Kern und Strache schenken einander nichts
Beim ORF-TV-Duell zwischen dem SPÖ-Vorsitzenden und Bundeskanzler Christian Kern und FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache war der Ton wenige Tage vor der Nationalratswahl auf beiden Seiten schärfer als zuletzt. Bei Themen wie Arbeit und Außenpolitik verdeutlichten die beiden Parteispitzen ihre Positionen.
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Gleich zu Beginn stand die Facebook-Affäre rund um den ehemaligen SPÖ-Berater Tal Silberstein im Fokus. Darauf angesprochen betonte Kern, er sei „im höchsten Maße“ glaubwürdig, Dirty Campaigning lehne er „massiv“ ab. Es gebe „null Toleranz für Antisemitismus“. Strache entgegnete, es sei ärgerlich, „dass man so tut, als hätte man mit den Entwicklungen nichts am Hut“.
Debatte zur Facebook-Affäre
Bundeskanzler Kern unterstreicht seine Position zur Facebook-Affäre. FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache bezeichnet Kerns Aussagen als „unglaubwürdig“.
Arbeitsmarkt als Streitthema
Die gegensätzlichen Standpunkte traten bei praktisch allen angesprochenen Sachthemen zutage. Ein zentrales Thema des achten ORF-TV-Duells war der Arbeitsmarkt. Strache sah sich als „Verteidiger der kleinen Arbeiter“, die Rekordarbeitslosigkeit sei hausgemacht - wegen billiger osteuropäischer Arbeitskräfte.

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Wenige Tage vor der Wahl gab es zwischen Kern und Strache kaum Gemeinsamkeiten
Strache forderte eine „sektorale Schließung des Arbeitsmarktes“ und kündigte an, diese notfalls mit der EU gerichtlich auszutragen. Kern sagte, die FPÖ beklage in diesem Punkt die eigenen Fehler, denn die Übergangsfristen für die Öffnung des Arbeitsmarktes seien zu gering gewesen. Die FPÖ - damals in der Regierung - habe das verabsäumt. Kern will jetzt vor allem Bündnisse auf europäischer Ebene und verweist auf „80.000 zusätzliche Jobs“ seit dem letzten Sommer.
Kampf um „den kleinen Mann“ und den EU-Arbeitsmarkt
Der Zugang zum Arbeitsmarkt und das Thema Lohndumping war eines der zentralen Themen des TV-Duells.
Kammermitgliedschaft und Steuerentlastungen
Auch die Rolle der Wirtschafts- und der Arbeiterkammer wurde thematisiert. Strache betonte die Forderung nach einer freiwilligen Mitgliedschaft bei einer der Kammern, die „jeder Arbeitnehmer und Unternehmer gerne“ bezahlen würde, „wenn das Service gut ist“. Kern sagte, was Strache „als Filz diffamiere“, sei etwa die Arbeiterkammer und damit jene Institution, die einfachen Arbeitern zu ihrem Recht verhelfe.
Zu der im FPÖ-Wirtschaftsprogramm geforderten Senkung von Lohnnebenkosten, Körperschaftssteuer und Einkommenssteuer um neun Milliarden Euro konnte Strache keine Zahlen nennen. Wie viel davon auf Lohnnebenkosten entfallen sollen, hatte der FPÖ-Chef „nicht im Kopf“, es sollen jedoch Arbeitnehmer „im untersten Einkommensbereich“ entlastet werden, auch Steuern für kleine und mittlere Unternehmen sollten gesenkt werden. Kern warf er vor, „Arbeiter und kleine und mittlere Unternehmen gegeneinander auszuspielen“.

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Strache sprach sich erneut gegen die Pflichtmitgliedschaft in den Kammern aus, Kern verteidigte sie
Strache vermisst Aussage zu Katalonien-Konflikt
Mit der Katalonien-Krise war auch ein aktuelles außenpolitisches Thema Teil der Diskussion: Strache zeigte sich „entsetzt“, wie „unverantwortlich vonseiten der spanischen Behörden“ vorgegangen werde. Er kritisierte, dass die EU und auch Kern das Vorgehen nicht verurteilen.
