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Keine neuen Verpflichtungen

Hinter PESCO, der Ständigen Strukturierten Zusammenarbeit, steht eine neue Form der europäischen Militärzusammenarbeit, die am Montag bei einem Treffen der EU-Außen- und -Verteidigungsminister feierlich aus der Taufe gehoben worden ist. Österreich unterzeichnete ebenso wie 22 weitere EU-Staaten in Brüssel ein Dokument, das den Grundstein für eine europäische Verteidigungsunion legen soll.

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Der mit der Regierungsbildung beauftragte Außenminister Sebastian Kurz (ÖVP) nahm an der Tagung teil. „Ich bin froh, dass Österreich dazu eine Erklärung abgegeben hat“, sagte Kurz nach der Unterzeichnung. Bereits bei seiner Ankunft in Brüssel verwies er auf einen gemeinsamen Ministerratsbeschluss in Österreich als Grundlage für die Unterzeichnung.

Aus der Zusammenarbeit würden sich auch „Chancen“ ergeben, so Kurz vor Journalisten. Stärkere Kooperation sei „dringend“ nötig, um die EU-Außengrenzen „unter Kontrolle zu bringen“, so Kurz. Auch sei Kooperation sinnvoll, etwa in den Bereichen Ausbildung und Kampf gegen Cyberattacken. Zudem könne man sich „sogar etwas sparen“, Kurz nannte den gemeinsamen Einkauf von militärischem Gerät. Insbesondere in Sachen Ausbildung könne Österreich einen Beitrag leisten.

„Im Einklang mit Neutralität“

Angesprochen auf rote Linien die Neutralität betreffend sagte Kurz, es gebe immer faktische und rechtliche Möglichkeiten eines Staates. „Dadurch, dass wir ein kleiner bis mittlerer und neutraler Staat sind, haben wir natürlich andere Grundvoraussetzungen als andere Länder der EU“, so Kurz, der damit vor allem unterschiedliche finanzielle Beiträge je nach Mitgliedsland meinte. Stärkere Zusammenarbeit habe immer mit der Neutralität in Einklang zu stehen, so Kurz. Diese sei „Teil der österreichischen Identität“.

Zuvor liefen noch Gespräche zwischen Außen- und Verteidigungsministerium. Der Ministerratsbeschluss vom September, mit dem grundsätzlich eine Teilnahme Österreichs an der EU-Militärzusammenarbeit ermöglicht wurde, stelle „eine ausreichende Grundlage dar, um es am Montag zu notifizieren. Wir als Verteidigungsministerium haben Interesse daran, dass wir vom Start weg teilnehmen können“, sagte der Sprecher von Verteidigungsminister Hans Peter Doskozil (SPÖ), Stefan Hirsch, im Vorfeld.

Mitten in Koalitionsverhandlungen

Skeptische Stimmen gab es jedoch im Vorfeld auch in Wien: Auf ORF.at-Nachfrage betonte Reinhard Bösch, der für die Freiheitlichen im Verhandlungsteam zum Thema Sicherheit und Verteidigung sitzt, seine Partei habe grundsätzlich „angeregt“, dass vor Abschluss der Koalitionsverhandlungen die noch amtierende SPÖ-ÖVP-Regierung keine „gravierenden“ Beschlüsse fällen sollte. Zu PESCO selbst wollte sich Bösch nicht äußern - er kenne die Details, die Österreich hier ausverhandelt habe, nicht. Die Militärkooperation war demnach bisher aber kein Thema in der Untergruppe. Grundsätzlich sei die FPÖ - unter Wahrung der Neutralität - immer für eine verstärkte europäische Verteidigungspolitik, betonte Bösch.

Spätere Beteiligung möglich

Der eigentliche und rechtlich verbindliche Ratsbeschluss zur Gründung von PESCO soll Mitte Dezember vor einem EU-Gipfel in Brüssel erfolgen. Auf internationaler Ebene gilt neben dem Fehlen einer starken außenpolitischen Kompetenz der EU, die nationalstaatliche Verteidigungspolitik als größtes Manko - während der Binnenmarkt Europa zu einem globalen wirtschaftlichen Player machte.

