Dauerbrenner im Überangebot
Wer bei der Suche nach dem passenden Weihnachtsgeschenk auf Nummer sicher gehen will, greift oftmals zum Parfum. Dabei ist es alles andere als einfach, den richtigen Duft für den Beschenkten oder sich selbst zu finden. Ganz unterschiedliche Trends verlaufen nebeneinander - von minimalistischen Düften, die nur aus einem Molekül bestehen, bis hin zum Übereinanderlegen mehrerer Parfums ist alles möglich.
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Parfum ist hierzulande nicht nur ein Last-Minute-Geschenk. Das Weihnachtsgeschäft sei bereits voll angelaufen, so Sigrun Baumgartner, die stellvertretende Vorsitzende des österreichischen Parfümeriewarenhandels bei der Wirtschaftskammer Österreich, gegenüber ORF.at. „Besonders beliebt sind die großen Marken, die viel Werbung machen. Die werden verlangt, weil die Leute sie kennen“, sagt Baumgartner, die im oberösterreichischen Mattighofen eine Reformdrogerie führt.
Das Geschäft mit dem Duft ist insgesamt ein lukratives: In den vergangenen zehn Jahren sind die Ausgaben der Österreicherinnen und Österreicher für Drogerie- und Parfumartikel laut einer Erhebung von RegioData Research um 30 Prozent angestiegen. 570 Euro pro Jahr gibt jeder für Pflegeprodukte, Duftstoffe, etc. aus. Mit Drogerie- und Parfumwaren werden pro Jahr etwa 4,7 Mrd. Euro umgesetzt. Der größere Teil davon dürfte zwar auf Drogeriewaren entfallen, dafür können Hersteller mit Parfums höhere Gewinnspannen erzielen.
Umkämpfter Markt
Unzählige Produkte kommen jedes Jahr auf den Markt. Neben Luxuskonzernen und Modelabels mischen auch zahlreiche Popstars und Prominente im Wettstreit um Marktanteile mit: Reality-TV-Star Kim Kardashian etwa brachte vor wenigen Monaten ihre erste Parfumlinie heraus und folgte damit Popstars wie Christina Aguilera und Justin Bieber, deren Kreationen schon länger erhältlich sind.

APA/dpa/Peter Steffen
Das Geschäft mit dem Duft ist im diesjährigen Weihnachtsgeschäft bereits voll angelaufen
Viele Parfums verschwinden genauso schnell, wie sie gekommen sind: „Nur zehn Prozent der Neulancierungen überleben die ersten zwölf Monate. (...) Davon nur 40 Prozent auch das zweite Jahr“, sagte Martin Ruppmann, Geschäftsführer beim deutschen Verband der Vertriebsfirmen Kosmetischer Erzeugnisse (VKE) 2015 in einem Interview mit dem „Tagesspiegel“. Aus diesem Grund ist laut der Zeitung der Stellenwert von Probepackungen, die Frauen-, Männer- und Lifestyle-Magazinen beigelegt sind und die Konsumenten auf den Geschmack bringen sollen, gestiegen.
Neueinsteiger tun sich schwer auf dem Parfummarkt. Etablierte Marken haben einen Startvorteil, der schwer aufzuholen ist. Chanel No. 5 etwa genieße ein hohes Ansehen, sagt der deutsche Duftforscher Hans Hatt, der an der Ruhr-Universität Bochum lehrt. „Viele wissen, dass das ein teurer Duft ist, und so sind viele noch interessiert, sich mit diesem Duft zu schmücken“, so Hatt gegenüber ORF.at. Die aktuellen Monatsbestsellerlisten der Parfümerieketten Marionnaud und Douglas bestätigen Hatts Befund - auch hier dominieren die großen Namen des Parfumgeschäfts.
Bergamotte und verschimmeltes Harz
Wer sich selbst auf die Suche nach dem perfekten Duft machen möchte, braucht vor allem Geduld. In den vergangenen Jahren populär waren laut Hatt frische Düfte mit der Kopfnote - quasi der erste Eindruck eines Parfums, der von der Nase wahrgenommen wird und über der Herz- und der Basisnote steht - Bergamotte, Zitrone und Zitrusduft. Davidoffs Cool Water falle in diese Kategorie ebenso wie viele Düfte aus dem Hause Calvin Klein.