Kern forderte im Gegenzug eine „Abrüstung der Worte“. Es müsse das Ziel sein, dass beide Konfliktparteien den Streit friedlich lösen. Er warnte davor, noch zusätzlich „Öl ins Feuer zu gießen“. Es sei in der Tat eine ernste Situation, er habe erst heute diesbezüglich mit EU-Ratspräsident Donald Tusk telefoniert.
Unterschiedlicher Umgang mit Visegrad-Staaten
Keine Gemeinsamkeiten gab es auch bei den osteuropäischen Visegrad-Staaten, die als Basis für die Flüchtlingsthematik dienten. Der vom ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orban aufgestellte Zaun hätte für Kern zwar „Flüchtlingsströme nach Österreich reduziert“. Es gehe aber auch um die Verteilung der Flüchtlinge, die Ungarn anscheinend nichts „angeht“, so Kern ironisch, obwohl Orban „sechs Milliarden Euro“ von der EU bekomme.
„Spaltung Europas“ und Flüchtlingskrise
Bei der Katalonien-Krise vermisst Strache eine klare Verurteilung der EU. Der FPÖ-Chef strebt auch eine Annäherung an die Visegrad-Staaten an, Kern will Lösungen mit westlichen Ländern.
Strache sagte, man müsse „Orban dankbar sein“, dass er die EU-Außengrenzen schütze. Ihm gefalle das Verständnis von Staaten wie Tschechien und Polen, die das „Aufzwingen“ von Kontingenten hinterfragten, nachdem andere eine „unverantwortliche Einladungspolitik betrieben“ haben. Für Strache wäre es „schon aus der historischen Tradition“ heraus wichtig, den Kontakt mit den Visegrad-Staaten zu vertiefen. Kern sieht hingegen viele Themen nur mit Hilfe der westlichen Staaten gelöst.
„Welten“ zwischen Strache und Kern
Im Verlauf des Duells wurde der Ton immer angriffiger, vor allem die Koalitionsvarianten waren jedoch über die gesamte Dauer ein wiederkehrendes Thema. Kern warnte mehrmals vor einer schwarz-blauen Koalition. Er stelle eine Annäherung von FPÖ und ÖVP fest, etwa bei der Wirtschafts- und Einwanderungspolitik, und meinte, dass bereits eine schwarz-blaue Regierung vorbereitet würde. Die FPÖ habe schon eine Ministerliste, so Kern.
Koalitionsmöglichkeiten
Kern sieht „Welten“ zwischen SPÖ und FPÖ. Ziel sei es, so stark zu werden, um Blau-Schwarz zu verhindern. Strache sieht sowohl Kern als auch ÖVP-Chef Kurz als „Vertreter des Versagens“.
Eine mögliche rot-blaue Koalition wirkte im Laufe des Abends immer unwahrscheinlicher. Angesprochen darauf, ob Kern eine solche ausschließe, sagte dieser: „Wir haben heute klar bewiesen, dass uns Welten trennen.“ Strache wiederholte seine Position, dass die SPÖ zuerst den Parteitagsbeschluss, wonach die SPÖ keine Koalition mit der FPÖ eingehen solle, ändern müsse, sonst wären keine Verhandlungen möglich.
Faktencheck und Analyse
Ulla Kramar-Schmid lieferte einen Faktencheck des TV-Duells zwischen Kern und Strache. Eine erste Analyse nahm Politikwissenschaftler Peter Filzmaier vor.
Der Politologe Peter Filzmaier erklärte in seiner ZIB2-Analyse den schärferen Ton, vor allem von Christian Kern, damit, dass die größten Wählerwanderungen zwischen SPÖ und FPÖ stattfinden. Es sei für Kern eine heikle Gratwanderung, Wechselwähler zwischen FPÖ und SPÖ zu erreichen. Rein inhaltlich seien sich FPÖ und ÖVP eher einig als in irgendeiner Variante mit der SPÖ. Als strategische Option werden sich nach Filzmaiers Einschätzung beide Parteien jedoch die Option einer rot-blauen Koalition offen halten.
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