Themenüberblick

Wissen über alles

Routinierte Sachbuchautoren und -autorinnen wie Thomas L. Friedman und Laurie Penny haben die Sachbücher der Saison geschrieben, aber auch Abenteurer, die die Donau flussaufwärts fahren oder sich durch Russland couchsurfen. Am Donnerstag folgen die Romanempfehlungen, am Freitag die Kinder- und Jugendbuchtipps.

Dieser Artikel ist älter als ein Jahr.

Wie man miteinander umgeht

Der durch seine Kolumnen im „SZ“-Magazin bekannte deutsche Autor Axel Hacke erkundet in seinem Buch „Über den Anstand in schwierigen Zeiten“ einen gleichermaßen schillernden wie verstaubten Begriff: Was versteht man heute unter Anstand? Mit Bezügen auf Literaten (von Erich Kästner bis David Foster Wallace) und in genauen Beobachtungen des privaten und politischen Geschehens plädiert er dafür, die Antwort nicht bei anderen, sondern bei sich selbst zu suchen. (neuf, ORF.at)

Axel Hacke: Über den Anstand in schwierigen Zeiten. Kunstmann, 192 Seiten, 18,60 Euro.

Acht Arme und drei Herzen

Mit ihren acht Armen, drei Herzen und der Fähigkeit, schlagartig Farbe und Form zu wechseln, gehören Oktopusse zu den faszinierendsten Meerestieren. Die amerikanische Naturforscherin Sy Montgomery hat es sich zum Ziel gesetzt, Tintenfische nicht nur zu erforschen, sondern einige auch persönlich kennenzulernen. Jedes der Tiere habe eine ganz eigene Persönlichkeit, ist Montgomerys Überzeugung. In „Rendezvous mit einem Oktopus“ beschreibt sie diese Begegnungen offen und äußerst liebevoll - multiple Knutschflecken (Saugnäpfe!) gehören übrigens dazu. (gril, ORF.at)

Sy Montgomery: Rendezvous mit einem Oktopus. Extrem schlau und unglaublich empfindsam: Das erstaunliche Seelenleben der Kraken. Mare, 336 Seiten, 28,80 Euro.

Schlachtruf der Bitch

Laurie Pennys Essays gehören zu den „Must-reads“ der zeitgenössischen feministischen Literatur. In ihrem neuen Buch „Bitch Doktrin“ arbeitet sie sich erneut an gesellschaftlichen Problemen der Gegenwart ab - Frauenfeindlichkeit, Rassismus, Intoleranz und Gewalt. Pennys Ziel ist eine gerechtere Welt - nicht mehr und nicht weniger. Scharfsichtig seziert sie Mechanismen von Unterdrückung und Sexismus („Warum sehen so viele Roboter wie Frauen aus?“). Ideen für eine Zukunft jenseits von Kapitalismus und Patriarchat bleibt sie auch nicht schuldig. (gril, ORF.at)

Laurie Penny: Bitch Doktrin. Gender, Macht und Sehnsucht. Nautilus, 320 Seiten, 14,99 Euro.

Bücher im Kunstschnee

ORF.at/Lukas Krummholz

Die Welt zwischen Fakt und Fake

Den Hype um den Begriff „Fake News“ konnte ORF.at-Redakteur Simon Hadler noch nicht erahnen, als er sich vor geraumer Zeit daran machte, Licht in das dunkle Geschäft mit der alternativen Wahrheit zu bringen. Hadler widmet sich in „Wirklich wahr!“ der Welt der Schlagzeilen, Tortendiagramme und Balken mit einer gehörigen Portion Augenzwinkern und plädiert dafür, den Kampf um die richtige Auslegung von Fakten weniger erbittert zu führen. „Setzen wir sie nicht als Waffen ein, sondern lernen wir, wieder lustvoll und mit Verstand zu argumentieren“, lautet der Appell dieses unterhaltsamen Sachbuches voller aufschlussreicher Illustrationen. (neuf, ORF.at)

Simon Hadler: Wirklich wahr! Deuticke, 272 Seiten, 22,70 Euro.

