche gebe. „Sie wissen nicht immer so recht, wohin sie wollen“, so Kern. Bereits am Vortag wollte er eine „mögliche Wendung“ in der ganzen „Brexit“-Frage nicht ausschließen.
„Steiniger Weg vor uns“
Das Programm bleibt jedenfalls ambitioniert: Bis Oktober 2018 sollen ein Austrittsvertrag und die Bedingungen einer wohl zweijährigen Übergangsphase sowie der Rahmen der künftigen Beziehungen vereinbart sein. „Eines ist sicher: Vor uns liegt ein steiniger Weg“, sagte Kanzler Christian Kern (SPÖ) auf seinem vorerst letzten EU-Gipfel. Der maltesische Regierungschef Joseph Muscat forderte London auf, klar zu sagen, wie die künftigen Beziehungen aussehen sollen.
Vor einer Woche hatte die EU mit May einen ersten Kompromiss zustande gebracht, ein solcher war die Bedingung für den Start in Phase zwei. Streitthemen waren vor allem die irisch-nordirische Grenze, die Rechte der EU-Bürger in Großbritannien und der Briten auf dem Kontinent sowie die finanziellen Verpflichtungen Londons nach dem Austritt. May hatte erhebliche Zugeständnisse gemacht - doch letztlich sind vor allem die Details der schwierigen Grenzfrage ungeklärt geblieben.
Dämpfer und Applaus
Noch dazu hatte May unmittelbar vor dem Start des EU-Gipfels am Donnerstag noch einen schweren Dämpfer erhalten. Sie hatte eine Abstimmung im britischen Unterhaus verloren, bei der sich auch Abgeordnete aus den eigenen Reihen gegen sie gestellt hatten. Sie stimmten mit der Opposition, um ein Vetorecht über den Austrittsvertrag durchzusetzen. Trost gab es auf dem Gipfel: Beim Abendessen wurde von mancher Seite Applaus für die Bemühungen Mays gespendet.
Roadmap zur Zukunft der Euro-Zone
Vor dem Brexit-„Go“ stellten die Staats- und Regierungschefs erste Weichen für die Reform der Wirtschafts- und Währungsunion. Erstellt wurde ein Zeitplan, um erste Entscheidungen bis Mitte kommenden Jahres vorzubereiten. Merkel und Macron betonten, bis März zur Zukunft der Euro-Zone zu einer gemeinsamen Position mit Frankreich kommen zu wollen. Macron erklärte, dass man bis Juni Einigkeit der Staats- und Regierungschefs erreichen wolle, was die Roadmap zur Euro-Zone betrifft.
Bei der Reform der Währungsunion haben Macron und Juncker bereits eine Reihe von Vorschlägen unterbreitet. Sie reichen von einem europäischen Finanzminister bis zu einem EU-Währungsfonds. Umstritten sind Vorschläge über zusätzliche Finanzmittel für die Staaten der Euro-Zone, diese werden in Deutschland vielfach als Einstieg in eine „Transferunion“ gesehen. Generell sei die EU heuer ein ganzes Stück vorangekommen, erklärte Merkel gemeinsam mit Macron. Die Zusammenarbeit sei für die gesamte EU von entscheidender Bedeutung.
Links:
sime, ORF.at, aus Brüssel