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Die Paradise-Papers sorgen für Ärger

Man kann Appleby getrost als eine renommierte Offshore-Anwaltskanzlei bezeichnen. Doch nun steht die Sozietät im Zentrum des neuen Datenlecks, das am Sonntag unter dem Namen Paradise-Papers öffentlich gemacht wurde. Interne Dokumente zeigen, dass sich trotz Renommee und strenger Compliance-Richtlinien immer wieder dubiose Klienten einschleichen.

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Die Paradise-Papers, das sind 1,4 Terabyte an Daten in Form von insgesamt rund 13,4 Millionen Dokumenten. Rund 6,8 Millionen stammen von Appleby, Appleby-Töchtern und von mit der Kanzlei in Verbindung stehenden Partnerfirmen.

Internationales Recherchenetzwerk

Der gesamte Datensatz, bestehend aus E-Mails, Bankauszügen, Firmenbucheinträgen und anderen Dokumenten, wurde ursprünglich – wie schon 2016 die Panama-Papers – der „Süddeutschen Zeitung“ zugespielt. Die wiederum teilte die Informationen mit dem Internationalen Konsortium investigativer Journalisten (ICIJ). Über ein Recherchenetzwerk von fast 400 Journalisten und 96 Medienpartner aus 67 Ländern wurden die Daten mehrere Monate lang ausgewertet.

ORF und „Falter“ beteiligt

In Österreich waren „Falter“ und ORF beteiligt. Beim ORF recherchierten Ulla Kramar-Schmid, Stefan Daubrawa, Kaspar Fink, Jakob Weichenberger und ORF.at-Datenexperte Günter Hack. Die Paradise-Papers ergänzen und vertiefen die Einblicke in die Offshore-Industrie und ihre Strukturen, die die Panama-Papers im vergangenen Jahr enthüllt hatten. Auch damals waren ORF und „Falter“ Teil des internationalen Rechercheteams.

Auch Offshore gelten strenge Regeln

Als Compliance wird in Unternehmen die Einhaltung von gesetzlichen Bestimmungen sowie auch unternehmensinternen Richtlinien bezeichnet. Im Fall von Appleby bedeutet das etwa, dass die Anwaltskanzlei sich verpflichtet, keine Dienstleistungen beispielsweise für kriminelle Kunden zu erbringen.

Als Robert Woods 2006 zur Compliance-Abteilung der Appleby-Niederlassung auf den Cayman Islands kam, gab es dort allerdings durchaus gewisse Compliance-Probleme: Mehr als 600 Klienten waren als „non-compliant“ gekennzeichnet. Mit anderen Worten: Es fehlten Informationen zum Hintergrund der Klienten, um sicherzustellen, dass Dienstleistungen nicht etwa für Kriminelle oder korrupte Politiker erbracht wurden.

Schmutziges Geld

Fünf Jahre später wurde Woods zum Leiter der Compliance-Abteilung bei Appleby ernannt. Eine Position, die er heute noch innehat. Eine interne Präsentation, die Woods wohl Ende 2011 zusammengestellt hat, gibt einen ungefilterten Einblick in den damaligen Zustand von Appleby aus Sicht der Compliance. Illustriert ist sie mit Bildern der US-Mafia-Serie „Die Sopranos“.

Der neue Director of Compliance ging die Kundendatenbank seines Arbeitgebers offenbar akribisch durch. So wird in der Präsentation etwa festgestellt, dass die Kanzlei in einem Fall möglicherweise auf Geldern sitzt, die der Terrorismusfinanzierung dienen sollen. In einem anderen Fall scheint Appleby mit veruntreuten Geldern für einen Kunden Grundbesitz in London gekauft zu haben.