Wie der Mensch die Welt interpretiert

Die Welt ist alles, was der Fall ist, hat schon Ludwig Wittgenstein zu Beginn seines „Tractatus logico-philosophicus“ Anfang des 20. Jahrhunderts geschrieben. Das Erfahren von Welt braucht Interpretationen, und eben genau mit der Vielfalt dieser Weltinterpretationen quer durch die Historie beschäftigt sich Ernst Peter Fischer in seinem Buch „Hinter dem Horizont - Eine Geschichte der Weltbilder“. Von Mythen und Legenden, von den großen Hochkulturen bis hin zum Jetzt führt die Reise durch die Weltanschauungen und zeigt damit auch die menschliche Geistes- und Schaffenskraft im Erklären eben jener Welten. (baue, ORF.at)

Ernst Peter Fischer: Hinter dem Horizont - Eine Geschichte der Weltbilder, Rowohlt Berlin, 384 Seiten, 23,60 Euro.

Monumentales über Konsum

„Man betritt ein Geschäft, vergleicht Preise und Attraktivität der angebotenen Waren, prüft den Inhalt des eigenen Portemonnaies, trifft eine Wahl und bezahlt an der Kasse.“ Geht es nach dem Historiker Frank Trentmann, funktioniert so „kurz zusammengefasst“ Konsum. Ganz nach diesem Muster werden heute um die 10.000 Gegenstände pro Person angehäuft – aber auch in der italienischen Renaissance gelangten auf diesem Weg etwa Majolikateller in florentinische Haushalte. Trentmann machte sich quer über den Globus auf eine 500 Jahre umfassende Suche nach den Hintergründen und liefert einen monumentalen Rekonstruktionsversuch der Geschichte des Konsums. (pepr, ORF.at)

Frank Trentmann: Die Herrschaft der Dinge. Die Geschichte des Konsums vom 15. Jahrhundert bis heute. DCA, 1.104 Seiten, 41,20 Euro.

Auf Tuchfühlung mit Trump-Wählern

Der Frage, wie es dazu gekommen ist, dass in vielen Ländern rechte, nationalistische Bewegungen auf dem Vormarsch sind, geht die US-amerikanische Soziologin Arlie Russell Hochschild in ihrem Buch „Fremd in ihrem Land“ nach. Für ihre Recherche reiste sie in das Herz der amerikanischen Rechten, nach Louisiana, und suchte fünf Jahre lang das Gespräch mit ihren Landsleuten. Voller Respekt schildert die Autorin die Beweggründe jener Menschen, deren amerikanischer Traum geplatzt ist. Wer verstehen will, muss lesen. (neuf, ORF.at)

Arlie Russell Hochschild: Fremd in ihrem Land. Eine Reise ins Herz der amerikanischen Rechten. Campus, 429 Seiten, 30,80 Euro.

Sebastian Kurz im Porträt

Der österreichische Residenz Verlag hat bei den beiden preisgekrönten Journalistinnen Nina Horaczek und Barbara Toth das Buch zur Stunde in Auftrag gegeben: ein Porträt des angehenden Bundeskanzlers Sebastian Kurz. Differenziert werden hier der Werdegang, die Vision und die Netzwerke des Jungstars der Rechten beschrieben. Ein schmales Büchlein zum Mitreden- und Mitdenken-Können. (hadl, ORF.at)

Nina Horaczek und Barbara Toth: Sebastian Kurz. Österreichs neues Wunderkind? Residenz, 128 Seiten, 18 Euro.

Bücher im Kunstschnee

ORF.at/Lukas Krummholz

Die Zukunft kann ruhig kommen

Thomas L. Friedman ist „New York Times“-Journalist und einer der meistgelesenen Sachbuchautoren der USA. Entsprechend leicht und flockig lesen sich seine Texte - sie sind jedoch nicht ohne Gehalt. Diesmal blickt er (wieder einmal) in die Zukunft. In „Thank You for Being Late“ spaziert er quer durch Themengebiete wie Digitalisierung, Automatisierung, Globalisierung und Umweltschutz. Reportageartig gibt er vor allem Gespräche mit Topexperten wieder. Klugheit statt Kulturpessimismus, ein optimistischer (aber nicht naiver) Überblick statt Panikmache. (hadl, ORF.at)

Thomas L. Friedman: Thank You for Being Late. Lübbe, 480 Seiten, 24,70 Euro.

