Zwischen Veränderung und Balance
Beim zehnten und letzten ORF-TV-Duell sind am Mittwochabend Kanzler Christian Kern (SPÖ) und Außenminister ÖVP-Chef Sebastian Kurz aufeinandergetroffen. Beide Parteichefs stellen den Kanzleranspruch, haben aber völlig unterschiedliche Konzepte, wie Österreich in der Zukunft aussehen soll. Bei so gut wie keinem Thema herrschte Einigkeit bei den Chefs der Regierungsparteien.
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Das wurde bereits bei der Frage, was einen guten Kanzler auszeichne, klar. Ein Kanzler müsse im Jahr 2017, wo viel gut laufe, aber es auch Fehlentwicklungen in Österreich gebe, den Mut zur Änderung haben, so Kurz. Kern sieht indes vor allem die soziale Balance im Mittelpunkt der Regierungsverantwortung.
Was zeichnet einen Kanzler aus?
Die Rolle des Regierungschefs ist bei Kern und Kurz unterschiedlich angelegt - zum Wohle Österreichs.
Vom Sparstift und Entlastungen
Bei der Finanzierung des Staates der Zukunft sieht Kern auch vor allem zwei Dinge. Für „die Leistungsträger, die arbeiten gehen, Kinder groß ziehen“, müsse es möglich sein, sich eine gute Zukunft aufbauen und sich etwas leisten zu können. So will Kern auch etwa ins Gesundheits-, Bildungs- und Pflegesystem sowie in die Verwaltungsreform investieren. Er sieht Einsparungsmöglichkeiten bei den Föderalistischen Strukturen Österreichs. Einsparungen sollten aber mit Augenmaß erfolgen. „Nichts versprechen, was wir nicht einhalten können“, so Kern.
Neustrukturierung des Steuersystems
Beide sehen vor allem kleine und mittlere Einkommensschichten als Wählergruppe, doch wie man diese unterstützen will, sieht unterschiedlich aus.
Für den Slogan gab es Zustimmung von Kurz. Aber die Politik habe auch die Aufgabe, sich die Latte so hoch wie möglich zu stellen, so Kurz weiter. Er, Kurz, habe großes Interesse, dass den arbeitenden Menschen mehr übrig bleibe. Er sprach sich für Kürzungen im Bereich der Staatsausgaben aus. Alleine wenn man sicherstelle, dass die Ausgaben nicht über die Inflation stiegen, würde man Milliarden über die nächste Legislaturperiode sparen. Er wolle auch Entlastung für kleinere und mittlere Einkommen, die oberen Progressionsstufen sollten gar nicht angetastet werden. Wenn er Regierungschef werde, versprach Kurz als Familienentlastung einen Kinderbonus von 1.500 Euro.

ORF/Hans Leitner
Kurz und Kern liefern sich einen heftigen Schlagabtausch
Was ist los im Gesundheitssystem
Im Gesundheitssystem will Kern 700 Millionen aus Einsparungen bei den Sozialversicherungen wieder zurückinvestieren und so die Leistungen verbessern. Jeder, ob arm oder reich, solle sich auf die beste Versorgung verlassen können, so Kern. Kurz sieht indes die Zuwanderung in dem Bereich als Problem an. Sie würde zu viel kosten. Die Zuwanderung solle weniger werden. Es werde genug investiert, Österreich sei Spitzenreiter im Gesundheitssystem, aber es komme zu wenig bei den Menschen an, die Qualität werde schlechter.
Wie und wo ist es sinnvoll zu sparen?
Auch hier wurden die Unterschiede in den Programmen deutlich sichtbar - bis hin zu gegenseitigen Vorwürfen.
Kurz will auch Sanktionen gegen Bundesländer, die in die Transparenzdatenbank nicht einmeldeten und so doppelte Inanspruchnahme von Leistungen machten. Kern warf ihm indes vor, den Menschen nicht reinen Wein einzuschenken, sondern die Diskussion zu verschleppen.

