Feindbild Bürokratie
Österreichs Wirtschaft wächst wieder - und das laut den jüngsten Zahlen sogar stärker als erwartet. Ausruhen will sich die Politik auf den Zahlen aber nicht. Da sind sich die Parteien in ihren Wahlprogrammen einig. Die Vorstellungen, wohin die Reise für Österreichs Unternehmen gehen soll, sind schon weniger homogen. Auch wenn sich manche Schlagworte über alle Parteigrenzen hinweg finden.
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Glaubt man den Wahlprogrammen, dann wird Österreich in den kommenden Jahren ein Land der Gründerinnen und Gründer. Ein neues Unternehmen ins Leben zu rufen soll schneller und einfacher werden. „One-Stop-Shop“ lautet das - freilich alles andere als neue - Schlagwort, das sich im Programm der SPÖ ebenso findet wie bei ÖVP, FPÖ, Grünen und NEOS. Dahinter verbirgt sich eine zentrale Anlaufstelle, bei der alle nötigen Behördengänge möglichst auf einmal erledigt werden können. Eine „lange versprochene“ Vereinfachung des Gründungsprozesses fordert auch die Liste Pilz.
Gewerbeordnung „entrümpeln“
Zugleich sollen die Verwaltungsschritte, die für eine Gründung nötig sind, zusammengekürzt werden. Denn parteiübergreifend herrscht auch Einigkeit, wenn es darum geht, die Bürokratie abzubauen. Nimmt man die Parteien beim Wort, dann geht es in der Zukunft auch der Gewerbeordnung in ihrer bisherigen Form an den Kragen. Von einer „modernen Gewerbeordnung“ sprechen ÖVP und NEOS; von einer „Reform“ SPÖ und FPÖ.
Die Grünen wollen eine „echte Entrümplung der Gewerbeordnung“. Die Freie Liste Österreich (FLÖ) fordert ein Ende des „Bürokratiewahnsinns“. Und sogar die Weißen, die im Wahlkampf bewusst kaum inhaltliche Positionen vertreten, plädieren in ihrem vierseitigen Wahlprogramm dafür, Unternehmen „regulatorisch zu entlasten“.
Steuern mit Steuern
Die versprochenen Erleichterungen für Unternehmen sind damit noch nicht zu Ende. Wenngleich die Ideen der Parteien nun schon deutlich auseinandergehen – zum Beispiel bei der Besteuerung. Da ist zum einen einmal die Frage, wie viel Steuern Unternehmen zahlen sollen, wenn ihr Gewinn unter null bleibt. Gar keine, sagt die ÖVP. Sie plädiert für eine Abschaffung der Mindestkörperschaftssteuer. Bisher macht die Abgabe fünf Prozent des Mindeststammkapitals aus. Abschaffen wollen die Mindest-KÖSt auch die FPÖ und NEOS. Die Grünen gehen nicht ganz so weit. Sie treten aber für eine Reduzierung zumindest um die Hälfte ein.

Grafik: APA/ORF.at; Quelle: APA/Wifo/IHS
Steuererleichterungen soll es auch für Unternehmen in der Gewinnzone geben – zumindest nach den Plänen von ÖVP, FPÖ und NEOS. Bisher führen Unternehmen 25 Prozent ihrer Gewinne als KÖSt an den Staat ab. Die Volkspartei will die Abgabe nun für all jene Gewinne streichen, die nicht ausgeschüttet – und damit im Idealfall reinvestiert – werden. FPÖ und NEOS fordern für diesen Fall immerhin, die KÖSt auf die Hälfte zu kürzen.
Milliardenschwere Rechenunterschiede
Die Halbierung der KÖSt auf nicht entnommene Gewinne ist auch eine langjährige Forderung der Industriellenvereinigung. Sie ging in einer Studie im vergangenen Herbst davon aus, dass eine solche dem Staat rund zwei Mrd. Euro kosten würde. Die ÖVP rechnet in ihrem Programm allerdings - trotz völliger KÖSt-Streichung - mit einem Steuerentgang von lediglich einer Milliarde.