Wenn die Angst nach Gründen sucht

Eine andere Perspektive im Dreißigjährigen Krieg als Münkler nimmt Andreas Bähr ein. Er verfolgt nicht die politische Linien des Krieges von 1618 bis 1648, sondern setzt sich mit dem Erscheinen des Großen Kometen im Dezember 1618 auseinander. Der Komet wurde später als Vorzeichen für das große Unheil interpretiert. Bähr sieht darin auch die Sinnsuche und symbolische Verarbeitung des Unbegreiflichen - der Gewalt und Verwüstung des Krieges. Bähr zieht für sein Buch zeitgenössische Quellen heran: Von Tagebucheintragungen, Autobiografien über theologische Interpretationen bis hin zum Gelehrtenstreit bietet Bähr eine Übersicht über die Erschütterungen des Dreißigjährigen Krieges aus mentalitätsgeschichtlicher Perspektive. (baue, ORF.at)

Andreas Bähr: Der grausame Komet - Himmelszeichen und Weltgeschehen im Dreißigjährigen Krieg, Rowohlt, 304 Seiten, 20,60 Euro.

Die permanente Verdrängung der Katastrophe

Obwohl die Anzeichen des Klimawandels bereits heute unübersehbar sind, werden sie in der Öffentlichkeit oftmals ignoriert oder kleingeredet. Der indische Sozialanthropologe und Schriftsteller Amitav Ghosh widmet sich der gesellschaftlichen Verdrängung dieser irreversiblen Zerstörungsgewalt. Er zitiert wissenschaftliche Literatur und illustriert seine Erkenntnisse unter anderem am Beispiel Mumbai, einer 20-Millionen-Stadt, die nur wenige Meter über dem Meeresspiegel liegt. Gosh kritisiert, dass mächtige Kapitalinteressen eine drastische Reduzierung des CO2-Ausstoßes der reichen Staaten verhindern. Doch auch die Entwicklungsländer laufen dem westlichen Entwicklungsmodell hinterher – Gosh nennt das die „Große Verblendung“ der Industrialisierung. (behr, für ORF.at)

Amitav Ghosh: Die große Verblendung – Der Klimawandel als das Undenkbare, Blessing, 256 Seiten, 23,70 Euro.

Was uns Menschen zu Menschen gemacht hat

Yuval Noah Harari hat das Projekt mit seinem Weltbestseller „Eine kurze Geschichte der Menschheit“ begonnen, FAZ-Herausgeber Jürgen Kaube setzt es fort und geht weiter in die Tiefe: Es gilt, herauszufinden, wo wir als Menschen herkommen, um zu verstehen, wo wir hingehen. In „Die Anfänge von allem“ beschreibt er in verständlicher Sprache, was Ur- und Frühgeschichtler über die Anfänge der Kultur herausgefunden haben, vom aufrechten Gang bis hin zur Frage: Was war wichtiger, Bier oder Brot? (hadl, ORF.at)

Jürgen Kaube: Die Anfänge von allem. Rowohlt Berlin, 448 Seiten, 25,70 Euro.

Neues von der Glücksforschung

Nach seinem ersten Band „Glück“ versammelt Leo Bormans erneut internationale Forscher, die ungeahnte Denkräume und neue Wege zu den Grundlagen des Glücks eröffnen: Erfolg, menschliche Nähe, Genetik, Humor. Was haben die vielen Möglichkeiten, die das Leben bietet, und der freie Wille, aber auch Schmerz und Traurigkeit mit Glück zu tun? Dieses Buch führt den Leser und die Leserin auf die Spur: Hier ist das Wissen der Glücksforschung gebündelt – ohne philosophische oder spirituelle Spekulationen. (neuf, ORF.at)

Leo Bormans: Glück. The New World Book of Happiness. Dumont, 368 Seiten, 25,70 Euro.

