Schwaches Ergebnis auch für Bures
Mit sehr unterschiedlichen Abstimmungsergebnissen zieht das Nationalratspräsidium in die 16. Gesetzgebungsperiode: Präsidentin Elisabeth Köstinger (ÖVP) bekam die geringste Zustimmung, der Dritte Präsident Norbert Hofer (FPÖ) das zweitbeste Votum der letzten 30 Jahre. Wohl im Retourkutscheneffekt musste sich auch Doris Bures (SPÖ) als Zweite Präsidentin mit eher geringer Unterstützung begnügen.
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Vor allem dass die ÖVP ihren bisherigen Zweiten NR-Präsidenten Karlheinz Kopf überging und Generalsekretärin Köstinger nominierte, hatte schon im Vorfeld für Unverständnis bei anderen Parteien gesorgt. Argumentiert wurde, dass Köstinger dem Nationalrat bisher nicht angehört hatte und sie noch dazu eine Übergangslösung sein könnte, gilt sie vielen doch als Fixstarterin in der neuen Regierung. Dass sich an dieser Skepsis nichts geändert hat, zeigte sich nun auch bei der Wahl.

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Mit 38 Jahren ist Köstinger die bisher jüngste Präsidentin des Nationalrats
Auch ÖVP-Stimmen für Kopf?
Köstinger musste sich mit rund 67 Prozent der gültigen Stimmen begnügen und damit mit deutlich weniger Zustimmung als alle ihre Vorgänger. NEOS hatte bereits in der Debatte davor angekündigt, für Kopf zu stimmen. Allerdings taten es ihnen dann noch 46 andere Mandatare in der geheimen Abstimmung gleich. Die bisherige ÖVP-EU-Abgeordnete Köstinger ist damit nicht nur die jüngste Nationalratspräsidentin aller Zeiten - sie ist auch die Präsidentin mit der geringsten Unterstützung.
Köstingers Vorgängerin Bures wurde 2014 mit 78 Prozent zur Nachfolgerin der verstorbenen Barbara Prammer gekürt. 1996 erhielt Heinz Fischer (SPÖ) bei seiner dritten Wahl 79,33 Prozent der Stimmen. Auch damals hatte die ÖVP eine vorgezogene Wahl initiiert, aber - anders als heuer - nicht die erhoffte schwarz-blaue Mehrheit geschafft. Fischer war 1990 noch mit mehr als 90 Prozent (92,17) gewählt geworden, sein Vorgänger Leopold Gratz (SPÖ) bekam 93,53 Prozent.

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Für den nicht nominierten Kopf stimmten 56 Abgeordnete
Anzunehmen ist, dass der größte Teil der Stimmen für Kopf von der SPÖ kam, deutete doch der geschäftsführende Klubchef Andreas Schieder an, dass nicht alle in seiner Fraktion den üblichen Usancen folgen würden. Spekuliert wird laut APA aber auch darüber, dass sich auch das eine oder andere ÖVP-Klubmitglied für den an sich nicht nominierten Kopf ausgesprochen haben könnte, hatte dieser doch bei der Abstimmung im Klub am Tag davor vier Stimmen erhalten.
Köstinger will „neue politische Kultur“
Die neue Präsidentin sprach nach der Sitzung gegenüber Journalisten dennoch von einem „sehr guten Ergebnis“ für sich. Dass sie das Parlament bald für einen Ministerposten verlassen könnte, bestätigte sie nicht, im Gegenteil: „Diese Frage stellt sich nicht.“ Köstinger will nun mit den anderen Fraktionen Gespräche aufnehmen und ihr „Bestes dafür tun, Präsidentin für alle zu sein“.
„Müssen erneuern, wie wir miteinander umgehen“
„So wie im alten Parlamentsgebäude Wände, Böden und Einrichtung erneuert werden, müssen auch wir erneuern, wie wir miteinander umgehen“, sagte Köstinger in ihrer Antrittsrede.
Sie wolle auch eng mit den Bürgern in Kontakt sein und deren Anliegen im Hohen Haus vertreten, sagte Köstinger in ihrer Antrittsrede. Ihre Wahl nehme sie mit großer Demut und Dankbarkeit an und sei stolz, zwei starken Frauen wie Prammer und Bures folgen zu dürfen.
Köstinger warb in ihrer Antrittsrede dann auch für „eine neue politische Kultur“, die die Menschen wieder an die Politik glauben lasse. Vielleicht müsse man sich auch hier manchmal einfach dazu durchringen, über den anderen etwas Positives zu sagen. Sie selbst habe sich immer schon für eine politische Kultur eingesetzt, die das Gemeinsame vor das Trennende stelle. Sich selbst bezeichnete Köstinger als gleichzeitig glühende Österreicherin und glühende Europäerin. Sie sehe sich als Verbinderin der Interessen zwischen Fraktionen und auch innerhalb Europas.
„Ja, wir haben vieles auf den Weg gebracht“
Bures zog in ihrer Abschiedsrede Bilanz über ihre Zeit als Nationalratspräsidentin. „Ja, wir haben vieles und vieles davon gemeinsam auf den Weg gebracht“, sagte Bures.
Über 83 Prozent stimmen für Hofer
Eine Retourkutsche der „neuen Volkspartei“ für das vergleichsweise schwache Abschneiden Köstingers lässt sich dann hinter dem Ergebnis der Wahl von Bures ins Amt der Zweiten Nationalratspräsidentin vermuten. Bures erhielt mit 115 der 174 gültigen Stimmen lediglich 66 Prozent. 23 Stimmen gingen an SPÖ-Chef Christian Kern, wiewohl dieser im Gegensatz zu Kopf nie Interesse an einem Amt im Präsidium geäußert hatte.

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Auch bei Hofer wird über einen Wechsel in die Regierung spekuliert
Quasi lachender Dritter war Hofer, der mit 83,5 Prozent das klar beste Ergebnis erzielte. Freilich ist auch bei ihm nicht klar, ob er fünf Jahre durchdient: Im Fall einer freiheitlichen Regierungsbeteiligung könnte der knapp gescheiterte Hofburg-Kandidat zu Ministerehren kommen.
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