Die Grünen lehnen eine solche KÖSt-Reduktion ab. Und auch die Liste Pilz hat damit keine Freude. Parteigründer Peter Pilz spricht angesichts der ÖVP-Pläne von einer „Umverteilung von Arm zu Reich“. Bei der SPÖ spielt die KÖSt im aktuellen Wahlprogramm keine Rolle. Zwar verspricht die SPÖ durchaus Entlastungen für Unternehmer - aber eben nicht über die Steuerschiene. Das unterscheidet das sozialdemokratische Programm von den Plänen von ÖVP, FPÖ und NEOS.
Lohnnebenkosten auf dem OP-Tisch
In anderen Punkten herrscht dagegen – zumindest oberflächlich – Einigkeit: Die Sozialdemokraten haben sich genauso wie Volkspartei, Freiheitliche und NEOS die Senkung der Lohnnebenkosten in ihr Wahlprogramm geschrieben. Während die FPÖ mit Details spart, nennt die ÖVP als konkrete Maßnahme die Halbierung des Dienstgeberbeitrags für den Familienlastenausgleichsfonds (FLAF). Aus ihm wird etwa die Familienbeihilfe bezahlt. Der Punkt findet sich auch bei der SPÖ. Beide Parteien rechnen für die Unternehmen mit einer Entlastung von insgesamt drei Milliarden pro Jahr.

Grafik: APA/ORF.at; Quelle: APA/Wifo/Beirat für Wirtschaft und Sozialfragen
Nach den ÖVP-Plänen sollen die fehlenden Zahlungen durch die Arbeitgeber gänzlich über das Budget, das heißt die Allgemeinheit, aufgefangen werden. Die Sozialdemokraten wollen zumindest einen Teil der Summe wieder an anderer Stelle hereinholen und fordern eine Wertschöpfungsabgabe. 1,5 Mrd. Euro soll die Abgabe auf die wirtschaftlich erbrachte Leistung laut SPÖ in den FLAF-Topf spülen.
ÖVP, FPÖ und NEOS lehnen die Wertschöpfungsabgabe als wirtschaftsfeindliche Maßnahme ab. Befürwortet wird sie hingegen von der KPÖ Plus und der Liste Pilz. Die Grünen dachten in der Vergangenheit immer wieder laut über eine solche Abgabe nach. Zurzeit findet sie sich in den Grünen-Konzepten allerdings nicht.
Hoffen auf Beschleunigungskräfte
Ein roter Faden, der sich durch die Wirtschaftskonzepte der Parteien zieht, ist die Frage der Investitionen – wenn auch mit unterschiedlichen Ansätzen. Wie sollen Unternehmen motiviert werden, ihr Geld hierzulande zu investieren? Und welche Unternehmen sollen das sein? Da gehen die Antworten der Parteien auseinander.
Keine inhaltlichen Positionen
Roland Düringers Liste Gilt hat sich die „offene Demokratie“ und damit mehr Bürgerbeteiligung auf die Fahnen geschrieben.
Zu inhaltlichen Themen will sich die Liste deshalb im Wahlkampf nicht positionieren.
Ähnliches gilt für die Weißen, die für mehr direkte Demokratie eintreten.
Die ÖVP setzt neben der KÖSt-Reduktion auf schnellere Prüfverfahren bei Großprojekten, Stichwort: dritte Piste auf dem Flughafen Schwechat. In dieselbe Kerbe schlägt die FPÖ, die das Kind auch ganz konkret beim Namen nennt: Umweltverträglichkeitsprüfungen sollen beschleunigt und für Unternehmen leichter werden.
If you start me up
Zugleich sprechen sich beide Parteien für die Förderung von Start-ups aus - und damit einhergehend bessere Bedingungen für Risikokapital. Ein Punkt, den sie mit NEOS und auch mit der SPÖ teilen. Überhaupt widmen die Sozialdemokraten einen großen Teil ihrer Wirtschaftsagenda der Gründung von Start-ups. „Wir überziehen Österreich mit Start-up-Clustern“, heißt es im SPÖ-Wahlprogramm. Dafür soll auch der Zugang zu gezielten Förderungen erleichtert werden.