Bücher im Kunstschnee

ORF.at/Lukas Krummholz

Das Judentum, mit Witz erklärt

Der frühere Wiener Oberrabbiner Paul Chaim Eisenberg beschreibt in „Auf das Leben! Witz und Weisheit eines Oberrabbiners“, was es braucht, um ein guter Geistlicher zu sein: Einfühlungsvermögen, Menschenkenntnis und vor allem Humor. Eisenberg hat viele jüdische Witze gesammelt, um sein Verständnis des Judentums zu illustrieren. Lebensnah und mit vielen Beispielen erklärt er auch die Bedeutung der jüdischen Feiertage und die moralischen Spitzfindigkeiten des Talmuds. Ein Einstieg ins Judentum, der Spaß macht. (gril, ORF.at)

Paul Chaim Eisenberg: Auf das Leben! Witz und Weisheit eines Oberrabbiners. Brandstätter, 144 Seiten, 19,90 Euro.

Die Vorzüge der Habsburger

Das Habsburger-Buch des Historikers Pieter Judson räumt mit vielstrapazierten Gemeinplätzen über Österreichs wichtigste Herrscherfamilie auf - allen voran dem vom „Völkergefängnis“ Donaumonarchie, deren Zusammenbruch im Ersten Weltkrieg vorhersehbar und unausweichlich gewesen sei. Die Herrschaft der Familie von Maria Theresia bis zu Franz Joseph, ihre Reformen und der Aufbau eines modernen Staatengebildes, stellt Judson nachvollziehbar und spannend dar. Dabei lässt er die mit dem Ruf der Verstaubtheit behafteten Habsburger in unvertraut freundlichem Licht erscheinen. (gril, ORF.at)

Pieter M. Judson: Habsburg. Geschichte eines Imperiums. 1740 - 1918. Beck, 667 Seiten, 35 Euro.

Die „Wurschtigkeit“ nach dem Krieg

1918 jährt sich das Ende des Ersten Weltkrieges und damit auch jenes von europäischen Großreichen wie Österreich-Ungarn zum 100. Mal. Bevor aus deren Trümmern Republiken gegründet wurden, folgte ganz nach dem Titel des neuen Buches von Anton Holzer aber noch der „Krieg nach dem Krieg“. Untermauert mit Aufzeichnungen aus Tagebüchern und reichlich Originalbildern zeichnet der Historiker ein tristes Alltagsbild einer turbulenten Zeit, zu der etwa Käthe Kollwitz einmal schrieb: „Der Krieg hat die Menschen wohl gelehrt, mit solcher Wurschtigkeit auch schrecklichen Ereignissen gegenüberzustehen.“ (pepr, ORF.at)

Anton Holzer: Krieg nach dem Krieg. Revolution und Umbruch 1918/19. Konrad-Theiss-Verlag, 192 Seiten, 41,10 Euro.

Hommage an den Kritiker Hurch

„Eine systematische Filmkritik kann und will ich nicht liefern, denn ich glaube, dass ich so diesem Film nicht gerecht werden kann.“ So beginnt Hans Hurchs erste Filmkritik aus dem Jahr 1978. Sie liest sich zugleich als Selbstkritik eines jungen Autors, der streng ist mit anderen, aber auch mit sich selbst, weil er es ernst meint mit dem Kino. Dieser Band versammelt Filmkritiken und Essays des im Sommer verstorbenen Viennale-Chefs und früheren „Falter“-Autors. Er empfiehlt sich auch und vor allem als Zeitreise in jene Prä-Netflix-Ära, in der das Kino noch ein gemeinschaftsstiftender, politischer Ort war. (mmck, für ORF.at)

Claus Philip, Armin Thurnher, Christian Reder (Hg.): Hans Hurch - Vom Widerschein des Kinos. Falter-Verlag. 247 Seiten, 22,90 Euro.