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Kurz und Kern kämpfen mit harten Bandagen
Gegenseitige Vorwürfe
Beim Schlagwort Registrierkassa bei Großkonzernen gab sich Kern überzeugt, dass man nicht nur bei internationaler Zusammenarbeit etwas erreichen könne, sondern auch auf nationaler Ebene etwa bei Werbeabgaben und bei der Struktur des Steuersystems. Wiederholt warf er Kurz vor, dass nur die Großen von ihm Steuergeschenke bekämen. Kern verwies erneut dabei auf Großspender und deren Einfluss auf die ÖVP.
Kurz konterte, dass Kern mit seinen Aussagen erneut auf Dirty Campaning setze, und verwies auf seine Entlastungskonzept für kleine und mittlere Einkommen und den bereits erwähnten Familienbonus. Kurz verwies auch auf das Modell der digitalen Betriebsstätte. Gewinne sollten dort versteuert werden, wo sie anfallen.
Einigkeit bei Sicherung der Grenzen
In Sachen Migration hielt Kurz Kern vor, nicht mehr zu wissen, welches Konzept er eigentlich habe, weil er es so oft gewechselt habe. Kern konterte, das sei einfach falsch. Bei seiner Arbeit als Außenminister habe Kurz in der Frage keine Rückendeckung von Kern gehabt. Kurz sprach sich einerseits für Entwicklungszusammenarbeit und bilaterale Zusammenarbeit aus, aber man dürfe sich nicht einreden, dass damit weniger Menschen kämen. Daher brauche man einen ordentlichen Grenzschutz, in der EU und in Österreich. Man müsse sicherstellen, dass es sich nicht mehr auszahle, sich auf den Weg zu machen.
Migration und Integration
Ein Schlagabtausch zeigte schließlich doch bei der Grenzsicherung Gemeinsamkeiten.
Kern sieht indes die Versäumnisse indes darin, dass man nicht rechtzeitig erkannt habe, was sich in Syrien oder dem Jemen tut und die internationale Flüchtlingshilfe der UNO gekürzt worden sei. Die europäischen und österreichischen Grenzen gehörten besser geschützt. Er verwies dabei auch auf die gemeinsamen Maßnahmen mit der ÖVP. In seiner Zeit als Kanzler sei auch die Zahl der Migranten zurückgegangen.
Keine Festlegung auf weitere Zusammenarbeit
Obwohl beide sich für die Angleichung von Arbeitern an Angestellte aussprachen, gab es über Details keinen Konsens. Auch bei der Unterhaltsgarantie für Alleinerzieherinnen kam es zu keinem Konsens.
Koalitionsmöglichkeiten
Wer wird mit wem die nächste Regierung bilden? Eine Frage, die sehr unterschiedlich, aber nicht konkret, beantwortet wurde.
Ob die beiden in einer neuen Regierung zusammenarbeiten könnten bzw. ob das Vertrauen wieder reparierbar ist, darauf gab es naturgemäß unterschiedliche Antworten. Laut Kern gibt es in der Politik keine Liebesheiraten sondern nur Vernunftehen. Kurz antwortete hingegen, sollte er Erster werden, wolle er mit allen Parteien reden, und einen Partner finden, mit dem er von seine Konzepten am meisten umsetzen könne.
Filzmaier analysiert das Duell
ORF-Politologe Peter Filzmaier analysiert das TV-Duell zwischen Kern und Kurz und sieht bei allem Trennenden auch Gemeinsames.
Filzmaier: Änderung als holprige Argumentation
Der Politologe Peter Filzmaier sieht in seiner Analyse des TV-Duells nach den ganzen Auseinandersetzungen der letzten Wochen und Tage wieder eine Rückkehr in die Normalität. Kern und Kurz hätten ihre bisherigen Botschaften vertreten: Bei Kern sei das gewesen, Ungerechtigkeiten in Österreich mit Umverteilung zu bekämpfen, bei Kurz sei die Botschaft gewesen, alles habe mit Zuwanderung zu tun. Bei dem „Was zu tun sei“, seien sich die beiden schlicht und ergreifend nicht einig gewesen, so Filzmaier weiter.
Bemerkenswert sei gewesen, dass sie dabei mit Änderung argumentiert hätten, obwohl beide Vertreter von langjährigen Kanzler- und Regierungsparteien sind. Das sei deshalb eine etwas holprige Argumentation gewesen.
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