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Bericht sieht Raum für Einsparungen

Das österreichische Gesundheitssystem ist im EU-Vergleich teuer und fragmentiert. Zu diesem Schluss kommt der Österreich-Teil des „State of Health in the EU“-Berichts, den die EU-Kommission am Donnerstag vorstellte. Als Problem ortet der Bericht unter anderem die aufgeteilte Zuständigkeit zwischen Bund und Ländern.

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Konkret wird in dem Bericht die „fragmentierte Verantwortlichkeit“ im österreichischen Gesundheitssystem angesprochen. So wird neben der Trennung von Bund und Ländern auch die Aufteilung der Verantwortlichkeit zwischen den Selbstverwaltungskörpern, etwa der Sozialversicherungsträger, benannt.

Die Studie, die in Kooperation mit der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD), dem European Observatory on Health Systems and Policies und der EU-Kommission entstand, sieht Österreich im EU-Vergleich bei den Kosten für die Gesundheitsversorgung auf dem sechsten Platz. So wurden 2015 pro Kopf etwa 3.800 ausgegeben - rund 1.000 Euro mehr als im kaufkraftbereinigten EU-Durchschnitt. Mit 10,3 Prozent des Bruttoinlandsproduktes lagen die Gesundheitsausgaben jedoch nur knapp über dem Schnitt von 9,9 Prozent.

Grafik zum Gesundheitssystem

Grafik: APA/ORF.at; Quelle: APA/EU/OECD

Gesundheitszustand unter dem Durchschnitt

Die hohen Kosten spiegeln sich aber nur zum Teil im Gesundheitszustand der Österreicherinnen und Österreicher wider. Die durchschnittliche Lebenserwartung bei Geburt in Österreich ist mit 81,3 Jahren zwar höher als im EU-Schnitt (80,6 Jahre). In Spanien, Italien und Frankreich liegt die Lebenserwartung allerdings um mehr als ein Jahr höher.

Der Gesundheitszustand im Alter ist dafür deutlich schlechter als im EU-Schnitt. Nach dem 65. Geburtstag können die Österreicher mit noch circa acht Jahren ohne Behinderung rechnen. Das sind etwa eineinhalb Jahre weniger als im EU-Durchschnitt. „Andere Länder erreichen hier bessere Resultate mit geringeren finanziellen Mitteln“, so Michael Gmeinder von der Abteilung für Gesundheit in der OECD. Mehr als ein Viertel der gesamten Krankheitsbelastung in Österreich steht laut dem Report in Zusammenhang mit ungesunden Lebensstilen. Das umfasst Tabak- und Alkoholkonsum, Ernährung und geringe körperliche Aktivität.

Ambulante Versorgung zur Effizienzsteigerung

Potenzial für Effizienzsteigerungen sieht der Report etwa in einer Stärkung der ambulanten Versorgung. Österreich weist laut den Studienergebnissen nach Deutschland die zweithöchste Bettendichte in der EU auf, seit 2000 habe sich diese nur um fünf Prozent verringert, während Länder wie Finnland und Dänemark eine Reduktion um circa 40 Prozent vorgenommen hätten. Auch in der Krankenhausentlassungsstatistik zeigt sich der hohe Anteil an stationärer Betreuung: Auf 1.000 Einwohner kamen 256 Entlassungen, deutlich mehr als im EU-Schnitt von 173. Nur Bulgarien wies eine höhere Fallzahl auf.

Marc Fähndrich, wirtschaftspolitischer Berater bei der Vertretung der EU-Kommission in Österreich, sagte bei einem Pressegespräch mit Experten der EU-Kommission und der OECD in Wien: „In Österreich dominiert der Krankenhaussektor. Bei einem Spital werden jedoch vielfach gesundheitspolitische Argumente von arbeitsmarkt- und strukturpolitischen Erwägungen überlagert. Dies ist nicht immer effizient und im Sinne des Patienten.“

Fast lückenloser Zugang zum Gesundheitswesen

Den Zugang ins Gesundheitssystem bewertet die Studie als gut. Im Jahr 2015 waren 99,9 Prozent der Bevölkerung durch die gesetzliche Krankenversicherung gegen das finanzielle Risiko bei Erkrankung abgesichert. Dennoch bleibt ein kleiner Teil der Bevölkerung unversichert. Hauptgründe dafür sind vor allem die fehlende Versicherungspflicht trotz Beschäftigung (etwa für geringfügig Beschäftigte), Arbeitslosigkeit und der Verlust der beitragsfreien Mitversicherung, zum Beispiel nach einer Scheidung.

Rückgang bei Ärzten mit Kassenverträgen

Problematisch sieht die Studie die Zahl der niedergelassenen Ärzte mit Kassenvertrag, die seit Jahren stagniert. Demgegenüber steht ein Anstieg bei den Wahlärzten, deren Zahl in den letzten Jahren jene der Vertragsärzte sogar übertroffen hat. Diese Entwicklung könne „zu sozialer Ungleichheit beitragen“, heißt es in der Studie.

Auch verweist der Report auf die ungünstige Altersstruktur bei den Vertragsärzten: Nahezu sechs von zehn niedergelassenen Kassenärzten sind mindestens 55 Jahre alt. Bei diesen ist in den nächsten zehn bis 15 Jahren mit dem Gang in den Ruhestand zu rechnen. Das werde die Stagnation der Vertragsärztezahl im niedergelassenen Bereich noch verschärfen.

Eine Stärkung der Primärversorgung im niedergelassenen Bereich wäre auch angebracht, um Krankenhauseinweisungen entgegenzuwirken, heißt es. Auch bestehe in Österreich bei Operationen Spielraum bei der Verschiebung vom teuren stationären in den ambulanten Bereich. So liege beispielsweise der Anteil von ambulant durchgeführten Operationen bei grauem Star (Katarakt) in Österreich - trotz eines Anstiegs auf 75 Prozent - noch immer unter jenem der meisten anderen EU-Staaten.

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