Hader spielt Hader (als Cineast)

„Immer wenn oben und unten am Fernseher die schwarzen Balken gekommen sind, hat das Spannende und Verbotene begonnen. Seither habe ich eine Schwäche für Cinemascope“, so Hader im Interview mit Andreas Ungerböck, Herausgeber des Filmmagazins „ray“ und nun auch des vorliegenden Essay- und Interviewbandes: „Josef Hader. Filme und mehr“. Das Zusammentreffen beider Herren zeigt, dass Hader, der als Kinodarsteller („Indien“) und Drehbuchautor (Brenner-Serie) ja schon lang ein Leinwandstar war, jetzt als Regisseur („Wilde Maus“) endgültig in den Kanon der Cineasten aufgerückt ist. Recht so. Zeit war’s. (mmck, für ORF.at)

Andreas Ungerböck: Josef Hader. Filme und mehr. Schüren. 191 Seiten, 20,50 Euro.

Russland im Porträt

ORF-Korrespondentin Carola Schneider kennt man aufgrund ihrer klugen Analysen und packenden Reportagen aus Russland. Nun hat sie in einem Buch zusammengefasst, was das widersprüchliche Land für sie ausmacht. Das Panorama setzt sich aus Porträts einzelner Menschen zusammen, die Schneider in den letzten Jahren berührt oder interessiert haben. Plötzlich wird greifbar, wie Russland „tickt“ - abseits von politischem Säbelrasseln und skurrilen YouTube-Videos. (hadl, ORF.at)

Carola Schneider: Mein Russland. Begegnungen in einem widersprüchlichen Land. Kremayr & Scheriau, 158 Seiten, 22 Euro.

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ORF.at/Lukas Krummholz

Auf russischen Sofas

Die Suche nach der vermeintlichen russischen Seele musste insgesamt schon für viele Bücher herhalten. „Couchsurfing in Russland“ mag in dieses abgearbeitete Genre einzuordnen sein, dennoch ist es überaus lesenswert. Stephan Orth berichtet von seiner Reise kreuz und quer durch Russland, seine Gastgeberinnen und Gastgeber findet er über die Onlineplattform Couchsurfing. Er besucht eine Weltuntergangssekte in Sibirien, lebt in einer Datscha am Stadtrand von Nowosibirsk und besichtigt das „Arschloch der Welt“, eine Diamantenmine in Jakutien. Gespickt mit amüsanten Anekdoten ist der Reisebericht ein würdiger Nachfolger von Orths erstem Buch „Couchsurfing im Iran“. (beer, für ORF.at)

Stephan Orth: Couchsurfing in Russland. Malik, 256 Seiten, 17,50 Euro.

Reise durch „Sowjetistan“

Turkmenistan, Kasachstan, Tadschikistan, Kirgisistan und Usbekistan: Für ihr Buch „Sowjetistan“ reiste Erika Fatland durch die ehemaligen Sowjetrepubliken Zentralasiens. Die norwegische Journalistin spürt Relikte aus der Sowjetzeit auf und zeigt, wie unterschiedlich sich die fünf „Stans“ seit der Unabhängigkeit im Jahr 1991 entwickelt haben. Auf jeder Seite mit dabei: eine große Portion Neugierde, Abenteuerlust und ehrliches Interesse an den Menschen, die ihr auf ihrer Reise zwischen Minaretten und Sowjetmonumenten, zwischen Hochgebirge und Wüste begegnen. (beer, für ORF.at)

Erika Fatland: Sowjetistan. Suhrkamp, 511 Seiten, 17,50 Euro.

Die Lehren aus 30 Jahren Krieg

Der deutsche Politwissenschaftler Herfried Münkler beschäftigt sich mit dem „Dreißigjährigen Krieg“, den er als „europäische Katastrophe, deutsches Trauma“, so auch der Buchuntertitel, auffasst. In Münklers akribischer Aufarbeitung der Vorgeschichte und des Krieges selbst und seiner Auswirkungen wie etwa des „Weißwurstäquators“ nach dem Westfälischen Frieden versteckt sich auch eine Einführung in Kriegstaktik und obendrein eine große Warnung, wie aus einem kleinen Ereignis ein Flächenbrand werden kann. Bei Münkler kommen neben der Ökonomie auch der kulturelle Ausdruck der Zeit und deren Vertreter wie etwa Peter Paul Rubens nicht zu kurz. (baue, ORF.at)

Herfried Münkler: Der Dreißigjährige Krieg. Europäische Katastrophe, deutsches Trauma 1618 - 1648, Rowohlt Berlin, 976 Seiten, 41,10 Euro.

