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Rückholaktion angelaufen

Nach der Insolvenz der Fluglinie Niki sind am Donnerstag Zehntausende Reisende festgesessen. Darunter sollen sich nach Schätzungen des Verkehrsministeriums 5.000 Österreicherinnen und Österreicher befinden. Eine Rückholaktion ist bereits angelaufen.

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Besonders viele Reisende sitzen auf Mallorca fest. Niki hatte im März sämtliche Linienflüge auf die bei Urlaubern beliebte spanische Insel übernommen. Von Österreich hatte Niki im Winterflugplan zwölf wöchentliche Verbindungen nach Mallorca, samt Abflügen aus deutschen und Schweizer Städten standen nicht weniger als 145 Flüge pro Woche auf dem Flugplan. Am Freitag hätten 18 Niki-Maschinen starten und landen sollen, am Samstag 32 und am Sonntag 16, hieß es. Die insgesamt 66 Flüge hätten rund 10.000 Passagiere befördern sollen. Auch auf deutschen Flughäfen saßen Fluggäste fest.

Hunderttausende Flugtickets bereits bezahlt

In den kommenden beiden Wochen hätte Niki insgesamt 40.000 Passagiere befördern sollen, schätzte Lucas Flöther, der am Donnerstag von einem Berliner Gericht offiziell als Insolvenzverwalter angenommen wurde. Niki hatte Mittwochnachmittag Insolvenz anmelden müssen, nachdem die deutsche Lufthansa ihr Kaufangebot zurückgezogen hatte.

Niki Check-in Schalter

APA/Georg Hochmuth

Der verwaiste Niki-Check-in auf dem Flughafen Wien-Schwechat

Neben den Gestrandeten sind auch Tausende Kunden betroffen, die einen Flug mit Niki geplant haben. Mit Einstellung des Flugbetriebs verlieren nach Angaben des Masseverwalters rund 350.000 ausgestellte und bezahlte Einzeltickets ihre Gültigkeit. Dazu kommen 410.000 über Reisebüros und -veranstalter gebuchte - aber in der Regel noch nicht ausgestellte - Tickets.

Rückerstattung steht im Raum

Alle ausgestellten und bezahlten Niki-Flugtickets haben mit der Pleite zwar ihre Gültigkeit verloren. Doch die Käufer können offenbar darauf hoffen, nicht auf ihren Kosten sitzenzubleiben, wie es sonst bei Insolvenzen häufig ist. Laut einem Sprecher des vorläufigen Insolvenzverwalters Lucas Flöther gibt es nämlich aus dem Insolvenzverfahren der Niki-Muttergesellschaft Air Berlin ein Treuhandkonto, auf dem die Ansprüche der Tochtergesellschaft gesichert wurden. Dieses Geld werde nun verwendet, um voraussichtlich fast alle Kunden zu entschädigen.

Telefone bei Reiseanbietern laufen heiß

Beim landesweit größten Reiseanbieter TUI laufen die Telefone derzeit ebenso heiß wie bei der REWE Austria Touristik (Billa Reisen etc.) und Thomas Cook. „Alle Kunden werden seit heute Früh aktiv informiert“, teilte etwa TUI mit. Der Veranstalter sichere sich nach Möglichkeit zusätzliche Flugkapazitäten auf dem Markt. Kunden, die bereits verreist sind, werden mit Ersatzflügen zurückgeholt. Die Heimreise sei in jedem Fall sichergestellt.

Sollten zusätzliche Übernachtungen anfallen, übernimmt der Reiseveranstalter laut eigenen Angaben die zusätzlich anfallenden Kosten für Unterkunft und Verpflegung. Grundsätzlich im Vorteil sind Pauschalreisende. Sie werden vom jeweiligen Reiseveranstalter gratis zurückgeholt.

Sollten Niki-Passagiere zurückgeholt werden müssen, „würde die Regierung das bei der AUA oder auch bei anderen Fluggesellschaften in Auftrag geben“, hieß es auch vom Verkehrsressort. Der Bund würde vorfinanzieren. „Wie man sich schadlos hält, muss im Detail noch geklärt werden.“ Die Lufthansa-Tochter AUA stockte am Donnerstag ihre Kapazitäten auf, ebenso die deutschen Airlines Condor und TUIfly.