Dabei gab es selbstverständlich klare Compliance-Regeln. Auf einer Folie etwa finden sich alle Informationen aufgelistet, die Applebys Angestellte über ihre Kunden wissen mussten. In den Vortragsnotizen zu dieser Folie wird angemerkt: „Einiges von dem Mist, den wir akzeptieren, ist erstaunlich, wirklich erstaunlich.“

Appleby weist Fehlverhalten von sich

Auf detaillierte Fragen vonseiten des ICIJ lieferte Appleby keine Antworten. Das Unternehmen veröffentlichte allerdings als Reaktion eine Pressemitteilung auf seiner Website. „Appleby hat die Vorwürfe sorgfältig und gründlich untersucht, und wir sind überzeugt, dass es keinerlei Belege für ein Fehlverhalten gibt. Nicht bei uns selbst, und auch nicht bei unseren Kunden“, heißt es darin.

Und an anderer Stelle: „Wir sind eine Offshore-Anwaltskanzlei, die ihre Kunden berät, wie sie rechtmäßig und legal ihrer Geschäfte führen können. Wir tolerieren illegales Verhalten nicht. Es ist zutreffend, dass wir nicht unfehlbar sind. Wenn wir feststellen, dass Fehler geschehen sind, handeln wir rasch, um alles in Ordnung zu bringen, und wir machen die notwendigen Meldungen an die zuständigen Behörden.“

Offshore-Kanzlei mit gutem Ruf

Tatsächlich zählt Appleby zu den renommiertesten Offshore-Kanzleien weltweit. Kaum verwunderlich also, dass zu den Kunden etwa auch führende Wirtschaftsprüfungsgesellschaften, Banken und Investmentfirmen gehören. Die Liste umfasst unter anderem KPMG, Ernst & Young, PricewaterhouseCoopers, Citigroup, Bank of America, HSBC, Credit Suisse und Wells Fargo.

Den Titel „Offshore-Kanzlei des Jahres“ hat man selbstverständlich schon einmal gewonnen. Ehemalige Angestellte finden sich heute beispielsweise als Parlamentarier, Richter und Regierungsbeamte. Und unter den Kunden finden sich Prinzessinnen ebenso wie Hollywood-Stars, Oligarchen und Personen sowie Unternehmen mit Verbindungen zur Politik.

Dubiose Kunden trotz Compliance

Dennoch fallen auch bei Appleby immer wieder Klienten bzw. Informationen, die Klienten betreffen, durch das eigentlich vorgegebene strenge Compliance-Raster. Wiederholt finden sich dazu Notizen und Informationen im Datenkonvolut. So gehörte etwa ein Unternehmen mit überaus zweifelhaftem Geschäftsinhalt fast 20 Jahre zu den Kunden der Kanzlei, bevor das intern auffiel: „Wir haben diese Beziehung seit geraumer Zeit“, schreibt dazu ein Appleby-Anwalt. „Wie kann es sein, dass wir das nicht früher wussten?“

Strafzahlung an die Behörden

Und als die Bermuda Monetary Authority im Oktober 2014 eine Appleby-Tochter unter die Lupe nahm, identifizierte die Untersuchung diverse „wichtige oder ganz erhebliche“ Schwächen. Bei fast der Hälfte der untersuchten Akten fehlten Informationen zur Herkunft der Gelder, die für die Klienten verwaltet wurden.

Es gebe keinen Hinweis, dass Appleby Geldwäsche- und Terrorismusfinanzierungsrisiken identifiziert habe, stellte die Behörde fest. Außerdem hatte Appleby offensichtlich diverse Empfehlungen aus früheren Prüfungen nicht angenommen. Eine Strafzahlung war die Folge. Weder die Zahlung an sich noch die Höhe der Strafe wurden öffentlich gemacht. Und auch die Behörde verweigerte gegenüber dem ICIJ jegliche Information dazu.

Sargnagel für die Offshore-Industrie

Die anfangs erwähnte Präsentation von Compliance-Direktor Woods ist eine von mindestens vier, die das Compliance-Team von Appleby zwischen 2007 und 2015 erstellt hat. Es ist nicht bekannt, ob diese Präsentationen jemals intern gehalten wurden. Doch in einer davon findet sich eine hellsichtige Warnung: „Jede neue Untersuchung, die einen Offshore-Treuhänder als Marionette kontrolliert von einem Kriminellen zeigt“, werde ein weiterer „Sargnagel für die Industrie“ sein.

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