Wahre Geschichten von der Liebe

Kathrin Werner, Korrespondentin der „Süddeutschen Zeitung“ in New York, hat Länder von Bangladesch bis Venezuela bereist und die 20 schönsten Liebesgeschichten, die ihr begegnet sind, aufgeschrieben. Direkt und offen erzählen die Paare von ihrem Kennenlernen, den größten Hürden und den schönsten Momenten. Authentisch und berührend, ohne dabei kitschig zu sein, ist „Liebesglück“ ein Beweis dafür, dass es die große Liebe nicht nur in Hollywood-Filmen gibt. Taschentücher bei der Lektüre bereithalten! (neuf, ORF.at)

Kathrin Werner: Liebesglück. Krüger, 288 Seiten, 15,50 Euro.

Bilder eines Lebens

Nick Cave als Held seines eigenen Lebens, Fakten und Songtexte ineinander verwoben, aber „näher an der Wahrheit als jede Biografie“, sagt Cave selbst über die Graphic Novel „Nick Cave - Mercy On Me“: Der deutsche Comiczeichner Reinhard Kleist porträtiert den Musiker, Poeten und Schriftsteller aus der Perspektive des Bewunderers in expressiven, düster-schillernden Bildern, in einem grafischen Werk von aberwitziger Wucht, das jedoch Cave-Kennertum unbedingt voraussetzt. (mami, für ORF.at)

Reinhard Kleist: Nick Cave – Mercy On Me. Carlsen, 328 Seiten, 25,70 Euro.

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ORF.at/Lukas Krummholz

Weltliteratur auf einen Blick

Vom Gilgamesch-Epos bis Michel Houellebecqs „Unterwerfung“ stellt „Das Literatur-Buch“ wichtige Werke der Weltliteratur in umfangreichen, aber leicht zugänglichen Porträts vor. Darüber hinaus bietet der Band mehr als 200 weitere Lektüreempfehlungen - jeweils chronologisch geordnet am Ende der einzelnen Kapitel. Passionierte Leserinnen und Leser werden diese Enzyklopädie lieben, die noch dazu so einladend illustriert ist. (neuf, ORF.at)

James Canton u. a.: Das Literatur-Buch. Wichtige Werke einfach erklärt. DK, 352 Seiten, 25,70 Euro.

Wie Songs die Welt verändern

Der Kulturhistoriker Wolfgang Kos erzählt das 20. Jahrhundert in 99 besonderen Liedern. Die Songs sollen nicht nur als Illustrationen von Geschehnissen und Entwicklungen dienen, sondern selbst Hauptdarsteller und Wegmarken der Veränderung sein. Egal, ob die „Lustige Witwe“ Wiens Ruf als Musikmetropole begründet oder Tupac Shakur mit „Hit ’Em Up“ sein Todesurteil unterschrieben hat, ein Lied kann ein Leben oder ein ganzes Jahrhundert verändern. „99 Songs“ ist Musik zum Lesen, mit weltbekannten Pflichtsongs, aber auch ganz anderen. (neuf, ORF.at)

Wolfgang Kos: 99 Songs. Eine Geschichte des 20. Jahrhunderts. Brandstätter, 320 Seiten, 39,90 Euro.

Blicke hinter die Kulissen der Stadt

Nach seinen im Jahr 2013 erschienen Reportagen mit dem Titel „Unterwegs in Wien“ legt der renommierte Historiker und Stadtforscher Peter Payer nun einen weiteren Band mit kulturhistorischen Streifzügen durch Wien vor. Darin beschreibt er beispielsweise die Wirkung der „Roten Uhren Wiens“ am „Vorwärts-Gebäude“ in der Rechten Wienzeile und am Amalienbad im 10. Bezirk. Wir erfahren über das Wiener Nachtleben im 19. Jahrhundert genauso wie über die ersten Paternoster und Rolltreppen, die die Stadt zu bieten hatte (behr, für ORF.at).

Peter Payer: Quer durch Wien. Kulturhistorische Streifzüge, Czernin, 264 Seiten, 23 Euro.