Neben einer stärkeren Verbindlichkeit der Gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik soll PESCO auch mehr wirtschaftliche Effizienz bringen, wie das deutsche Verteidigungsministerium erläutert. Europas Ausgaben für Verteidigung würden sich auf rund ein Drittel dessen belaufen, was die USA ausgeben - allerdings habe man „nur zehn bis 15 Prozent der amerikanischen Fähigkeiten“. Abzuwarten bleibt freilich, ob es mit PESCO gelingt, in der strategischen Ausrichtung und Kooperation tatsächlich mehr Einheitlichkeit zu schaffen. Die Entscheidungsmacht liegt auch im Rahmen von PESCO weiter praktisch ausschließlich bei den nationalen Regierungen.

Bis zum Dezember-Gipfel haben die Staaten noch Zeit, sich mit konkreten, ersten Projekten einzubringen. Auch später noch steht die neue Militärzusammenarbeit anderen EU-Ländern offen. Auch die Beteiligung von Nicht-EU-Staaten, wie etwa in Zukunft Großbritannien, wird laut EU-Angaben noch geprüft.

Gemeinsame Projekte

PESCO schafft zunächst einmal keine EU-Interventionstruppe und auch keine neue militärische Kommandostruktur für gemeinsame EU-Militärmissionen. Die Zusammenarbeit der EU-Staaten soll sich mehr evolutionär als revolutionär durch gemeinsame Investitionen, die gemeinsame Entwicklung neuer Verteidigungskapazitäten und durch gemeinsame Operationen weiter entwickeln. Eine wichtige Rolle spielt dabei auch der im Aufbau befindliche EU-Verteidigungsfonds.

Grafik zur militärischen Machtverteilung

Grafik: APA/ORF.at; Quelle: APA/EPSC

Die teilnehmenden EU-Staaten bekennen sich grundsätzlich zu einem regelmäßigen Anstieg ihrer Verteidigungsbudgets. Im Verteidigungsministerium sieht man diese Vorgabe durch den nationalen Budgetrahmen erfüllt. Anders als in der NATO, für deren Mitglieder ein Ziel von zwei Prozent der Wirtschaftsleistung gilt, sind die Kriterien bei PESCO aber bisher sehr viel weicher formuliert.

Ein konkreter Prozentsatz sei nicht vorgesehen, erklärten Diplomaten. Auch würden die teilnehmenden Staaten keine neuen Verpflichtungen abgeben. Österreich kam bei den Verteidigungsausgaben 2015 mit 0,6 Prozent nur auf den viertletzten Platz der 28 EU-Staaten.

„Abstimmung“ mit NATO

Die selbst auferlegten Ziele in den nationalen Verteidigungsplänen sollen aber künftig auch im EU-Rahmen gemeinsam mit dem Europäischen Auswärtigen Dienst (EAD) und der EU-Verteidigungsagentur (EDA) überprüft werden. Hält sich ein Land nicht an seine Ziele, könnte es aufgefordert werden, PESCO auch wieder zu verlassen, sagte ein ranghoher EU-Diplomat in Brüssel. Die Entwicklung gemeinsamer Kapazitäten soll jedenfalls in Kohärenz mit der NATO stattfinden.

Ausbildung von Gebirgsjägern

Bisher hieß es, Österreich könnte sich im Rahmen der PESCO durch zwei Projekte einbringen, nämlich durch die Gebirgsjäger-Ausbildung und durch ein Industrieprojekt zu Cybertechnik und Luftsensorik. Aus dem Verteidigungsministerium hieß es zuletzt, zur Einreichung konkreter Projekte habe man noch bis Mitte Dezember Zeit. Es sei am Beginn daran gedacht, sich zunächst an bestehenden Projekten zu beteiligen. In einem zweiten Schritt könnte Österreich dann selbst Projekte initiieren.

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