Mitarbeiter wurden informiert

Seit Mitternacht bleiben alle Niki-Flugzeuge auf dem Boden. Der letzte Flug unter HG-Flugnummer landete am Mittwoch um 23.18 Uhr aus Teneriffa kommend. Die Niki-Mitarbeiter wurden Donnerstagvormittag in einer Betriebsversammlung auf dem Flughafen Wien-Schwechat von der Geschäftsführung über das weitere Schicksal des Unternehmens informiert - mehr dazu in wien.ORF.at und noe.ORF.at. Rund 1.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Österreich und Deutschland bangen um ihre Jobs.

Grafik zu Niki

Grafik: APA/ORF.at; Quelle: APA/Flöther & Wissing

Die AUA bot der Niki-Belegschaft unterdessen Soforthilfe an. An Piloten, Flugbegleiter und Techniker von Niki erging der Aufruf, sich bei der AUA zu bewerben. Von AUA-Chef Kay Kratky wurde ein beschleunigtes Bewerbungsverfahren zugesagt, Niki-Leute könnten sich sofort melden. Auch die Lufthansa-Tochter Eurowings warb um ehemalige Niki-Mitarbeiter.

Rettungsversuche in letzter Minute

In Österreich und Deutschland sind indes Versuche gestartet worden, der insolventen Airline doch noch das Fortbestehen zu ermöglichen. Insolvenzverwalter Flöther will einen Notverkauf der Airline einleiten. Man versuche nun, den Geschäftsbetrieb von Niki durch einen Schnellverkauf („Fire Sale“) doch noch zu retten. Laut Flöther hat man „noch ein paar Tage Zeit“. Der Insolvenzverwalter kündigte an, umgehend Gespräche mit infrage kommenden Investoren aufzunehmen.

Erster Airbus der neuen Fluglinie von Niki Lauda im Jahr 2003

APA/Harald Schneider

Laudas Airline flog anfangs unter der Marke flyniki

Die Hoffnungen ruhen nicht zuletzt auf Niki-Gründer Niki Lauda. Er werde versuchen, „so schnell wie möglich einen Termin beim Insolvenzverwalter zu bekommen, um weitere Schritte zu besprechen“, sagte der 68-Jährige. Er wolle für Niki ohne Partner bieten. „Alleine mach ich das jetzt, dann geht’s schneller.“

Der Gründer der insolventen Air-Berlin-Tochter Niki rechnet sich jedenfalls gute Chancen aus, die Airline bald zu übernehmen. Durch die Insolvenz sei Niki nun von Altlasten und Schulden befreit, sagte Lauda am Donnerstagabend in der ZIB2. Falls eine Übernahme in sieben Tagen gelingen könnte, dann stünden Lauda zufolge auch die Slots - also die Start- und Landerechte - noch zur Verfügung.

„Was ist von Niki übrig geblieben“

Niki Lauda will am Freitag in Franfkurt abklären, was von Niki „übrig geblieben“ ist.

„Sollte das nicht gehen, aus Zeitnot, kann man es dann immer noch im Jänner machen, dann ist halt der Niki endgültig in Insolvenz. Über die Slots muss man sich dann halt nachher den Kopf zerbrechen“, sagte Lauda. Der Kaufpreis und sonstige Übernahmebedingungen würden jetzt u. a. davon abhängen, wie viele Flugzeuge Niki habe. Am Freitag wolle er in Frankfurt klären, „was ist vom Niki jetzt wirklich übrig geblieben, und dann kann man den Preis bestimmen, und dann kann man verhandeln“.