Die dunklen Jahre

Der Historiker Kurt Bauer schreibt in seinem neuen Werk Gesellschaftsgeschichte, die besonderen Wert auf die Perspektive der Individuen legt, die in Österreich die dunklen Jahre von 1938 bis 1945 miterlebt haben. Er orientiert sich dabei an den lebensgeschichtlichen Erzählungen, Aufzeichnungen, Tagebucheintragungen und Briefen von 16 Personen und inkludiert die Erlebnisse von Tätern, Opfern und Mitläufern. Bauer beschreibt den „Anschluss“, die Deportationen der Juden und Jüdinnen sowie Luftkrieg und Kapitulation. Sein Anspruch ist es, die Verbrechen der Nazi-Zeit für die junge Generation aufzuarbeiten (behr, für ORF.at).

Kurt Bauer: Die dunklen Jahre – Politik und Alltag im nationalsozialistischen Österreich 1938 - 1945, Fischer, 480 Seiten, 17,50 Euro.

Die Hippies der vorletzten Jahrhundertwende

Weit vor der Hippie-Bewegung, die dieses Jahr ihr 50-jähriges Bestehen feierte, gab es in der Nähe von Ascona in der südlichen Schweiz eine lebhafte Aussteigerszene. Wo sich zuvor schon Anarchisten angesiedelt hatten, der prominenteste von ihnen Michail Bakunin, entstand nun mit dem „Monte Verita“, dem „Berg der Wahrheit“, ein neues Mekka für Sinnsuchende und Kritikerinnen der modernen Welt. Der Autor Stefan Bollmann beschreibt auf lebhafte Weise diesen freigeistigen Experimentierraum, wo sich Vegetarismus mit Feminismus, Sonnenbrand mit Theosophie, Anarchismus mit Psychoanalyse, Körperkultur mit Industrialisierung, Ausdruckstanz mit Naturheilkunde und Okkultismus vereinte (behr, für ORF.at).

Stefan Bollmann: Monte Verita. 1900 – der Traum vom alternativen Leben beginnt, DVA, 320 Seiten, 20,60 Euro.

Klassenkampf und Identität

Nach seinem Bestseller „Rückkehr nach Reims“ analysiert der französische Bestsellerautor Didier Eribon in seinem neuen Buch, wie die gegenwärtige Klassengesellschaft sich mitsamt ihren Diskriminierungen selbst reproduziert. Er kombiniert soziologische Reflexion mit autobiografischer und literarischer Erzählung und führt zentrale Überlegungen weiter, die ihn schon in „Rückkehr nach Reims“ beschäftigten: die Herkunft aus dem Arbeitermilieu der Provinz und die damit verbundene Scham, seine Homosexualität sowie der Aufstieg in das akademische Milieu. Ihn treibt die zentrale Frage um, ob und wie es gelingen kann, dem eigenen sozialen Erbe und den familiären Prägungen zu entkommen (behr, für ORF.at).

Didier Eribon: Gesellschaft als Urteil – Klassen, Identitäten, Wege, Suhrkamp, 320 Seiten, 18,50 Euro.

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Ein roter Ziegel

Gerd Koenen widmet sich in seinem Buch „Die Farbe Rot“ der Geschichte des Kommunismus. Und Koenen beginnt ganz von vorne und sieht sich die Wurzeln einer der wirkmächtigsten Ideologien weltweit an. Quer durch die Welt- und Ideengeschichte, von den alten Griechen über das Christentum, kommunitaristische und Bauernaufstände im Mittelalter bis hin zu Karl Marx und der russischen Revolution führt Koenen den Weg der Idee der absoluten Gleichheit aller bis ins 21. Jahrhundert, auch den eigenen Ansatz immer selbst hinterfragend, fort - ein roter Ziegel von einem Buch. (baue, ORF.at)

Gerd Koenen: Die Farbe Rot. Ursprünge und Geschichte des Kommunismus, C. H. Beck, 1.133 Seiten, 39,10 Euro.