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Das geht in Teilen mit den Plänen der Grünen konform, die sich „unbürokratische Förderungen“ wünschen. Zusätzlich machen sich die Grünen für die „gezielte Förderung von Forschung und Innovation in Zukunftsbranchen“ stark. Dazu zählen laut Grünen etwa der Bereich der erneuerbaren Energien und auch eine „umweltfreundliche Mobilitätsinfrastruktur“.
Der Appell für eine verbesserte Start-up-Kultur findet sich auch in einem erst kürzlich veröffentlichten Arbeitsprogramm der Liste Pilz. Darin fordern Kandidatinnen und Kandidaten um Stephanie Cox unter anderem eine „erweiterte Infrastruktur für Start-ups“ und reduzierte Steuern während der Gründungsphase. Cox wünscht sich überdies speziell Erleichterungen für „soziale Unternehmen“.
Sowohl SPÖ als auch Grüne plädieren für Prämien bei Reparaturen - wenn auch mit unterschiedlicher Stoßrichtung. Die SPÖ will Reparaturkosten zur Hälfte rückerstatten - gedeckelt mit 600 Euro pro Jahr und ausschließlich für Privatpersonen. Die Grünen wiederum wollen Reparaturbetriebe selbst mit Steuerprämien fördern. Ein weiterer Punkt auf der grünen Agenda: Ausbau und Vereinfachung der Bildung unabhängiger Genossenschaften.
Steuerlecks abdichten
Viel Gemeinsames findet sich auch, wenn es um die Besteuerung ausländischer Unternehmen geht. Dass Konzerne aus dem Ausland ihre Gewinne nicht in Österreich versteuern, stößt den meisten Parteien bitter auf. Die SPÖ schlägt einen Strafzuschlag von 25 Prozent auf Gewinne vor, die ins Ausland verschoben werden, und will Briefkastenfirmen in Steueroasen gänzlich verbieten. Auch die ÖVP setzt sich in ihrem Programm für ein solches Verbot ein. Sie bringt überdies die Einführung „digitaler Betriebsstätten“ für Onlineunternehmen auf Tapet. Über diese soll geregelt werden, „in welchem Land welcher Anteil des Gewinns zu versteuern ist“.
Die Grünen fordern ebenfalls die Schließung von „Steuerlücken“ und die Ausweitung der „Transparenzbestimmungen“. In ihrem Wahlprogramm setzt die Partei außerdem auf gemeinsame Regelungen auf EU-Ebene. Den Kampf gegen Steuerflucht von Großkonzernen hat sich ebenso die Liste Pilz zum Ziel gesetzt. Und bei der FLÖ heißt es knapp: „Schlupflöcher für internationale Konzerne und Stiftungen müssen geschlossen werden.“ Nur FPÖ und NEOS widmen dem Thema in ihren Programmen keinen Punkt.
Zankapfel Kammern
Dafür stehen diese beiden Parteien an vorderster Front im Kampf gegen die Pflichtmitgliedschaft in den Kammern. Beide wollen sowohl für die Arbeiterkammer als auch die Wirtschaftskammer ein auf Freiwilligkeit basierendes Modell. Die SPÖ lehnt solche Überlegungen kategorisch ab. Und auch die ÖVP spart das Thema in ihrem Programm aus. Allerdings: Unternehmen sollen laut Volkspartei in Zukunft auf dem Lohnzettel detailliert aufschlüsseln, wo welche Abgaben und Beiträge hinfließen. Dezidiert weist die ÖVP auf die Gebühr für die Arbeiterkammer hin.
Die Grünen möchten das System der Mehrfachmitgliedschaften in der Wirtschaftskammer reduzieren und die Gesamthöhe des Kammerbeitrags deckeln. Sie verwehren sich aber zugleich „gegen Angriffe auf ArbeitnehmerInnen-Institutionen“ wie die Arbeiterkammer. Einen eigenen Vorschlag machte zuletzt Pilz auf der ORF.at-Wahlcouch. Der Parteigründer schlug vor, Einpersonenunternehmen selbst entscheiden zu lassen, ob sie sich entweder von der Wirtschafts- oder von der Arbeiterkammer vertreten lassen wollen.
Links:
Martin Steinmüller-Schwarz, ORF.at