Eine Hochzeit ohne Bräutigam
Die Vermählung von Erzherzogin Leopoldine mit dem brasilianischen Thronfolger Dom Pedro vor 200 Jahren war der Machtpolitik der Habsburger geschuldet. Als treibende Kraft hinter der Hochzeit gilt Staatskanzler Clemens Metternich. Geheiratet wurde zunächst ohne Bräutigam in Wien, was den Beginn einer außerordentlich unglücklichen Ehe bedeutet hat.
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Erste Verhandlungen hinsichtlich einer Ehe zwischen Erzherzogin Leopoldine, der Tochter von Kaiser Franz I., und dem portugiesischen Thronfolger und späteren brasilianischen Kaiser Dom Pedro fanden bereits im Jahr 1816 statt. Die neue Achse sollte den Einfluss der Habsburger in Übersee stärken. Ebenso herrschten wirtschaftliche Interessen.
Geflüchtetes Herrscherhaus
Ähnlich pragmatisch verlief die Hochzeit der beiden, die ohne Bräutigam am 13. Mai 1817 in der Wiener Augustinerkirche stattfand, was zu jener Zeit keine Seltenheit bedeutete. Dom Pedro befand sich in Brasilien, weil das portugiesische Herrscherhaus vor Napoleon nach Übersee geflüchtet war. Leopoldines Onkel Erzherzog Karl fungierte bei der Hochzeit als Stellvertreter.
Die tatsächliche Vermählung fand nach der mehrmonatigen Überfahrt Leopoldines am 6. November 1817 in Rio de Janeiro statt. Kronprinzessin Leopoldine übte als politisch sehr gebildete Frau bald erheblichen Einfluss auf das Land aus, mit dessen Regierung Dom Pedro nach der Rückkehr des portugiesischen Königs Anfang der 1820er betraut wurde.
Einfluss auf die Unabhängigkeit
In politischen Angelegenheiten von Leopoldine erheblich beeinflusst, strebte Dom Pedro die Unabhängigkeit von Portugal an. Die Umsetzung der Unabhängigkeit steht in direktem Zusammenhang mit Leopoldine: Unter ihrem Vorsitz und in Abwesenheit ihres Mannes, der sich auf einer Reise nach Sao Paulo befunden hat, fällte der Staatsrat im September 1822 die Entscheidung zur Unabhängigkeit Brasiliens.
Der am 7. September gefeierte brasilianische Unabhängigkeitstag bezieht sich auf diese Entscheidung unter dem Vorsitz der Habsburgerin, die in Brasilien heute noch große Popularität genießt. Im selben Jahr wurde sie zur Kaiserin Brasiliens gekrönt.
Nach Fehlgeburt verstorben
Trotz gemeinsamer politischer Erfolge verlief die Ehe sehr unglücklich. Dom Pedros Liebesleben konzentrierte sich bald auf eine öffentliche Affäre mit damit verbundenen Demütigungen für die Kaiserin, die auch körperliche Gewalt erfuhr. Nach einer Fehlgeburt während der Schwangerschaft mit ihrem achten Kind verstarb Leopoldine im Jahr 1826 im Alter von 30 Jahren.
Ihr Leben gilt als besonders tragische Habsburger-Biografie. Wobei das einstige Herrscherhaus in Brasilien ganz offensichtliche Spuren hinterlassen hat: Das Gelb in der brasilianischen Flagge bezieht sich auf die Farben des Hauses Habsburg.
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Johannes Luxner, für ORF.at