Was wir von der Renaissance haben

Bernd Roeck hat ein ausuferndes, ja entgrenztes Buch über die Renaissance geschrieben. In „Der Morgen der Welt“ beginnt er, die umfangreiche Vorgeschichte und Vorbedingungen der verschiedenen Renaissancen der Antike in Europa, aber auch dem Rest der Welt, zu untersuchen, und zeigt, wie Wissen, kultureller Anspruch und auch Neuerungen zusammenhängen und einander bedingen. Die kulturwissenschaftliche Mammutleistung lässt sich nicht auf eine Antikenrezeption im Laufe der Jahrhunderte reduzieren, zu viel Detailwissen, aber auch Ideengeschichtliches steckt in den weit mehr als 1.000 absolut lesenswerten Seiten. (baue, ORF.at)

Bernd Roeck: Der Morgen der Welt - Geschichte der Renaissance, C. H. Beck, 1.332 Seiten, 45,30 Euro.

Gräueltaten vor 1.000 Jahren

Einen neuen Blickwinkel auf den ersten Kreuzzug, der 1096 begonnen hat, um das Heilige Land wieder unter christliche Hoheit zu stellen und den Nabel der Welt Jerusalem von den Muslimen zurückzuerobern, eröffnet Peter Frankopan in „Kriegspilger“. Im Mittelpunkt steht Alexios, Basileus, also Herrscher in Byzanz, und seine Rolle in dem jahrelangen blutigen, auch von Gräueltaten geprägten Kriegsgeschehen mit damals noch nicht absehbaren Folgen für das Verhältnis zwischen Christentum und Islam, etwa auch in Sachen Wissenstransfer, Handel von Luxusgütern und religiös geprägten kulturellen Konflikten zwischen Orient und Okzident. (baue, ORF.at)

Peter Frankopan, Kriegspilger - der erste Kreuzzug, Rowohlt, 400 Seiten, 27,80 Euro.

Bewerber ohne Eigenschaften

Bewerber ohne Namen, ohne Adresse, ohne Herkunft - geht es nach Iris Bohnet, Schweizer Wirtschaftswissenschaftlerin und Professorin in Harvard, können Bewerber nur anonymisiert dieselben Chancen auf einen Job haben. Welche Spielregeln bei der Personalsuche es dafür braucht, beschreibt Bohnet anschaulich in ihrem zuvor auf Englisch erschienen Erfolgswerk. Dabei erschöpft sich das Buch nicht in endlosen theoretischen Abhandlungen, sondern liefert konkrete Handlungsanweisungen auf dem Weg zur Gleichstellung. (stup, für ORF.at)

Iris Bohnet: What works. Wie Verhaltensdesign die Gleichstellung revolutionieren kann. Beck, 381 Seiten, 27,80 Euro.

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Flussaufwärts die Donau entlang

Flussaufwärts ist BBC-Korrespondent Nick Thorpe vom Schwarzen Meer bis zum Schwarzwald der Donau gefolgt und hat seine „Reise gegen den Strom“ in ein wundervolles Buch gepackt. Das Erleben ersetzt hier das Konsumieren, es gilt, Regionen und ihre Bewohner kennenzulernen, anstatt sie von einem Guide präsentiert zu bekommen. Die Rezensenten in den Feuilletons waren verzückt, nicht zuletzt aufgrund der ruhigen, schönen Sprache, die so gut zum sanften Mäandern der Donauauen passt. (hadl, ORF.at)

Nick Thorpe: Die Donau. Eine Reise gegen den Strom. Zsolnay, 382 Seiten, 26,80 Euro.

Zweigs Blick auf die Vergangenheit

Stefan Zweig hinterließ zahlreiche historische Miniaturen, deren gesammelte Veröffentlichung noch zu Lebzeiten des österreichischen Schrifstellers zu einem veritablen Welterfolg wurden. Nun liegen sie in einer überarbeiteten Fassung vor, für die Manuskripte aus Archiven rund um den Globus verwendet wurden. Zweig gibt scheinbar beliebige Begebenheiten wieder (etwa Goethes unglückliche Liebe und Tolstois letzte Stunden), aus denen er vom Kleinen auf das große Ganze schließt. Wundervoll geschrieben - und teilweise gespenstisch aktuell. (hadl, ORF.at)

Stefan Zweig: Sternstunden der Menschheit. Zsolnay, 448 Seiten, 26,80 Euro.

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