Parteichefin kämpft um politische Zukunft
Der fehlende Verhandlungsfortschritt bei den „Brexit“-Gesprächen zwischen London und Brüssel bringt die britische Premierministerin Theresa May in der eigenen Partei zunehmend unter Druck. In einem geheimen Brief haben zwei prominente Kabinettsmitglieder einem Medienbericht zufolge May aufgefordert, einen „harten Brexit“ durchzuziehen.
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Jegliche Übergangsregelungen nach einem Austritt aus der Europäischen Union müssten spätestens am 30. Juni 2021 enden, heißt es demnach in dem Schreiben von Außenminister Boris Johnson und Umweltminister Michael Gove, das der Sonntagszeitung „Mail on Sunday“ zugespielt wurde. Großbritannien soll die EU im März 2019 verlassen.
Das Land müsse auch auf ein No-Deal-Szenario vorbereitet sein, in dem Großbritannien die EU ohne eine Einigung mit Brüssel verlassen würde, argumentieren Gove und Johnson. „Wir sind zutiefst besorgt, dass die derzeitigen Vorbereitungen in einigen Teilen der Regierung nicht mit annähernd genug Energie voranschreiten“, so die Minister.
„Guardian“: Widerstand aus dem Parlament
Im britischen Abgeordnetenhaus soll sich unterdessen Widerstand gegen einen „harten“ EU-Austritt Großbritanniens formieren, berichtete der „Guardian“ am Sonntag. Laut dem Blatt fordert eine überparteiliche Gruppe von Parlamentariern mehr Mitspracherecht bei der finalen Entscheidung über die Konditionen des „Brexits“. Einige Tory-Abgeordnete sollen zudem auf ein Vetorecht des Parlaments bestehen, sollten die „Brexit“-Verhandlungen in einem schlechten oder gar keinem Übereinkommen mit der EU enden, so der „Guardian“.

Reuters/Stefan Rousseau
Die Minister Gove und Johnson (rechts) erhöhen den Druck auf May
Zudem gibt es erneut Spekulationen darüber, dass May ihr Amt als Tory-Parteichefin räumen muss. Einem Bericht der „Sunday Times“ zufolge sollen bereits 40 konservative Parlamentsmitglieder bereit dazu sein, einen Misstrauensantrag gegen May zu unterzeichnen. Sollten sich acht weitere finden, könnten sie May in eine Kampfabstimmung um den Parteivorsitz zwingen, so die britische Zeitung.
Weiter kaum Fortschritte bei Verhandlungen
Nach einer weiteren „Brexit“-Verhandlungsrunde ohne Durchbruch hatte der EU-Unterhändler Michel Barnier der britischen Regierung am Freitag eine Frist von zwei Wochen für Zugeständnisse gesetzt. Zuvor hatten Barnier und seine Experten bereits zum sechsten Mal mit „Brexit“-Minister David Davis und der britischen Delegation über den EU-Austritt verhandelt, aber weiter keinen „ausreichenden Fortschritt“ bei den drei wichtigsten Forderungen der EU erzielt.
Wenn es binnen 14 Tagen keine Grundsatzeinigung gebe, werde man im Dezember nicht wie geplant mit den Gesprächen über die künftigen Beziehungen zu Großbritannien beginnen können, so Barnier.
Drei vorrangige Themen
Die EU will drei Themen unbedingt zuerst klären: die britischen Finanzverpflichtungen nach mehr als 40 Jahren EU-Mitgliedschaft, den künftigen Status der nordirisch-irischen Grenze und Garantien für Millionen EU-Bürger in Großbritannien.
Das Schreiben zeigt weitere Risse in Mays Regierung. Darin betonen die beiden Minister auch, dass Großbritannien vor der nächsten Parlamentswahl ein vollständig unabhängiges und selbst verwaltetes Land sein müsse. Sowohl Gove als auch Johnson galten zeitweise als potenzielle Kandidaten für das Amt des britischen Premierministers.
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