Auch Condor weiter an Niki interessiert

Aus der Deckung wagte sich am Donnerstag schließlich auch die Thomas-Cook-Tochter Condor. Diese wolle die Flugkapazität auf dem deutschen Markt ausbauen und prüfe weiterhin alle Optionen einschließlich des Kaufs von Niki oder Teilen des Unternehmens, sagte ein Sprecher der Airline in Frankfurt. Thomas Cook hatte sich bereits unmittelbar nach der Air-Berlin-Pleite um eine Niki-Übernahme bemüht. Dabei hatte sich die Airline damals mit Niki Lauda zu einem Bieterkonsortium zusammengeschlossen, Insidern zufolge aber auch allein ein Angebot abgegeben.

Von insgesamt „drei bis vier Interessenten“ sprach zuvor der Chef der Gewerkschaft der Privatangestellten (GPA), Wolfgang Katzian. Man versuche, mit dem Masseverwalter in Deutschland Kontakt aufzunehmen, so Katzian am Donnerstag - Audio dazu in oe1.ORF.at. Die British-Airways-Mutter IAG wollte bisher keine Stellungnahme abgeben, ob sie Interesse an Niki haben.

Start- und Landerechte bis Jahresende gesichert?

Der Air-Berlin-Generalbevollmächtigte Frank Kebekus sprach gegenüber der „Presse“ unterdessen auch von einem Deal mit den österreichischen Behörden. So würden die Start- und Landerechte „nicht entzogen bis Jahresende“. Die Slots gelten Beobachtern zufolge als zentraler Hauptgrund, warum es noch Interessenten für eine Niki-Übernahme gibt. Eine Einigung mit einem Käufer bis zum Jahresende sei aber „zwingend notwendig“, wird Kebekus von der „Presse“ und einigen deutschen Medien zitiert. Denn wenn die Slots einmal erloschen sind, „dann hätten wir gar nichts mehr zu verkaufen“.

Regierung könnte Finanzhilfe gewähren

Die noch wenige Tage amtierende Bundesregierung denkt unterdessen offenbar über eine Finanzspritze für Niki nach. „Es gibt Überlegungen, mit Zwischenfinanzierungen etwas zu tun, aber das muss man schon noch konkret prüfen“, sagte Verkehrsminister Leichtfried im Ö1-Mittagsjournal. Man müsse aber noch über die Höhe und über die Rechtslage nachdenken. „Hier gibt es sehr gute Gespräche mit dem Finanzminister“, so Leichtfried. Immerhin gehe es um mehr als 1.000 Arbeitsplätze und um Familien, die davon betroffen seien.

„Wir wollen, dass die Arbeitsplätze und die Fluglinie gerettet werden“, sagte Bundeskanzler Christian Kern (SPÖ) auf dem EU-Gipfel am Donnerstag in Brüssel. An sich sei Niki „ein überlebensfähiges Unternehmen“. Die Bundesregierung stehe zu Beratungen auch am Wochenende zur Verfügung. Gleichzeitig sagte Kern, es werde „keine schnelle Lösung“ geben. Es gehe jetzt einmal darum, eine Skizze zu haben, dann werde man sehen, ob es möglich sei, das Unternehmen aufzufangen. Um die Fluggäste wolle man sich auf jeden Fall kümmern. Die Regierung sei im Gespräch mit dem Masseverwalter und der EU-Kommission.

EU-Kommissarin verteidigt Vorgehen

Die Lufthansa hatte ihr Angebot für Niki wegen strenger EU-Auflagen zurückgezogen, was der EU-Kommission Kritik einbrachte. EU-Wettbewerbskommissarin Margarethe Vestager verteidigte am Donnerstag das Vorgehen Brüssels. Die bisherigen Zusagen hätten zu einer „geringen Auswahl und höheren Preise“ für Tickets für Passagiere geführt.

Ein entsprechender Markttest nach den Zusagen der Lufthansa sei negativ ausgefallen. Von Anfang an habe es ein hohes Risiko und ernsthafte Wettbewerbsbedenken der EU-Kommission gegeben. Vestager betonte, dass die EU-Kommission in dem Merger keine Entscheidung getroffen habe, und nannte den Lufthansa-Rückzieher „bedauerlich“. Für Niki habe es auch andere Übernahmeangebote gegeben, und die Lufthansa hätte auf die Wettbewerbsbedenken der EU-Kommission eingehen können, um den Deal genehmigen zu lassen.

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