Experten sehen wenig Spielraum für Steuersenkungen

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Budgetexperten fordern von der künftigen Regierung Strukturreformen und sehen Steuersenkungen ohne entsprechende Gegenfinanzierungsmaßnahmen kritisch. Verlangt wird auch eine antizyklische Konjunkturpolitik.

WIFO-Budgetexpertin Margit Schratzenstaller teilte die Einschätzung der Koalitionsverhandler von ÖVP und FPÖ, die bei ihrem Kassasturz bisher kein Budgetloch ausmachten. Die neue Regierung übernehme eine - im Vergleich mit der Vergangenheit - „relativ günstige Budgetlage“.

Spielraum für ausgabenseitige Maßnahmen gebe es aber keinen, warnte die WIFO-Expertin. Auch für eine substanzielle Steuersenkung ohne Gegenfinanzierungsmaßnahmen sei kein Platz. Notwendigkeit für ein Sparpaket sieht Schratzenstaller aber auch nicht. Vielmehr bedürfe es struktureller Reformen, hier gebe es „große Herausforderungen“.

Forderung nach Nulldefizit

Der Präsident des Fiskalrats, Bernhard Felderer, erachtet die Budgetlage für 2017 als „sehr gut“, wie er „als Privatperson“ (und nicht in seiner Funktion als Fiskalratspräsident) sagte. Kritisch merkte er jedoch an, dass - im Sinne einer antizyklischen Budgetpolitik - in der Hochkonjunkturphase ein Nulldefizit (nach Maastricht) erreicht werden sollte.

Spielraum für Steuerentlastungen ohne entsprechende Gegenfinanzierung sieht auch Felderer nicht. Auch müsse man bei der Gegenfinanzierung insofern vorsichtig sein, als viele mögliche Gegenfinanzierungsmaßnahmen im ersten Jahr noch gar nicht greifen würden: So würden Selbstfinanzierungseffekte aus einer etwaigen Steuersenkung bei den Einkommenssteuern erst später greifen.

Ein Senken der Abgabenquote insgesamt gehe nur bei gleichzeitiger Ausgabensenkung. Er hoffe, dass die künftige Regierung bei den Ausgaben - etwa den Subventionen - „genauer hinschaut“, so der Budgetexperte. Einmal mehr warnte Felderer vor dem Griff zu weiteren vermögensbasierten Steuern. In diesem Bereich sei in den letzten Jahren viel geschehen, hier müsse man vorsichtig sein.

„Strukturelle Maßnahmen setzen“

Der Ökonom Peter Brandner von der Initiative „Weisse Wirtschaft“ sieht die Steuersenkungsversprechen der Koalitionsverhandler skeptisch. Auch er verwies auf das vom Finanzministerium für 2018 erwartete „strukturelle Defizit“, dieses sei eigentlich um 0,6 Prozentpunkte zu hoch. „Daher müssten wir eigentlich strukturelle Maßnahmen setzen“, so Brandner.

Dass die Parteien das 2018 wieder steigende strukturelle Defizit im Wahlkampf ignoriert und weitere Steuersenkungen in Aussicht gestellt haben, ist für Brandner unverständlich. Denn Steuersenkungen würden das strukturelle Defizit weiter steigen lassen.

Zudem besteht auch aus Brandners Sicht angesichts der aktuell boomenden Wirtschaft keine Notwendigkeit für Steuersenkungen: „Eine Entlastung in der Hochkonjunktur wäre prozyklisch, das sieht auch die EU-Kommission so.“