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„Jenseits von Gut und Böse“

Verpackungen, Flaschen, Sackerln - die UNO warnt vor einer zunehmenden Plastikverschmutzung der Ozeane. Wie viel Plastikmüll im Meer schwimmt, weiß keiner genau, Schätzungen gehen von bis zu 150 Millionen Tonnen aus. Und mindestens acht Millionen Tonnen kommen der UNO zufolge jährlich dazu.

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„Die Plastikverschmutzung in den Ozeanen ist jenseits von Gut und Böse“, sagt Sam Barratt, der Leiter öffentlicher Kampagnen des UNO-Umweltprogramms (UNEP). Meerestiere verheddern sich oder verschlucken den Müll. Auch zerfällt das Material und bildet Mikroplastik, nur wenige Millimeter Kunststoffteilchen, die sich später auch in Trinkwasser und Nahrungsmitteln wiederfinden. Das könne auch für Menschen gefährlich sein.

2050 mehr Plastikmüll als Fische

„Ein großer Teil des Schmutzes besteht tatsächlich aus kleinen Teilen schwimmenden Plastiks, die mit dem bloßen Auge nicht sofort zu erkennen sind“, schreibt die US-Ozeanografie-Behörde NOAA. Winde und Strömungen verteilen diesen Müll über weite Flächen - laut einer Studie des Fachmagazins „Plos One“ sind 92 Prozent der Verschmutzung Mikroplastik.

Plastiksackerl schwimmt im Meer

Getty Images/mattpaul

Plastikmüll stellt nicht nur für Meerestiere eine Gefahr dar

Bis 2050 werde sich der Plastikmüll in den Meeren verzehnfachen, warnt Barratt. Wenn alles weitergehe wie bisher, komme bis 2025 eine Tonne Plastik auf drei Tonnen Fisch, bis 2050 wäre es dann mehr Plastik als Fische, das in den Ozeanen schwimmt, heißt es in einer Studie der Ellen-MacArthur-Stiftung.

Müllsammelprojekt startet im Mai

Ab Mai soll im Rahmen des Projekts „Ocean Cleanup“ daher Plastikmüll aus dem Pazifik gefischt werden. Dabei werden zwei Kunststoffrohre von je 600 Meter Länge in Form eines gigantischen U im Meer ausgelegt, von denen eine Art Sieb ins Wasser hängt, mit dem der Müll eingesammelt wird. Ein Prototyp wird bereits vor der niederländischen Nordsee-Küste getestet.

Insgesamt will „Ocean Cleanup“ 50 solcher „Ozean-Staubsauger“ bauen und im Pazifik installieren, zunächst im „Great Pacific Garbage Patch“ (Großer Pazifikmüllfleck) zwischen Hawaii und Kalifornien, wo besonders viel Plastikmüll treibt. Viele Experten halten das Projekt für unrealistisch oder für einen Schritt in die falsche Richtung, weil es nur die Symptome, nicht die Ursachen beseitige. Meeresbiologen fürchten zudem, dass sich in der Anlage Meerestiere verfangen und getötet werden könnten.

Ocean Cleanup

APA/AFP/Remko de Waal

Schwimmende Barrieren sollen den Abfall im Meer aufsammeln

Viel wichtiger als die Müllsammelaktion sei die Müllvermeidung. Daher müsse der Gebrauch von Plastik beziehungsweise das Recycling global verändert werden. Öffentlichkeit, privater Sektor und Bürger müssten dabei zusammenarbeiten. Die Bedrohung war auch auf dem UNO-Umweltgipfel in Kenias Hauptstadt Nairobi großes Thema.

Verbote und Steuern

Erst im August hatte Kenia eines der strengsten Verbote von Plastiksackerln weltweit eingeführt. Nutzung, Herstellung und der Import sind bei Androhung von bis zu vier Jahren Haft oder maximal 32.500 Euro Strafe untersagt. Auch etliche andere Staaten wie Kenias Nachbar Ruanda hatten bereits zuvor Maßnahmen gegen Plastikmüll ergriffen.

Müll schwimmt im Meer

Getty Images/Burak Karademir

Gigantische Mengen Plastik verschmutzen die Ozeane

„Einwegplastik ist einfach so bequem, dass die Welt vergessen hat, die Folgen des Kunststoffs einzupreisen“, sagt Barratt. Einige Industrieländer führten bereits eine Steuer ein. In Großbritannien etwa kostet ein Sackerl nun fünf Pence (etwa sechs Euro-Cent), was die Nutzung um etwa 80 Prozent verringert hat. Doch in Entwicklungsländern mit einer großen informellen Wirtschaft würde eine Steuer nicht funktionieren. „Ein Verbot ist eine harte, aber sehr effektive Maßnahme“, so Barratt.

Recycling als Herausforderung

Plastiksackerln sind nur ein Teil des Problems. Kenias Umweltministerin Judi Wakhungu denkt angeblich bereits an ein Verbot auch von Plastikflaschen. „Lediglich eine ganze Art von Behältern zu verbieten wird das Problem nicht lösen“, so eine Sprecherin von Coca-Cola in Kenia. Das Unternehmen kooperiere aber derzeit mit dem Verband kenianischer Hersteller und der Regierung, um eine effiziente Abfallentsorgung und ein Recyclingsystem zu entwickeln.

Denn darin liegt wohl die größte Herausforderung für Entwicklungsländer wie Kenia. Was in Europa selbstverständlich ist - Mülltrennung, Abfallentsorgung und Recycling -, ist in Kenia noch Zukunftsmusik. Die Kosten von Recycling seien derzeit noch weitgehend untragbar, sagt Umweltaktivist Dipesh Pabari. „Noch gibt es nicht genug Anreiz, um im großen Stil mit der Nutzung von wiederverwertetem Plastik zu beginnen.“

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