ORF.at/Julia Hammerle
Jedes Jahr kommen unzählige neue Produkte auf den Markt. An der Vormachtstellung der Klassiker ändert das nichts.
Der bekannte deutsche Parfümeur Geza Schön ortete im „Presse“-„Schaufenster“ einen Trend zu Oud-Düften. Auf der arabischen Halbinsel ist der Duftstoff seit 2.000 Jahren bekannt, in Europa und den USA hat ihn der Designer Tom Ford populär gemacht. Gewonnen wird Oud aus dem Harz des Adlerholzbaumes, das in Kombination mit einem speziellen Schimmelpilz eine animalische Note entwickelt. Ein Kilo des gereinigten Harzes könne bis zu 50.000 Euro kosten, berichtete die Tageszeitung „Welt“.
Dabei seien Oud-Düfte für den europäischen Markt eigentlich widersinnig, so Schön: „Oud ist ein sehr spezieller Geruch, den man mögen muss; in Europa wächst der Adlerholzbaum nicht. Oud wird also meist mit sehr viel Süße kombiniert, weil man es sonst nicht ertragen würde. Das ist so, als ob man den Geschmack von Trüffel mit ganz viel Parmesan überdeckt, weil man ihn nicht aushält.“
Individualität ist Trumpf
Schön gehört zu den Proponenten einer Bewegung, die auf Minimalismus setzt. Seine Kreation „Molecule 01“ erlangte Kultstatus. Der Duft besteht im Wesentlichen aus Parfumalkohol und Iso E Super, einem chemischen Aromastoff. Das „Supermolekül“ entfaltet seine volle Wirkung in Zusammenspiel mit der Wärme der Haut. Ähnliche Düfte, die erst beim Kontakt mit der menschlichen Haut reagieren, gibt es auch vom dänischen Parfümeur Zarko Pavlov. Ein ganz anderer Weg, die eigene Individualität hervorzustreichen, ist das in den vergangenen Jahren beliebter werdende Duftlayering. Dabei werden mehrere passende Düfte in mehreren Schichten aufgetragen.
Vorlieben und Vorschriften
Duftvorlieben verändern sich im Laufe der Zeit. „Es gibt schon so etwas wie einen Duftzeitgeist“, sagt Hatt. Das sei aber nicht die einzige Gegebenheit, an die sich Parfümeure anpassen müssen: „Es gibt eine ganze Reihe von Duftstoffen, die vor zehn Jahren noch in Parfums verwendet werden konnten und heutzutage nach neuen EU-Richtlinien und –Verordnungen zum Teil aus dem Verkehr gezogen worden sind.“
Wie sehr das Zusammenspiel aus Vorlieben und Vorschriften die Zusammensetzung von Parfum verändert, zeigt sich am Beispiel des Klassikers Chanel No. 5. 1921 von Ernest Beaux kreiert, war es der erste Duft, der neben natürlichen auch chemische Aromastoffe enthielt. Wie damals riecht Chanel No 5. längst nicht mehr: „Viele der damals verwendeten Naturdüfte gibt es heute in dieser Form nicht mehr“, sagt Hatt. Auch vom „Zeitgeist her“ wäre die damalige Kreation nicht mehr aktuell, so der Forscher. Daher würden die Hersteller bei Parfums immer ein bisschen nachjustieren und die Düfte anpassen.
Parfümeure können bei der Entwicklung neuer Düfte derzeit auf fast 2.000 Rohstoffe zurückgreifen. Die Angst, dass irgendwann die Kombinationsmöglichkeiten ausgehen, müsse man nicht haben, sagt Hatt. Die menschliche Nase hat mehr als 350 Rezeptoren, mit denen unterschiedliche Naturdüfte wahrgenommen werden. Aus diesem „Duftalphabet“, wie es Hatt nennt, könnten Parfümeure „Duftwörter“ schreiben, die 100 bis 200 Buchstaben lang sein können. Und so seien die Variationen unendlich.
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