Einfache Mehrheit reicht
Fünf Jahre lang hat Jeroen Dijsselbloem die Geschicke der Euro-Gruppe gelenkt und zusammen mit den 19 Euro-Finanzministern nach Ausbruch der Krise schwerwiegende Entscheidungen getroffen. Am Montag wählt das Gremium nun einen Nachfolger für den Niederländer, im Bewerberfeld kommen wieder einmal die bedeutendsten europäischen Gegensätze zur Geltung.
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Zur Wahl stehen gleich zwei Sozialisten, neben dem Portugiesen Mario Centeno sorgte zuletzt der Slowake Peter Kazimir mit seiner Kandidatur für eine Überraschung. Kurz vor Ende der Frist gab er seine Bewerbung ab. Beobachter werten diese als erneutes Signal, auch einmal osteuropäische Länder bei EU-Entscheidungen zu berücksichtigen. Manche spekulierten gar für eine Art Vergeltungsaktion für die Vergabe der zweier EU-Agenturen an Standorte in Westeuropa.
„Ronaldo der Euro-Gruppe“
Gleichzeitig ist es auch ein Signal der Sozialdemokraten, die zumindest diesen einen EU-Spitzenposten nach Dijsselbloem weiterhin besetzen wollen. Hoffnungen hatte sich jedoch lange der geschäftsführende österreichische Finanzminister Hans Jörg Schelling (ÖVP) gemacht, doch die EVP stellte zuletzt klar, keinen eigenen Kandidaten aufzustellen - der politischen Ausgewogenheit wegen, wie es hieß. Da die Europäische Volkspartei (EVP) mit Jean-Claude Juncker, Donald Tusk und Antonio Tajani derzeit die wichtigsten Posten in der EU besetzt, sollte der Euro-Gruppe-Chef aus einem anderen politischen Lager kommen.

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Portugals Finanzminister Centeno gilt als Favorit
Kandidat aus ehemaligem Krisenland
Eine Wahl des portugiesischen Finanzministers Centeno würde als starkes Signal für das herbeigesehnte Ende der Krise gesehen werden. Der wirtschaftliche Wiederaufstieg Portugals ist eine starke Referenz für die Bewerbungsmappe. Einige Länder ließen bereits die Tendenz erkennen, Centeno zu unterstützen - andere, wie etwa Spanien, kündigten das gar an.
Auch er selbst gab sich recht siegessicher: Er habe mit Deutschland und Frankreich „recht konstruktive“ Gespräche in dieser Angelegenheit geführt, sagte Centeno zuletzt der Nachrichtenagentur Reuters. Mit Lob hatte ihn der langjährige deutsche Finanzminister Wolfgang Schäuble dekoriert, als dieser den 50-Jährigen als „Ronaldo der Euro-Gruppe“ bezeichnete - in Anspielung auf den portugiesischen Fußballstar.
Jagd auf Geldwäscher, Großmeisterin im Schach
Auch in die Kategorie Westen gegen Osten fallen die anderen beiden Mitbewerber, denn das Feld komplettieren der Luxemburger Liberale Pierre Gramegna und Dana Reizniece-Ozola, Mitglied der kleinen Mitte-rechts-Partei „Für Lettland und Ventspils“, die zum regierenden „Bündnis der Grünen und Bauern“ gehört.

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Reizniece-Ozola werden Außenseiterchancen eingeräumt
Die 36-jährige ist seit 2016 Finanzministerin des Landes und geht weit energischer als ihre Vorgänger gegen lettische Banken vor, die – insbesondere von russischen Kunden – zur Geldwäsche genutzt werden. Eine weitere Referenz stammt aus der Zeit vor ihrer politischen Karriere: so brachte es Reizniece-Ozola 2001 zur Schachgroßmeisterin. Bei der Wahl werden ihr lediglich Außenseiterchancen eingeräumt.
Der Luxemburger Gramegna, seit 2013 Finanzminister, dürfte in erster Linie aufgrund seiner Herkunft ein schweres Spiel haben. Das Land verfügt mit Juncker bereits über einen wichtigen Posten, zudem war der heutige Kommissionspräsident davor auch Chef der Euro-Gruppe. Auch in EU-Kreisen herrscht teilweise die Ansicht, dass Luxemburg bereits überproportional stark vertreten sei.
Kein Losentscheid möglich
Der neue Präsident werde bei der Sitzung der Währungsunion nach zwei oder drei Wahlrunden feststehen. Jedenfalls werde es keinen Losentscheid wie bei den EU-Agenturen zuletzt geben, wurde zuletzt von EU-Ratskreisen unterstrichen.
Nicht völlig zeitgleich verläuft die Wahl für die Nachfolge des Vorsitzenden der Euro-Arbeitsgruppe, die bisher der Österreicher Thomas Wieser leitet. Die Frist für die Kandidatur läuft erst am 8. Dezember ab. Dabei dürften sich nach jüngsten Informationen ebenfalls vier Personen bewerben, die allesamt aus den Reihen der Euro-Arbeitsgruppe kommen. Namen wurden keine genannt. Allerdings sollen die Vertreter von Frankreich und den Niederlanden dabei sein. Wieser selbst tritt nicht mehr an.
Die Wahl des Chefs der Euro-Arbeitsgruppe soll dann bei der Sitzung der Währungsunion am 22. Jänner stattfinden. Das Amt Wiesers endet offiziell erst am 31. Dezember. Das Mandat von Dijsselbloem läuft am 13. Jänner 2018 ab, er muss den Posten räumen, weil seine Sozialdemokratische Partei nicht mehr der Regierungskoalition in Den Haag angehört und der Vorsitz der Euro-Gruppe traditionell von einem amtierenden Finanzminister ausgeübt wird.
Links:
sime, ORF.at, aus Brüssel