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Todoric stellt sich der Polizei

Über Jahrzehnte ist der Lebensmittel- und Handelskonzern Agrokor mit starker politischer Rückendeckung aufgebaut worden, doch das Imperium steht mit Milliardenschulden vor dem Fall. Zusätzlich wurde am Dienstag Ivica Todoric, der Ex-Chef von Agrokor, in London festgenommen. Der Richter ließ den 66-Jährigen aber gegen eine Kaution von 100.000 Pfund (113.534 Euro) gehen, wie das kroatische Fernsehen N1 in Zagreb berichtete.

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Allerdings habe er seinen Pass abgeben müssen und trage jetzt eine elektronische Fußfessel. „Das ist ein kleiner Sieg, jetzt bin ich Londoner Bürger“, zitierte der TV-Sender den Beschuldigten beim Verlassen des Gerichts. Seit Wochen befand sich Todoric auf der Flucht, bis er sich schließlich freiwillig der Londoner Polizei stellte. Die kroatischen Behörden hatten bereits vor über zwei Wochen international nach dem Tycoon gefahndet. Todoric werden Konkursverschleppung und Bilanzfälschung vorgeworfen.

Sechs Milliarden Euro Schulden

Eine Überprüfung der Agrokor-Bilanzen deckte große Unregelmäßigkeiten in der Buchführung auf. Das Unternehmen soll mit schätzungsweise sechs Milliarden Euro verschuldet sein. Außerdem verzeichnete der Konzern Verlustgeschäfte von 1,5 Milliarden Euro im vergangenen Jahr. Die Folge waren Strafanzeigen gegen die frühere Führung.

Insgesamt 15 ehemalige Vorstands- und Aufsichtsratsmitglieder, darunter neben Todoric auch seine zwei Söhne, werden in der Affäre beschuldigt, mindestens 130 Millionen Euro aus Agrokor auf Privatkonten umgeleitet zu haben.

Konzum-Filiale in Zagreb

APA/AFP

Die Supermarktkette Konzum soll vom Staat restrukturiert werden

Übernahme durch kroatische Regierung

Um den Konkurs noch abzuwenden, hatte die kroatische Regierung Agrokor per Sondergesetz übernommen. Der vom Staat eingesetzte Sanierungsmanager Ante Ramljak geht davon aus, dass zwischen 60 und 70 Prozent der Schulden erlassen werden müssen. Er zeigte sich „zu 100 Prozent“ überzeugt, mit den Gläubigern eine Einigung erreichen zu können. Laut dem Sanierungsplan wird mit einer Einigung im ersten Quartal 2018 gerechnet.

Zu den Gläubigern gehören Anleiheinhaber, Lieferanten sowie nationale und internationale Banken, darunter auch österreichische Finanzinstitute. Der Sanierungsplan sieht eine Konzentration auf das Kerngeschäft vor. Dem Plan zufolge, der bis 2021 gelten soll, wird sich die Agrokor-Gruppe auf drei Tätigkeitsbereiche (Einzelhandel, Nahrungsmittelproduktion, Agrarbetriebe) fokussieren. Damit bleiben rund 20 Firmen innerhalb der Gruppe erhalten.

Das Kerngeschäft, insbesondere der Einzelhandel mit seinen Handelsketten Mercator (Slowenien) und Konzum (Kroatien), soll umfassend restrukturiert werden. Das Nichtkerngeschäft wird hingegen verkauft, der erwartete Erlös beläuft sich auf rund 40 Millionen Euro. Veräußert werden insgesamt 80 Unternehmen, unter anderem aus dem Tourismus und dem Energiesektor, rund 200 Immobilien sowie der Firmenhubschrauber und eine Jacht.

Einst Gewinne für kroatische Wirtschaft

Todoric fühlt sich seines Unternehmens beraubt - schließlich hatte sich der Konzern in seinem 30-jährigen Bestehen von einem kleinen Familienunternehmen, das Blumen gepflanzt und verkauft hat, zu einem der führenden Lebensmittel-Einzelhandelskonzerne Südosteuropas entwickelt. Der Konzern hat derzeit rund 60.000 Beschäftigte.

Für das Jahr 2015 wurde noch ein Umsatz von 6,5 Milliarden Euro verzeichnet, was etwa 16 Prozent des kroatischen Bruttoinlandsprodukts entspricht. Damals hatte die Gruppe einen Gewinn von 480 Millionen Euro ausgewiesen, obwohl sich später ein Verlust von 160 Millionen Euro herausgestellt hatte.

Weitreichende Folgen für Südosteuropa?

Aber Regierungsgegner hatten bemängelt, dass die Politik seit Jahrzehnten mit Todoric verbandelt gewesen sei. Nur so habe der Geschäftsmann ein solches Riesenunternehmen aufbauen können. Nach Medienberichten sollen auch führende Politiker, darunter ein amtierender Minister, zeitweise in dem Unternehmen in leitenden Positionen gearbeitet haben und in den Skandal verstrickt sein.

Ein Konkurs hätte nicht nur für das größte kroatische Privatunternehmen dramatische Folgen, sondern auch für Kroatien und die gesamte südosteuropäische Wirtschaftsregion - auch heimische Banken gewährten Agrokor in der Vergangenheit Kredite. Bereits zu Jahresbeginn hatte die Ratingagentur Moody’s Agrokor von „B2“ auf „B3“ mit stabilem Ausblick heruntergestuft.

Von 21 Ratingstufen wurde das Unternehmen damit auf die sechstletzte gesetzt. Moody’s argumentierte das mit dem im Vorjahr geringen Geschäft, sodass Agrokor das geforderte Verhältnis von Krediten zu Einnahmen nicht einhalten werde können.

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